Neues Licht auf dunkle Materie

Diese Woche hat die Dark Energy Survey-Kollaboration die erste Karte über die Verbreitung von dunkler Materie ver?ffentlicht. Im Interview erkl?rt Alexandre Refregier, Professor für Kosmologie, der mit seiner Gruppe am Projekt beteiligt ist, weshalb diese Publikation einen grossen Einfluss haben wird und ob sie Albert Einsteins Allgemeine Relativit?tstheorie umst?sst.

Vergr?sserte Ansicht: DES
Galaxien (schwarze Punkte) tendieren dazu, sich dort anzusammeln, wo die dunkle Materie eine hohe Dichte hat (gelbe bis rote Bereiche). (Grafik: aus Vikram V et al, 2015)

Vor zwei Jahren nahm das Projekt Dark Energy Survey (DES) seinen Betrieb auf. Nun pr?sentiert die DES-Kollaboration eine Studie, an der Ihre Postdoc-Forscherin als eine der Erstautoren mitgearbeitet hat. Was ist die grosse Neuigkeit?
Das DES hat soeben die erste Karte der Verbreitung von dunkler Materie in einem kleinen Bereich des Universums ver?ffentlicht. Co-Leiterin dieser Studie ist Chihway Chang, die als Postdoc in meiner Gruppe arbeitet. Die Karte umfasst rund 140 Quadratgrade. Ziel des DES ist es, 5000 Quadratgrade zu erfassen. Die Karte zeigt Regionen von niederer und hoher Dichte von dunkler Materie. Diese konzentriert sich vorzugsweise da, wo sich auch grosse Mengen an ?normaler? Materie konzentrieren, etwa bei Anh?ufungen von Galaxien. Damit wird unsere Theorie darüber, wie sich im Universum Strukturen wie Galaxien und Sterne bilden, best?tigt.

Vergr?sserte Ansicht: Bild / Photo: ETH Zürich
Professor Alexandre Refregier ist Experte im Bereich des Gravitationslinseneffektes. (Bild: ETH Zürich)

Wieso sind die Resultate dieser Studie so aussergew?hnlich?
Wir verwendeten eine spezielle Technik, um dunkle Materie im Universum zu kartieren. Das heutige Universum besteht nur zu fünf Prozent aus gew?hnlicher Materie. Die dunkle Materie macht hingegen 25 Prozent aus und die dunkle Energie gar 70 Prozent. Diese beiden dunklen Bestandteile sind noch immer ein Mysterium und beinhalten einige der dr?ngendsten Fragen der heutigen Grundlagenphysik. Im DES-Experiment wird ein Ph?nomen genutzt, das sich Gravitationslinseneffekt - ?gravitational lensing? - nennt. Damit k?nnen wir die beiden dunklen Komponenten dingfest machen.

Wie funktioniert das?
Da dunkle Materie kein Licht emittiert, ist sie unsichtbar. Da sie aber Masse hat, kann sich aufgrund ihrer Gravitation beobachtet werden. So beeinflusst dunkle Materie beispielsweise die Bahnen von Galaxien, die sich in ihrer N?he bewegen. Derselbe Effekt der Gravitation beeinflusst auch die Ausbreitung von Licht. Dadurch erscheinen Bilder von entfernten Galaxien ein wenig verzerrt. Dieser Effekt wird Gravitationslinseneffekt genannt. Diese geringen Verzerrungen k?nnen wir nun dazu nutzen, die Verbreitung der dunklen Materie im Universum zu rekonstruieren.

Ist die nun pr?sentierte Karte die erste von dunkler Materie überhaupt?
Nein, es gab schon vorher vergleichbare Darstellungen. Unsere Karte umfasst jedoch die gr?sste zusammenh?ngende Region, die jemals kartiert wurde.

Die Karte sieht recht einfach aus. Was ist die haupts?chliche Herausforderung beim Erstellen einer solchen Karte?
Bei diesem Projekt geht es haupts?chlich um Datenanalysen und Modellierungen. Beides ist in diesem Fall sehr komplex. Auch ist es sehr schwierig, den Gravitationslinseneffekt zu messen, da der Verzerrungseffekt sehr klein ist. So müssen wir die Formen der Galaxien sehr sorgf?ltig ausmessen und m?gliche Fehler, die von den Instrumenten herrühren, korrigieren. Zudem müssen wir eine grosse Zahl von Galaxien sowie die Distanzen zu ihnen messen.

Was hat Ihre Mitarbeiterin beigetragen?
Chihway Chang hatte eine führende Rolle bei den Analysen sowie bei der Erstellung der Karte mitgearbeitet. Man darf es als Ehre betrachten, dass sie in dieser Weise zum DES beitragen konnte. Das freut mich sehr. Ihre Leistung ist auch eine Teamleistung. Weltweit waren zahlreiche Forscherinnen und Forscher daran beteiligt, wie zum Beispiel Adam Amara und Tomasz Kacprzak, junge Nachwuchsleute, die ebenfalls in meiner Forschungsgruppe arbeiten.

Gibt es weitere ETH-Gruppen, die an DES beteiligt sind?
Am DES beteiligen sich drei Gruppen, die der Kollaboration insgesamt vier Forschende zur Verfügung stellen. Marcella Carollo und ihre Gruppe untersuchen die Struktur und Morphologie von Galaxien, um herauszufinden wie sich Galaxien in verschiedenen Umgebungen entwickeln. Simon Lillys Gruppe konzentriert sich auf die Messung der Distanzen zu den Galaxien. Meine Gruppe befasst sich mit Fragen zur dunklen Materie, Energie und Gravitation. Hierfür untersuchen wir den Gravitationslinseneffekt, die Bildung von Strukturen im Universum und Datenanalysen.

Eines der Ziele des DES ist es, Einsteins generelle Relativit?tstheorie entweder zu stützen oder zu entkr?ften. Gibt diese Studie bereits erste Hinweise, in welche Richtung es gehen k?nnte?
Es ist zu früh, um diese Frage zu beantworten. Um die dunkle Energie und Materie besser zu verstehen und zu entscheiden, ob Anpassungen von Einsteins allgemeiner Relativit?tstheorie n?tig werden, müssen wir viel, viel mehr Daten analysieren. Dies wird es uns erlauben, den Gravitationslinseneffekt noch pr?ziser zu messen. Erst dann werden wir dazu in der Lage sein, Einsteins Theorie zu überprüfen. Diese ist nach wie vor unsere aktuelle Theorie der Gravitation und wurde für unser Sonnensystem mehrfach best?tigt. Eine M?glichkeit ist, dass sie an die sehr grossen Skalen des Kosmos' angepasst werden muss.

Was sind die n?chsten Schritte der Kollaboration?
Wir arbeiten bereits an den n?chsten Ver?ffentlichungen. Das ist harte, aber aufregende Arbeit. Der vordringlichste Zweck des nun publizierten Datensatzes war zu beweisen, dass das Experiment funktioniert. Und es funktioniert wirklich! Nun müssen wir unsere Methoden zur Datenanalyse auf gr?ssere Massst?be ausdehnen, und das wird nicht einfach. Mit jeder weiteren Verbesserung müssen wir unsere Methodik überdenken.

Dark Energy Survey

Vergr?sserte Ansicht: DES
Die 570-Megapixel-Kamera. (Bild: Dark Energy Survey)

Der externe SeiteDark Energy Survey (DES) wurde dazu ins Leben gerufen, um die seit 14 Milliarden Jahren anhaltende und sich beschleunigende Ausdehnung des Universums hochpr?zise zu vermessen. Am Projekt beteiligt sind mehr als 120 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 23 Institutionen aus den USA, aus Grossbritannien, Spanien, Brasilien, Deutschland und aus der Schweiz. Die Kollaboration hat die weltweit empfindlichste Kamera mit 570 Megapixel Aufl?sung gebaut. Diese Kamera wurde in das vier Meter grosse Teleskop am Cerro Tololo Inter-American Observatory, Chile, integriert. Im August 2013 begann der DES mit der Vermessung eines grossen Ausschnittes des südlichen Nachthimmels. Davon erhoffen sich die Forscherinnen und Forscher neue Erkenntnisse über die r?tselhafte dunkle Materie und die Entstehung von Galaxien.

Literaturhinweis

Vikram V, Chang C, et al. Wide-Field Lensing Mass Maps from DES Science Verification Data. Published online April 13th 2015 externe Seitehttp://deswl.github.io/page1/vikram_paper/vikram_paper.html

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