Schutz für Saatgut wie beim Pfirsich

ETH-Chemiker entwickeln eine neue Beiz-Methode, um Saatgut vor gefr?ssigen Insekten zu schützen. Dazu kopierten sie das Abwehrsystem von Pfirsich und Co.

Vergr?sserte Ansicht: Gertreidekapuziner
Ein Getreidekapuziner auf einem Weizenkorn: Eine neuartige Beizung k?nnte Saatgut vor diesem K?fer und seinen Larven schützen. (Bild: Clemson University - USDA Cooperative Extension Slide Series, Bugwood.org)

Den Kern nicht essen, der ist giftig: Das sagen Eltern ihren Kindern, ehe diese ihren ersten Pfirsich essen. Tats?chlich enthalten Pfirsichkerne, die sich in der nussartigen Schale verstecken, Amygdalin, eine Substanz, die im Magen in giftige Blaus?ure zerf?llt.

Doch Pfirsiche, Aprikosen oder Mandeln haben dieses Abwehrsystem nicht dafür entwickelt, um Kindern den Früchtekonsum zu verg?llen. Die Natur hat es hervorgebracht, um die Pflanzensamen vor gefr?ssigen Insekten zu schützen.

Chemiker aus der Forschungsgruppe von Wendelin Stark an der ETH Zürich haben sich nun davon inspirieren lassen und das Abwehrsystem von Bittermandeln und Konsorten im Labor kopiert. Sie entwickelten für Saatgut eine Beizung, die genauso wirksam ist und ?hnlich funktioniert wie das natürliche Vorbild, die Keimung der Samen jedoch nicht beeintr?chtigt. Darüber hinaus ist die Beizung biologisch abbaubar. Die entsprechende wissenschaftliche Publikation erschien soeben in der Fachzeitschrift ?Journal of Agricultural and Food Chemistry?.

Beim Knabbern entsteht Blaus?ure

Um die wirksamste Beize zu bestimmen, testeten die Forscher verschiedene Schichtfolgen. Am Ende entpuppte sich folgende Abfolge als die wirksamste: Sie besteht aus mehreren Schichten Polymilchs?ure (Polylactat, PLA), eine für Mensch und Umwelt harmlose Substanz. Die innerste Schicht enth?lt ein Enzym. Darüber liegt eine Schicht aus reiner Polymilchs?ure, darüber zwei Schichten, in denen die Blaus?ure-Vorl?ufersubstanz Amygdalin eingebettet ist – die gleiche Substanz, die auch in der Schale von Bittermandel-Samen steckt. Den Abschluss macht eine weitere Schicht reiner PLA.

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Mehrere Schichten Polylactat umgeben ein Weizenkorn. In der innersten Schicht ist ein Enzym eingebettet. Die mittleren Schichten enthalten Amygdalin. Setzt ein fressendes Insekt die Substanzen frei, baut das Enzym Amygdalin zu Blaus?ure ab. Diese schw?cht oder t?tet die Insektenlarven. (Grafik: ETH Zürich)

Frisst sich nun eine Insektenlarve durch diese Schichten hindurch, setzt sie erst das Amygdalin frei, dann das Enzym. Die beiden Substanzen vermischen sich, das Enzym baut Amygdalin zu Blaus?ure (Cyanid) ab. Diese verdirbt der Insektenlarve den Appetit – oder t?tet sie.

Test an Schadinsekten erfolgreich

Die Forschenden haben in Zusammenarbeit mit dem Julius Kühn Institut in Berlin die Wirkung ihrer Beizung an mehreren Getreidesch?dlingen getestet. Gegen Larven des Mehlk?fers (Tenebrio molitor), der D?rrobstmotte (Plodia interpunctella) und des Getreidekapuziners (Rhizopertha dominica) wirkte das Bittermandel-Abwehrsystem sehr gut. Der Getreidekapuziner ist ein K?fer, der weltweit in Weizenspeichern grosse Sch?den anrichtet.

Auf gebeiztem Saatgut schlüpften deutlich weniger erwachsene K?fer und Motten als auf unbehandeltem. Sie vermehrten sich weniger stark, auch wuchsen die Larven langsamer, weil sie weniger frassen.

Die Beschichtung hielt jedoch nicht alle Schadinsekten davon ab, an den Weizenk?rnern zu knabbern: Gegen den Getreiderüssler (Sitophilus granarius) wirkte diese Beizung nicht. Diese Art von K?fer legt seine Eier nicht auf die K?rner, sondern bohrt sie in diese hinein und verschliesst das Bohrloch. Die Larven fressen das Weizenkorn dann von innen her auf. Dadurch kommen sie nicht mit der Beizung in Kontakt.

Die Forscher konnten überdies mit Labor- und Feldversuchen zeigen, dass die Beize die Keimung der Weizenk?rner nicht st?rte. Im Labor keimten 98 Prozent der behandelten K?rner. Auf dem Acker keimten diese zwar etwas sp?ter als unbehandelte, und die Keimlinge entwickelten sich zu Beginn des Wachstums langsamer. Dieses anf?ngliche Defizit konnten die Weizenpfl?nzchen sp?ter jedoch aufholen.

M?glicher Ersatz für Pestizide

?Wir haben aufgezeigt, dass diese neuartige Beizmethode funktioniert: Sie schützt die K?rner vor Insektenfrass, und die K?rner sind auf dem Acker brauchbar?, sagen die Autoren  der Studie, Carlos Mora und Jonas Halter. Die Beizung mit dieser Methode sei vom Verfahren her so einfach wie die mit Spritzmitteln. Auch überstiegen die Kosten der neuen Methode die von Insektiziden nicht wesentlich.

Die ETH-Forscher sind davon überzeugt, dass diese Art des Beizens auf das Saatgut anderer Nutzpflanzen übertragen werden kann. ?Die Methode hat das Potenzial dazu, gewisse synthetische Pestizide zu ersetzen?, meint Carlos Mora. ?Die Beize ist nicht nur komplett biologisch abbaubar, sie sichert auch die Qualit?t des Saatguts bei der Lagerung.?

Literaturhinweise

Mora CA, Halter JG, Adler C, Hund A, Anders H, Yu K, Stark WJ. Application of the Prunus spp. Cyanide Seed Defense System onto Wheat: Reduced Insect Feeding and Field Growth Tests. Journal of Agricultural and Food Chemistry 2016. DOI externe Seite10.1021/acs.jafc.6b00438

Halter JG, Chen WD, Hild N, Mora CA, Stoessel PR, Koehler FM, Grass RN, Stark WJ. Induced cyanogenesis from hydroxynitrile lyase and mandelonitrile on wheat with polylactic acid multilayer-coating produces self-defending seeds. Journal of Materials Chemistry A 2014, 2, 853-858. DOI: externe Seite10.1039/C3TA14249C

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