Pflanzen schlauer schützen

Wir müssen die Umwelt- und Gesundheitsrisiken von Pflanzenschutzmitteln senken. Totalverbote sind aber das falsche Mittel, meint Robert Finger. Er pl?diert für intelligenten Pflanzenschutz.

Robert Finger

Glyphosat, Neonikotinoide und Trinkwasserinitiative – über den Verzicht auf Pflanzenschutzmittel wird derzeit intensiv diskutiert. Obwohl: Ohne Pflanzenschutz kommt unser Ern?hrungssystem nicht aus. Andererseits bergen gerade Pflanzenschutzmittel unbestrittene Risiken für Mensch und Umwelt.

Traktor versprüht Pflanzenschutzmittel auf Feld.
Pflanzenschutz muss künftig schonender erfolgen. (Bild: Fotokostic / Shutterstock) 

Verbote wichtiger Pflanzenschutzmittel stehen denn auch im Zentrum der Debatte. Die EU hat Ende April 2018 drei h?ufige Neonikotinoide für die Anwendung im Freiland untersagt, da diese Insektengifte nicht nur auf Sch?dlinge, sondern auch auf Nützlinge wie Bienen wirken. Auf der politischen Agenda steht zudem ein m?gliches Verbot des Totalherbizids Glyphosat, das am h?ufigsten eingesetzte Pflanzenschutzmittel der Welt.

Noch weiter gehen zwei aktuelle Volksinitiativen in der Schweiz. Die Initiative ?Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung? will Subventionen nur an landwirtschaftliche Betriebe zahlen, die – unter anderem – keine Pflanzenschutzmittel einsetzen. Derweil m?chte die Initiative ?Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide? den Einsatz jeglicher (synthetischer) Pestizide generell verbieten.

Auch die Privatwirtschaft ist ein Treiber für Verbote und Einschr?nkungen. ?Glyphosatfreie? Milch in Deutschland und ?rückstandfreies? Obst und Gemüse (zéro résidu de pesticides) aus Frankreich: Der Verzicht auf Pflanzenschutzmittel wird immer mehr zum Marketingargument.

Was sind gute Politikl?sungen?

Das Ziel, die durch Pflanzenschutzmittel hervorgerufenen Risiken für Mensch und Umwelt deutlich zu reduzieren, halte ich für richtig und alternativlos. Verbote und Restriktionen sind aber nicht immer zielführend, denn sie k?nnen unerwünschte Nebeneffekte haben.

?Um Entscheidungsgrundlagen für die Politik zu schaffen, müssen wir s?mtliche Zielkonflikte betrachten.?Robert Finger

So kann ein Verbot eines spezifischen Mittels den Einsatz noch toxischerer Produkte begünstigen. Andere Umweltziele k?nnten beeintr?chtigt werden und die Kosten des Pflanzenschutzes steigen. Die Quantit?t und Qualit?t von Nahrungsmitteln k?nnten sinken und die Preise steigen. Denkbar ist auch, dass Obst- und Gemüseproduktion verst?rkt unter Netzen und Folien stattfinden und so unsere Landschaften merklich ver?ndern.

Das Gesamtsystem im Blick

Um Entscheidungsgrundlagen für Politik und Wirtschaft zu schaffen, müssen wir s?mtliche Zielkonflikte betrachten und quantifizieren1. Wie eine Landwirtschaft mit weniger Pflanzenschutzmitteln auss?he, ist n?mlich nicht ausreichend bekannt.

Aktuell untersuchen wir zum Beispiel, wie sich ein Verzicht auf Glyphosat oder auf alle Herbizide für ausgew?hlte Ackerkulturen auswirken k?nnte. Dabei bilden wir in bio?konomischen Modellen sowohl Unkrautdruck und Bek?mpfungsstrategien als auch die Entscheidungen der Landwirte ab. So simulieren wir, wie Landwirte reagieren, wenn sich biophysikalische, ?konomische oder rechtliche Rahmenbedingungen ?ndern.

Wir konnten zeigen, dass der Verzicht auf Glyphosat im Maisanbau zwar die Bodenbearbeitung intensiviert, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln aber insgesamt senkt2. Dabei erh?hen sich die Kosten für den Landwirt im Mittel nur geringfügig. Das heisst im Umkehrschluss, dass h?here Preise für Glyphosat dessen Einsatz verringern k?nnten. Die Alternative – eine intensivere Bodenbearbeitung im Fall des Verbots – würde hingegen den Energieaufwand, die Bodenerosion und den CO2-Ausstoss der Landwirtschaft erh?hen.

Anreize für schonenden Pflanzenschutz

Für mich steht zudem fest: Wir brauchen neue Wege, um Risiken des Pflanzenschutzmitteleinsatzes zu reduzieren ohne andere Leistungen des Sektors zu gef?hrden. Die Digitalisierung der Landwirtschaft wird hier eine entscheidende Rolle spielen. Autonome Roboter und Drohnen k?nnen Unkr?uter, Sch?dlinge oder Krankheiten erkennen und bek?mpfen und so Pflanzenschutzmittel drastisch reduzieren oder komplett ersetzen. Die Landwirtschaft von morgen muss zudem pr?ventive Massnahmen in Form biologischer und mechanischer Bek?mpfungsstrategien st?rken. Nicht zuletzt kann auch die Züchtung resistenter Sorten massgeblich zum Schutz der Kulturen beitragen.

Diese Ans?tze gilt es meiner Ansicht nach zu f?rdern. Es braucht darüber hinaus aber auch ?konomische Instrumente, um die landwirtschafte Produktion nachhaltiger zu gestalten. Statt Wirkstoffe zu verbieten, sollten die durch Pflanzenschutzmittel hervorgerufenen externen Effekte internalisiert werden: Zum Beispiel k?nnte eine Lenkungsabgabe Anreize geben, sch?dliche Pflanzenschutzmittel durch weniger riskante Produkte oder nicht-chemische Strategien zu ersetzen3.

Dieser Text erschien ebenfalls als externe SeiteAutorenbeitrag in der NZZ.  

Referenzen

1 Finger, R. (2018) externe SeiteTake a holistic view when making pesticide policies stricter. Nature 556 (7700): 174

2 B?cker, T., Britz, W., Finger, R. (2018). externe SeiteModelling the effects of a glyphosate ban on weed management in silage maize production. Ecological Economics 145: 182–193 externe Seite>>

3 Finger, R., M?hring, N., Dalhaus, T., B?cker, T. (2017). externe SeiteRevisiting pesticide taxation schemes. Ecological Economics 134: 263–266

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