Quantenzustände schwingender Ionen erstmals hergestellt

Seit einigen Jahrzehnten arbeiten Quantenphysiker daran, einen Traum wahr werden zu lassen: einzelne Atome, Molek¨¹le oder andere kleinste Teilchen, die den Gesetzten der Quantenphysik gehorchen, so genau zu kontrollieren, dass man neuartige Computer und andere Maschinen mit ihnen bauen kann. Viele Kontrolltechniken, die in der klassischen Welt der grossen, allt?glichen Dinge einfach sind, werden allerdings ?usserst schwierig, wenn man versucht, sie auf kleinste Objekte anzuwenden. Nehmen wir zum Beispiel eine Murmel, die am Boden einer Salatsch¨¹ssel liegt. Um die Murmel dazu zu bringen, in der Sch¨¹ssel zu schwingen, muss man die Sch¨¹ssel lediglich kurz schnell genug zu einer Seite und wieder zur¨¹ck sch¨¹tteln. Aufgrund ihrer Tr?gheit wird die Murmel in der Sch¨¹ssel nach oben und wieder hinunter rollen, dann die andere Seite auf und ab, und so weiter.

Joseba Alonso und Florian Leupold, Postdocs in der Gruppe von ETH-Professor Jonathan Home, und ihre Kollegen haben jetzt eine Technik entwickelt, die das ?quivalent der schwingenden Murmel mit einzelnen in elektrischen Feldern gefangenen Atomen erreicht. Ihre Ergebnisse stellen einen neuen Rekord f¨¹r schwingende Quantenzust?nde massiver Teilchen dar, und sie k?nnten n¨¹tzlich daf¨¹r sein, die Arbeitsschritte eines Quantencomputers zu beschleunigen.

Im Reich der Quantenphysik kann ein elektrisch geladenes Atom (auch als Ion bekannt), das in einer ?Salatsch¨¹ssel? aus elektrischen Feldern schwingt, nur bestimmte wohldefinierte oder gequantelte Bewegungszust?nde einnehmen, die der Energie nach wie die Stufen einer Leiter geordnet sind. Die unterste Sprosse dieser Leiter entspricht einem stillstehenden Ion (oder fast stillstehend, denn Quantenteilchen haben immer eine kleine, so genannte Nullpunktsbewegung). Bis jetzt wurden in typischen Experimente, in denen ein Ion zum Schwingen gebracht werden sollte, Laserstrahlen oder oszillierende elektrische Felder mit einer bestimmten Frequenz auf das Atom gerichtet. Diese liessen das Ion dann langsam zu h?heren  Quantenzust?nden hinauf klettern. Auf diese Weise konnten Schwingungszust?nde erzeugt werden, die etwa der hundertsten Sprosse entsprachen.

Schaltproblem gel?st

Alonso und seine Kollegen w?hlten ein anderes, auf den ersten Blick viel unsanfteres Verfahren, das als ?Bang-Bang? bekannt ist. Ein pl?tzlich eingeschaltetes elektrisches Feld sorgte daf¨¹r, dass die Position der elektrischen Salatsch¨¹ssel sich zu einer Seite verschob. Dadurch konnte das Ion zu starken Schwingungen angeregt werden, ganz so wie die Murmel im obigen Beispiel. Das Ion sprang praktisch direkt auf die zehntausendste Sprosse der Leiter von Quantenzust?nden. ?Diese Bang-Bang-Technik kann sehr effizient hoch angeregte Quantenzust?nde herstellen, doch bislang gab es bei der praktischen Umsetzung technische Probleme?, erkl?rt Alonso. Eine besondere Herausforderung stellte dabei das schnelle Schalten der elektrischen Felder in der Vakuumapparatur dar, in der sich das gefangene Ion befindet.

Das Team von Professor Home l?ste dieses Problem durch Anbringung eines digitalen Schalters im Inneren des Apparats, sehr nah bei dem Ion. Dies machte es m?glich, die elektrischen Fallen-Felder in wenigen Milliardstel Sekunden zu schalten, und damit die Sch¨¹ssel viel schneller zu bewegen, als das Ion reagieren kann ¨C das bedeutet, schneller als die Dauer einer kompletten Schwingung des Ions in der Sch¨¹ssel.

Ionentransport beschleunigen

Um zu beweisen, dass das Ion nach dem ersten ?Bang? tats?chlich in einem wohldefinierten Quantenzustand war, f¨¹hrten die Forscher einen Test durch, bei dem ein zweiter ?Bang? nach einer Schwingungsperiode eingesetzt wurde. Das sollte dazu f¨¹hren, dass das Ion genau in seiner Ausgangsposition gefangen wurde und danach stillstand. Das Ion bestand den Test, und so war gezeigt, dass w?hrend der gesamten Prozedur die Koh?renz erhalten blieb, und dass die neue experimentelle Kontrolltechnik exakt genug f¨¹r die Untersuchung von Quanteneffekten ist.

Die jetzt von den ETH-Physikern demonstrierte Methode k?nnte etwa den Transport von Ionen in einem Quantencomputer beschleunigen, der bislang einen Engpass in der Gesamtgeschwindigkeit eines solchen Computers darstellt. Die in ihrer Zahl nahezu unbegrenzten oszillierenden Quantenzust?nde der Ionen k?nnten zudem eine Alternative zum Standardansatz in der Quanteninformationsverabeitung darstellen, in dem nur zwei interne Energiezust?nde (Quanten-Bits) zur Durchf¨¹hrung von Rechnungen verwendet werden, die auf heutigen, klassischen Computern nicht machbar sind.

Test f¨¹r Wechselwirkung mit Licht

Auf grunds?tzlicherer Ebene sind diese riesigen Schwingungszust?nde auch hervorragend geeignet um zu testen, wie ausgedehnte Quantenzust?nde mit Licht wechselwirken. ?Es gibt dazu zwar theoretische Berechnungen?, erkl?rt Alonso,  ?aber die waren nie mit Zust?nden ¨¹berpr¨¹ft worden, die ¨C wie unsere ¨C viel gr?sser sind als die Wellenl?nge des Lasers. Mit der neuen Technik k?nnen wir die Berechnungen jetzt sehr genau best?tigen.?

Die M?glichkeit, sowohl kleine als auch sehr grosse Bewegungszust?nde eines Ions herzustellen, wird den Forschern zudem dabei helfen zu verstehen, was an der Grenze zwischen der Quantenwelt und der klassischen Welt passiert.