Hitzewellen im Ozean – ein Risiko für Ökosysteme?

Marine ?kosysteme steuern etwa die H?lfte zur j?hrlich global produzierten Biomasse bei und liefern lebenswichtige Proteine für mehr als eine Milliarde Menschen. Neue Studien zeigen, dass enorme Warmwasserblasen im Ozean deutliche Spuren an ?kosystemen hinterlassen haben. Wie sind diese Ver?nderungen zu deuten?

Vergr?sserte Ansicht: Lebensraum Algenwald.
Algenw?lder bilden einzigartige Lebensr?ume, die unter Hitze leiden. (Bild: beusbeus / iStock)

Wussten Sie, dass Hitzewellen nicht nur auf dem Land, sondern auch im Meerwasser vorkommen? Der Hitzesommer 2003 ist uns allen noch gut in Erinnerung. W?lder brannten, Flüsse trockneten aus, und mehrere zehntausend Menschen in Europa erlagen den enorm hohen Temperaturen. [1] Auch die Meereswelt und insbesondere deren Bewohner leiden unter enormer Hitze. Zwei aussergew?hnliche Hitzewellen im Ozean w?hrend den letzten Jahren haben uns Wissenschaftler aufhorchen lassen. Deren Folgen sind langfristig auch für den Menschen spürbar.

Hitzewellen im Nordostpazifik …

Eine ungew?hnlich lang andauernde Warmwasserblase – mit dem Spitznamen ?The Blob? – hatte sich vom Winter 2013/2014 bis Ende 2015 auf der Wasseroberfl?che des Nordpazifiks ausgebreitet. [2] Die Warmwasserblase mass zeitweise einen Durchmesser von bis zu 1600 Kilometern und hatte Wassertemperaturen von mehr als drei Grad Celsius über dem langj?hrigen Durchschnitt. Aufgrund der geringeren Dichte des warmen Oberfl?chenwassers durchmischte sich dieses weniger mit kaltem und n?hrstoffreichem Tiefenwasser, insbesondere entlang der Westküste Nordamerikas. Dies hatte weitreichende Folgen für die Meeresbewohner und ?kosysteme: Die reduzierte N?hrstoffzufuhr schw?chte das Wachstum von Phytoplankton; die W?rme und der Nahrungsmangel führten dazu, dass einige Zooplankton- und Fischarten in kühlere Regionen abwanderten. Hingegen hatten Forscher im Nordpazifik l?nger als üblich Zwerggrindwale beobachtet. Diese tropische Walart ist normalerweise 2500 Kilometer weiter südlich zu Hause.

… und an der Westküste Australiens

Ein Seetang-Wald aus Braunalgen.
Ein Seetang-Wald aus Braunalgen. (Bild: Ethan Daniels / Shutterstock)

Eine st?rkere, aber kürzere Hitzewelle traf die australische Westküste um die Jahreswende 2010/2011. Die Meerestemperaturen lagen bis zu sechs Grad Celsius über den Normalwerten für diese Jahreszeit. Der Meeresboden an der Küste Westaustraliens ist bekannt für riesige Ansammlungen von Braunalgen. Diese marinen ?Algenw?lder? haben ?hnliche Funktionen wie terrestrische W?lder: Sie bieten vielen Tierarten Lebensraum und Nahrungsgrundlage, insbesondere einer Vielzahl von Fischen. Australische Forscher haben gezeigt, dass die meisten Best?nde dieser Algenw?lder in kürzester Zeit w?hrend dieser Hitzewelle verschwunden sind. [3] Insgesamt ging eine Fl?che von 1000 Quadratkilometer Algenwald verloren – dies entspricht zweimal der Fl?che des Bodensees. Bis heute haben sich die Algenbest?nde nicht erholt. Anstelle der Algenw?lder hat sich ein neues ?kosystem mit tropischen Fischen und Seegr?sern gebildet.

Risiken für marine ?kosysteme?

Wir wissen seit einiger Zeit, dass auf dem Land Extremereignisse wie Hitzewellen die Struktur, die Biodiversit?t und die biogeochemische Funktion von biologischen Systemen stark beeinflussen. Es ist auch bekannt, dass Hitzewellen viele biologische Systeme einschliesslich des Menschen st?rker beeinflussen als langsame Ver?nderungen in der Durchschnittstemperatur. Dies hat damit zu tun, dass solche Extremereignisse die Organismen und ?kosysteme an die Grenzen ihrer Belastbarkeit und darüber hinaus dr?ngen, so dass sie Schaden nehmen.

Die zwei Extremereignisse im Nordpazifik und an der Westküste Australiens haben uns erstmals im Detail vor Augen geführt, dass Hitzewellen auch im Ozean zu einer Reihe von unabsehbaren ?kologischen und sozio?konomischen Folgen führen k?nnen. Zum Beispiel haben sie gezeigt, dass viele Fische wenn m?glich in k?ltere n?rdlichere Gefilde abziehen. Ein Ausweichen in kühlere Meerestiefen ist für viele Fische keine Option, da in tieferen Bereichen das Sonnenlicht, Sauerstoff und pflanzliche Nahrung fehlt. Dies führt letztendlich auch zu Einbussen in der Fischerei, aber auch in der Tourismusbranche.

Blick in die Zukunft

Wenn sich die Weltmeere weiter erw?rmen, werden auch marine Hitzewellen immer wahrscheinlicher. Es ist also anzunehmen, dass es künftig nicht nur auf dem Land zu vermehrten und st?rkeren Hitzewellen kommt, sondern auch im Ozean. Beobachtungen und Modellsimulation zeigen zudem, dass auch andere Faktoren wie Ozeanversauerung und Sauerstoffverlust die marinen Lebewesen und ?kosysteme unter Druck setzen (siehe dazu diesen Beitrag im Klimablog).

Bis vor kurzem waren Klimamodelle nicht in der Lage, die relevanten physikalischen und biogeochemischen Prozesse richtig abzubilden, um Extremereignisse im Ozean zu simulieren und zukünftige ?nderungen vorauszusagen. Die Unsicherheiten in Zukunftsprognosen, vor allem auf regionaler Skala, waren einfach zu gross. [4] Neue Modellsimulationen, die den globalen Kohlenstoff- und Sauerstoffkreislauf mit hochaufl?senden physikalischen Prozessen verknüpfen, erlauben uns nun aber erstmals, quantitative Aussagen über die H?ufigkeit, St?rke und r?umliche Verteilung von zukünftigen Extremereignissen im Ozean zu machen. Und genau dies steht in meinem wissenschaftlichen Fokus. Um jedoch die Auswirkungen solcher Extremereignisse auf einzelne Arten oder ganze ?kosysteme und deren sozio?konomische Dienste zu verstehen, braucht es eine verst?rkte interdisziplin?re Zusammenarbeit. Die Forschung zum Verst?ndnis solcher Ereignisse steht erst am Anfang.

Weiterführende Informationen

[1] Gem?ss folgender Studie hat es in Europa mehr als 70’000 zus?tzliche Tote gegeben: http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1631069107003770

[2] Di Lorenzo, E., N. Mantua (2016): Multi-year persistence of the 2014/2015 North Pacific marine heatwave. Nature Climate Change, doi:10.1038/nclimate3082

[3] Wernberg, T., et al. (2016) Climate-driven regime shift of a temperate marine ecosystem. Science, 353, 169-172.

[4] Fr?licher, T. L., et al. (2016) Sources of uncertainties in 21st century projections of potential ocean ecosystem stressors. Global Biogeochemical Cycles, 30, doi:10.1002/2015GB005338

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(Bild: Lea Hepp)
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