Lokales Küstenmanagement in Madagaskar

In Madagaskars Südwesten w?chst der Druck auf die natürlichen Ressourcen des Meeres. Wissenschaftler, NGOs und die Bev?lkerung versuchen gemeinsam nachhaltige Nutzungsmethoden der Küstengew?sser zu etablieren.

Vergr?sserte Ansicht: Algenkultur an Madagaskars Küste
Lokales Küstenmanagement im Südwesten Madagaskars setzt auf Algenkulturen für die Lebensmittel- und Kosmetikindustrie. (Foto: Johannes Schmidt)

Madagaskars Artenvielfalt ist einzigartig. 10'000 der weltweiten Pflanzen- und knapp 800 der Wirbeltierspezies existieren nur auf dieser Insel im Indischen Ozean [1]. Doch auch die Gew?sser um die Insel sind bemerkenswert: Im Südwesten erstreckt sich auf über 300 Kilometer das drittgr?sste Korallenriff der Erde, das Toliara Reef, das den lange als ausgestorben geltenden Quastenflosser beheimatet und Buckelwalen als Aufzuchtsgebiet für ihre Jungen dient.

Madagaskars Südwesten

Der an diese Meeresregion grenzende trockene Südwesten ist die ?rmste Region des Landes. Hier existiert fast keine Industrie, sodass die Menschen von Fischfang, Landwirtschaft und der Zucht von Zeburindern leben. Fast 90 Prozent der stark wachsenden Bev?lkerung sind in den Fischereisektor involviert oder bestreiten ihren Lebensunterhalt ausschliesslich durch Fischen. Dadurch erh?ht sich stetig der Druck auf das durch Korallenbleiche und ?berfischung gef?hrdete Riff. Etwa zwei Drittel des Fischfangs rund um Madagaskar gingen in den vergangenen Jahren bereits auf Kleinfischer zurück.

Ziel einiger NGOs, wie dem WWF [2] oder der Organisation ?Blue Ventures? [3][4], ist es deshalb, gemeinsam mit der Lokalbev?lkerung Fischereipraktiken zu etablieren, welche die Menschen nicht von ihrer Lebensgrundlage abschneiden und gleichzeitig ein Weiterbestehen der marinen ?kosysteme gew?hrleisten. Wie kann die Bev?lkerung das Meer nachhaltig nutzen?

Nachhaltiges Fischen in Beheloke

Beheloke ist ein kleines Fischerdorf an einer flachen Bucht im Südwesten Madagaskars. Das Dorf hat mithilfe des WWFs eine lokale Fischereigewerkschaft, die ?Dina?, gegründet und begonnen, das Bewusstsein in der Bev?lkerung für die ?kologischen Probleme am Riff zu sch?rfen. Mit einfachen, jedoch effektiven Regeln haben sie seither den Fischfang nachhaltiger gestaltet. Da der ungewollte Beifang von Jungfischen in engmaschigen Fischernetzen die Erholung der Best?nde stark beeintr?chtigte, einigte man sich zum Beispiel darauf, von Moskitonetzen auf Netze mit 10 Zentimeter grossen Maschen umzusteigen. Drastischere Massnahmen stellen aus Sicht der Fischer die eingeführten Schonzeiten dar. Von Oktober bis Dezember dürfen zum Beispiel keine Langusten und von Dezember bis Januar keine Tintenfische gefischt werden, da die Tiere sich in diesem Zeitraum vermehren. Dadurch erholt sich der Bestand in der Nachfolgesaison deutlich. Manche dieser Richtlinien bestanden zwar zuvor, wurden aber nur schleppend umgesetzt. Die Menschen befürchteten, die Einkommenseinbussen in der Schonzeit nicht durch Ausweichen auf andere Arten kompensieren zu k?nnen. Dass die Regelung heute in der Bev?lkerung breite Akzeptanz findet, ist alternativen Einkommensm?glichkeiten zu verdanken, die zum Ausgleich geschaffen wurden.

Vergr?sserte Ansicht: Einwohner Behelokes
Die Einwohner Behelokes leben haupts?chlich vom Fischfang. (Foto: Johannes Schmidt)

Algen-Aquakultur

Seit 2013 kann jeder Einwohner Behelokes in der Bucht vor dem Dorf eine Algen-Aquakultur betreiben. Die Rotalge Kappaphycus alvarezii, die in Asien heimisch ist, gedeiht in der warmen, lichten Meeresregionen mit ihren starken Gezeiten optimal und vermehrt sich fast ausschliesslich vegetativ [5]. Wegen der in ihnen gebildeten langkettigen Kohlenhydratea, die sich hervorragend als Gelier- und Dickungsmittel in der Lebensmittel- und Kosmetikindustrie eignen, werden die Algen in Asien schon lange kultiviert.

Algensetzlinge, die man an Schnüren angebunden im Wasser schwebend zieht, vermehren sich rasant: Sie verdoppeln ihre Biomasse innerhalb von nur 15 Tagen. So kommen die Bewohner Behelokes auf durchschnittlich neun Algenernten à 200 Kilogramm Nassgewicht im Jahr. Die getrockneten Algen verkaufen die Dorfbewohner an einen Zwischenh?ndler, für 500 Ariary pro Kilo, also knapp 20 Rappen. Das ist nicht viel, kann aber ein durchschnittliches Einkommen aus der Fischerei fast verdoppeln. Vor allem für Frauen hat sich die Aquakultur als gutes eigenst?ndiges Zusatzeinkommen entpuppt, da sie die relativ leichte und wenig zeitaufw?ndige Arbeit gut mit ihrem Alltag vereinbaren k?nnen.

Trotzdem stellt sich die Frage, ob sich ohne zwischengeschaltete H?ndler, durch Kooperativen mit anderen D?rfern oder die Einführung von ?Fairtrade?-Standards nicht bessere Preise für Behelokes Algen erzielen liessen. Hierfür ist das abgeschiedene Dorf jedoch weiterhin auf ?ussere Hilfe angewiesen. Auch ob die eingeführte Algenart langfristig Auswirkungen auf das lokale ?kosystem hat, ist unklar: K. alvarezii kann Teppiche in oberen Wasserschichten bilden, welche darunter liegenden Korallen das Licht wegnehmen. Seit Beginn des Projekts wurde anscheinend keine Ausbreitung der Rotalgen am Riff bemerkt. In der sandigen Anbaubucht stehen sie nicht in Konkurrenz mit anderen Arten, bieten ersten Beobachtungen zufolge sogar manchen Fischarten Schutz. Trotzdem gilt es, die Verbreitung konstant zu beobachten und gegebenenfalls aktiv einzuschr?nken.

Politischer Meilenstein

Auf dem IUCN (International Union for Conservation of Nature) World Parks Congress in Sydney erkl?rte Madagaskars Pr?sident Rajaonarimampianina im Dezember, dass sein Land die Absicht habe, die aktuelle Fl?che seiner marinen Schutzzonen zu verdreifachen [6]. Er würdigte den Beitrag lokaler Projekteb wie in Beheloke zu einem nachhaltigeren Umgang mit Madagaskars Meeresressourcen und versprach, sie in Zukunft politisch st?rker anzuerkennen. Momentan werden sieben Prozent von Madagaskars Küstengew?ssern lokal verwaltet. Dank des politischen Rückenwinds k?nnte dieser Fl?chenanteil bald weiter ansteigen.

 

a Sogenannte externe SeiteCarragene.

b Lokal verwaltete Küstengebiete werden auch mit dem englischen Fachbegriff ?Locally Managed Marine Areas? bezeichnet. Siehe auch das externe SeiteLMMA-Netzwerk für Madagaskar oder andere L?nder, und auch Rocliffe et al, doi: externe Seite10.1371/journal.pone.0103000

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Melanie Weisser hat an der ETH einen Masterabschluss in Biologie gemacht und arbeitet seit 2011 als Doktorandin in Strukturbiologie am Institut für Molekularbiologie und Biophysik. Ihr Interesse an Wissenschaft im Spannungsfeld zwischen Umweltschutz, Nachhaltigkeit und Entwicklung führte sie im Oktober 2014 gemeinsam mit einer Gruppe anderer Doktoranden und Studierenden nach Madagaskar. Im Rahmen einer dreiw?chigen wissenschaftlichen Reise konnte die Gruppe verschiedene Forschungsprojekte und Nachhaltigkeitsinitiativen vor Ort kennenlernen. Im ETH Zukunftsblog m?chte sie Einblicke in diese Projekte geben.

Weiterführende Informationen

[1] Informationen zum Thema ?externe SeiteMadagaskar? vom WWF

[2] Informationen zum Thema ?externe SeiteNachhaltige Fischerei? vom WWF

[3] Informationen zum Thema ?externe SeiteNachhaltige Fischerei? von Blue Ventures

[4] Informationen zum Thema ?Aquakultur? von Blue Ventures (Fact sheet, externe Seitepdf)

[5] Einige Informationen rund um den externe SeiteAnbau von Kappaphycus alvarezii

[6] Mehr über das ?externe SeiteVersprechen von Sydney?

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