Gegen Verschwendung: Einfach alles aufessen?

In Sachen Essen w?re in Industriel?ndern weniger oft mehr: ?bergewicht und ungesunde Ern?hrung machen viele Menschen krank. Macht es da Sinn, die heute verschwendeten Nahrungsmittel auch noch zu essen? Oder müssen wir den Hebel gegen die Verschwendung anderswo ansetzen?

Vergr?sserte Ansicht: Lebensmittel in Mülltonne
Ist Aufessen die L?sung gegen Lebensmittelverschwendung? (Foto: US Department of Agriculture / flickr)

Es gibt viele Argumente dafür, dass wir die Verschwendung von Nahrungsmitteln reduzieren sollten. Aus ?kologischer Sicht bedeutet Lebensmittelverschwendung auch Verschwendung begrenzter Ressourcen, insbesondere von Energie, Land und Wasser. Wenn wir 100g von einem Steak wegwerfen, dann verschwenden wir nicht nur 100g Fleisch, sondern zus?tzlich 1‘400 Liter Wasser, und wir besetzen unn?tigerweise einen Quadratmeter fruchtbares Land über ein ganzes Jahr. Aus ?konomischer Sicht verschwenden wir damit eine Menge Geld: Jeder Schweizer Haushalt wirft j?hrlich im Mittel 1‘500 bis 2‘500 Franken, die er im Supermarkt für Essen ausgegeben hat, in den Kübel. Aus ethischer Sicht verschwenden wir ?das Brot der Armen?. Mit den Lebensmitteln, die pro Schweizer weggeworfen werden, k?nnte das Kaloriendefizit von sechs unterern?hrten Menschen gedeckt werden. Und aus sozialer Sicht würdigen wir die in die Produktion investierte Arbeit von vielen, teilweise unterbezahlten Menschen nicht.

Ist Aufessen die L?sung?

Vergr?sserte Ansicht: Gebäcktheke
?bergewicht und ungesunde Ern?hrung machen viele Menschen krank. In Industriel?ndern w?re in Sachen Essen weniger oft mehr. (Foto: Claudio Beretta)

Erste Reaktionen auf diese Tatsachen k?nnten sein, dass wir im Restaurant stur den Teller immer aufessen. Dass wir verderbliche Produkte sp?testens kurz vor dem Verderb noch verzehren, auch wenn wir eigentlich keinen Hunger h?tten. Dass wir einen Osterhasen vom letzten Jahr, der im Schrank vergessen ging, trotz muffeligem Geschmack noch essen. Dass wir bei Omas Konfitüre, die oben zu schimmeln begonnen hat, die oberste Schicht abtrennen und den Rest noch aufs Brot streichen. Doch tun wir damit wirklich der Welt etwas Gutes?

Symptombek?mpfung macht noch kr?nker

Die Kosten, die durch ?bergewicht und Adipositas sowie durch die damit verbundenen Krankheiten gem?ss Bundesamt für Gesundheit verursacht werden, beliefen sich im Jahr 2006 auf fast sechs Milliarden Franken. Wenn wir alle Resten aufessen würden, auch wenn wir keinen Hunger haben, so verschlimmern wir dieses Problem. Wenn wir beginnen, halb verdorbene Produkte zu essen, belastet das unsere Gesundheit zus?tzlich. Pilzsporen und giftige Stoffwechselprodukte der Schimmelpilze k?nnen mitunter in die Tiefe der Lebensmittel eindringen, ohne dass das sichtbar w?re. Wenn wir also aufessen um des Aufessens Willen, k?nnen wir zwar ?Foodwaste? gem?ss Definition verhindern. Doch so bringen wir den Lebensmitteln keineswegs mehr Wertsch?tzung entgegen.

Bewusst essen

Vergr?sserte Ansicht: Gemüse
Bewusst essen und das Essen auch wirklich geniessen sind die besten Mittel gegen Verschwendung. (Foto: Claudio Beretta)

Für einen wahrhaftig würdigen Umgang mit Lebensmitteln stellt sich die Frage, wozu wir eigentlich essen. In erster Linie sollten wir essen, um gesund zu sein und unserem K?rper Energie zuzuführen. Zweitens sollte uns Essen Freude und Genuss bereiten. Und drittens sollten wir Essen als Gelegenheit benützen, um soziale Erlebnisse zu pflegen, sei es bei einem Familiennachtessen oder beim gemeinsamen Kochen mit Freunden.

Dies ist nur m?glich, wenn wir bewusst essen. Das bedeutet, dass wir uns achten, was wir essen. Wir müssen uns dazu informieren und auf unsere Sinne h?ren. Frische, unverarbeitete, saisonale, schonend im Einklang mit der Natur produzierte Lebensmittel in ausgewogenen Kombinationen und massvollen Mengen versorgen unseren K?rper mit den n?tigen Vitaminen und Mineralstoffen. Fast Food, Billigprodukte aus intensiver Massenproduktion und Fertiggerichte mit chemischen Zusatzstoffen hingegen sind die Ursache vieler Zivilisationskrankheiten. Wir sollten also an erster Stelle gesunde Lebensmittel beziehen. Mit jedem Franken, den wir in ?Junk Food? investieren, unterstützen wir eine Industrie, welche die Menschen zu krankmachendem Konsum verführt. An zweiter Stelle sollten wir massvoll einkaufen, sodass wir alle Lebensmittel verzehren k?nnen, so lange sie noch gut und frisch sind. Und an dritter Stelle kommt eine sinnvolle Resteverwertung.

Wenn wir in diesem Sinne bewusst essen und uns Zeit nehmen, um die Lebensmittel zu geniessen, dann k?nnen wir die Lebensmittelverschwendung mit allen ihren ?kologischen, ?konomischen, ethischen und sozialen Nachteilen beseitigen. Das Sch?ne daran: Mit diesem Weg tun wir nicht nur etwas Gutes für die Welt, sondern auch für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden.

 

Claudio Beretta arbeitet am Institut für Umweltingenieurwissenschaften der ETH Zürich, wo er im September 2013 seine Doktorarbeit begonnen hat. Daneben ist er Pr?sident von externe Seitefoodwaste.ch, einer unabh?ngige Schweizer Informations- und Dialogplattform zum Thema Lebensmittelverschwendung.

Zum Autor

?hnliche Themen

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert