Erwärmung in der Stratosphäre erzeugt kalte Winter

In der ersten Januarwoche hat sich die arktische Stratosph?re schlagartig erw?rmt, Klimawissenschaftler bezeichnen dies als ein ?sudden stratospheric warming? (SSW). Die Folge davon ist kaltes Winterwetter – ETH-Professorin Daniela Domeisen und ihr Doktorand Alexander Wollert haben dieses Ph?nomen eindrücklich visualisiert.

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Pl?tzliche Erw?rmung der Stratosph?re teilt Polarwirbel (Video: Daniela Domeisen und Alexander Wollert, ETH Zürich)

Endlich wieder mal ein Winter, der den Namen verdient. Hat dies mit dem Ph?nomen einer pl?tzlichen Stratosph?renerw?rmung (sudden stratosphere warming, SSW) zu tun, die anfangs Januar aufgetreten ist?
Daniela Domeisen: Das derzeitige kalte Winterwetter in Europa hat m?glicherweise noch nicht viel mit der SSW zu tun. Es ist einfach Winter und deshalb ist es kalt und es schneit. Aber: Es k?nnte aufgrund der beobachteten pl?tzlichen Stratosph?renerw?rmung noch l?nger kalt bleiben.

Wieso sind Sie sich da so sicher?
Bei einem solchen Ereignis wird es in Nordeuropa und generell in Eurasien k?lter, wie wir das schon bei einem ?hnlichen Ereignis im letzten Jahr beobachten konnten. Gleichzeitig wird es stürmischer in Spanien und im Mittelmeergebiet. Im vergangenen Jahr trat der Effekt des SSW schon nach zehn Tagen ein. Dieses Jahr ist der Verlauf allerdings anders, da sich das Wetter am Erdboden anders verh?lt und der Einfluss von oben deshalb noch nicht bis zum Erdboden gelangt. Deshalb ist es derzeit noch schwierig zu sagen, ob die aktuelle K?lte etwas mit dem SSW zu tun hat.

Daniela Domeisen.
Daniela Domeisen.

Wahrscheinlich haben die Wenigsten von der pl?tzlichen Erw?rmung der Stratosph?re als Ausl?ser von kaltem Wetter geh?rt. Was l?uft über unseren K?pfen ab?
Immer im Herbst bildet sich in der Stratosph?re rund 20 bis 50 Kilometer über dem Nordpol ein Polarwirbel, der von West nach Ost um den Nordpol zirkuliert. Die damit verknüpften Winde k?nnen extrem schnell sein, lokal bis zu 300 km/h. Erw?rmt sich die Stratosph?re schlagartig – um teilweise bis zu 80° Celsius – bricht diese Zirkulation pl?tzlich zusammen. Die starken Winde flauen ab. Der Wirbel verschiebt sich daraufhin vom Nordpol weg oder zerf?llt in zwei Teile. Eine solche Teilung, wie sie sich im Winter 2017/18 ereignet hat, haben wir vor kurzem in einem externe SeiteVideo visualisiert.

Wie oft wiederholen sich solche Ereignisse?
Durchschnittlich treten sie sechsmal pro Jahrzehnt auf, aber mit grosser Variabilit?t: In den 1990er Jahren gab es nur zwei solche Ereignisse, in den 2000ern dagegen neun. Am Südpol wurde überhaupt erst einmal eines beobachtet, im Jahr 2002. Das war überraschend, da die Wissenschaftler lange davon ausgingen, dass sie dort gar nicht auftreten. Es war übrigens das einzige Jahr seit Auftreten des Ozonlochs, in welchem sich über dem Südpol kein Ozonloch gebildet hat.

Wie lange h?lt die Teilung des Polarwirbels an?
In der oberen Stratosph?re dauert es wenige Wochen, bis sich die beiden Teilwirbel wiedervereinigt haben, in der unteren Stratosph?re kann es mehrere Monate dauern, also h?ufig den ganzen Rest des Winters. Im Frühling zerf?llt der Polarwirbel sowieso.

Verst?rkt der Klimawandel das Auftreten der Ereignisse?
Das weiss man noch nicht. Wir kennen das Ph?nomen erst seit den 1950er Jahren, die Beobachtungsdaten decken nur wenige Dekaden ab. Das erschwert es, Voraussagen über das Verhalten von SSWs zu machen. Derzeit beobachten wir gegens?tzliche Tendenzen: In der Stratosph?re wird es aufgrund des Klimawandels generell k?lter. Gleichzeitig schmilzt das Eis an den Polkappen, besonders das Meereis in der Arktis. Dies beeinflusst, wie sich grossr?umige Wellen, welche den gesamten Planeten umspannen, in die Stratosph?re hinaufbewegen, wo sie die SSW ausl?sen. Wenn sich dies ver?ndert, sind auch Ver?nderungen von SSWs denkbar. Einige Modelle sagen, dass SSWs h?ufiger werden, andere Modelle gehen von weniger solchen Ereignissen aus. Schlüssige Prognosen gibt es noch nicht.

Woran erkennen Sie, dass sich eine pl?tzliche Erw?rmung der Stratosph?re anbahnt?
Die Wahrscheinlichkeit für ein SSW kann man schon mehrere Wochen oder Monate im Voraus absch?tzen. Zu den Faktoren, die Stratosph?renerw?rmungen begünstigen, geh?ren El Ni?o-Ph?nomene, bei der sich die Meeresoberfl?che im tropischen Pazifik erw?rmt. Dieser Faktor war in diesem Jahr gegeben und sprach dafür, dass ein SSW auftreten k?nnte. Um Weihnachten hat sich noch nie eines ereignet, das w?re ein sch?nes Weihnachtsgeschenk für uns Atmosph?rendynamiker.

Zur Person

Daniela Domeisen ist seit 2017 Professorin für Atmosph?rische Vorhersagbarkeit am Institut für Atmosph?re und Klima der ETH Zürich.

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