Schweizer Weg zur personalisierten Bildung

Bildung wird digitalisiert und die Daten werden sinnvoll und unter der Kontrolle der Lernenden verknüpft. Ernst Hafen stellt sich vor, wie seine Enkelin dereinst an der ETH studiert und wie die Schulen mit der SRG zusammenspannen k?nnten.

Ernst Hafen

Unsere Enkelin Smilla ist 2013 zur Welt gekommen und k?nnte sich 2030 für ein Studium an der ETH Zürich interessieren. Smilla wird ein umfassendes pers?nliches Bildungsdatenkonto besitzen, in dem Kopien all ihrer pers?nlichen Daten sicher abgelegt sind. Das heisst auf ihrem Konto kommen alle Daten, die sie im Kindergarten, der Primarschule und im Gymnasium generieren wird, zusammen. Somit wird ihr Bildungsprofil 2030 nicht mehr nur aus den Zeugnisnoten in den verschiedenen F?chern bestehen. Ebenso wichtig werden die Texte und Videos, die sie selbst verfasste, die Bücher, die sie online gelesen und Filme, die sie auf Youtube gesehen hat sowie die Levels, die sie in World of Warcraft oder anderen Computerspielen erreicht hat, sein. 

Kinder digitalisierte Bildung
Personalisierte Bildung für zukünftige Generationen. (Bild: iStock/Nadezhda)

Algorithmen für die beste Studienwahl

Wenn sich Smilla an der ETH mit der Pr?ferenz Umweltnaturwissenschaften anmeldet, wird sie dem ETH-Studienalgorithmus Zugriff auf ihr Datenkonto geben. Der Algorithmus schl?gt ihr aufgrund ihres Profils weitere Studienm?glichkeiten vor: zum Beispiel Architektur, weil sie ein überdurchschnittliches r?umliches Vorstellungsverm?gen und eine künstlerische Ader hat. Entscheidet sie sich doch für Umweltnaturwissenschaften, erh?lt Smilla einen Vorschlag mit einem detaillierten Studienplan, der sich aus online Lerneinheiten und ?bungen in verschiedenen Leistungsstufen – früher Semester genannt – zusammensetzt.

 

?Durch die Personalisierung der Bildung werden die Grenzen zwischen den Disziplinen und Stufen, zwischen Aus- und Weiterbildung immer mehr verschwimmen. Es entsteht ein kontinuierlicher Bildungsraum.?Ernst Hafen

Der Stress, mit Unbekannten eine effiziente Lerngruppe bilden zu müssen, f?llt für Smilla weg. Sie erh?lt Vorschl?ge, mit welchen anderen Studierenden sie sich idealerweise zusammentun k?nnte, um in online Lernmodulen wichtige Grundlagen zu erarbeiten. Die so erzeugten Daten dienen dazu, st?ndig die Qualit?t der Lernmodule zu verbessern und selbstverst?ndlich fliessen diese auch zurück auf ihr pers?nliches Bildungsdatenkonto. 

?berfüllte H?rs?le sind passé

Wichtig bleibt natürlich auch für Smilla der pers?nliche Kontakt mit Professorinnen und Professoren, die sie in ?bungen, Projektarbeiten und Diskussionsrunden trifft. Diese Lernmodule – bis dato Vorlesungen – finden aber nur noch in kleinen, individuell zusammengesetzten Gruppen statt. Grosse und überfüllte Vorlesungen mit mehreren hundert Teilnehmenden existieren 2030 nicht mehr. Durch die Personalisierung der Bildung werden die Grenzen zwischen den Disziplinen und Stufen, zwischen Aus- und Weiterbildung immer mehr verschwimmen. Es entsteht ein kontinuierlicher Bildungsraum, von dem jede und jeder einzelne so viel profitiert wie m?glich.

SRG soll in die Bildung einsteigen

Was nach Utopie klingt, ist heute bereits Wirklichkeit, wenigstens teilweise. Es gibt schon heute Online-Lernplattformen, auf denen jeder Click und jeder Text registriert und analysiert wird. Daraus entstehenden Lernprofile der Studierenden, die das Business Modell dieser Anbieter sind. Diese Angebote finde ich nützlich, sie führen aber zu einer neuen digitalen Abh?ngigkeit von multinationalen Firmen. Wollen wir das? 

Die Schweiz hat hervorragende Chancen, zu einem führenden Anbieter von qualitativ hohen und fairen Bildungsinhalten und Ausbildungsst?tten zu werden. Kein anderes Land vergleichbarer Gr?sse besitzt fünf Hochschulen, die international zu den Top 200 Universit?ten geh?ren. Universit?ten und Schulen sind grosszügig ?ffentlich finanziert, ebenso die SRG. Letztere m?chte gem?ss dem neuen SRG Direktor Gilles Marchand vermehrt auf Info- und Edutainment setzen. Und hier sehe ich das Potenzial! W?hrend die Hochschulen, Fachhochschulen und Schulen erstklassige Lehrkr?fte und Inhalte haben, ist die SRG Expertin wenn es darum geht digitale Inhalte umzusetzen. 

Ein Beispiel gef?llig? Mit der Serie ?externe SeiteEinfach Physik? haben das SRF und die ETH schon bewiesen, wie man physikalische Gesetze in ein ansprechendes Videoformat packen kann. Man stelle sich vor, jede Lehrperson – von der Primarlehrerin bis zur Professorin – h?tte die M?glichkeit ihr Lieblingsthema als digitales Lernmodul mit Eintritts- und Austrittstest professionell in vier Sprachen auf einer Schweizer Lernplattform, auf der die Bildungsdaten nicht das eigentliche Businessmodell sind, umzusetzen. Jeder Nutzerin dieser Inhalte erh?lt ihre Daten auf ihr pers?nliches Datenkonto. Hochqualitative und faire Bildung wird zum frei zug?nglichen Exportprodukt der Schweiz.

Für unsere Enkelin Smilla sehe ich eine spannende, hoffentlich faire und personalisierte Bildung. Die Schweizer Schulen und Hochschulen liefern ihr erstklassige Inhalte, welche von der SRG so umgesetzt sind, dass nicht nur Smilla profitiert, sondern auch alle andern. Und ganz bestimmt m?chte sie dann auch an die ETH kommen – im Moment will sie allerdings immer noch Prinzessin werden.

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