Menschgemacht oder nicht?
Eine soeben in der Fachzeitschrift ?Science? ver?ffentlichte Studie untersucht, ob eine Verbindung zwischen einem Erdbeben der Magnitude 5.5 in Südkorea und einem nahegelegenen Geothermieprojekt besteht.
Verfasst wurde der Beitrag von einem Team des Schweizerischen Erdbebendienstes an der ETH Zürich unter Mitwirkung der Gruppe Ingenieurgeologie der ETH, des GFZ Potsdam und der Universit?t Glasgow. Bei dem Erdbeben, das sich am 15. November 2017 ereignete, wurden etwa 80 Menschen verletzt und zahlreiche Geb?ude in der Stadt Pohang besch?digt. Sollte sich herausstellen, dass es sich dabei um ein menschgemachtes Beben handelt, w?re es das bisher gr?sste bekannte in Zusammenhang mit der Energiegewinnung aus Tiefengeothermie.
Seismogramme von induzierten Erdbeben unterscheiden sich in der Regel nicht von denen natürlicher Erdbeben. Untersuchungen dazu konzentrieren sich daher auf eine Reihe von Indikatoren und berücksichtigen unter anderem den Ort der Beben, ihre Tiefe sowie die im Untergrund vorgenommenen Stimulationsmassnahmen. Basierend auf der Analyse von ?ffentlich zug?nglichen kontinuierlichen Wellenformdaten sowie geod?tischen Satellitendaten leistet diese Studie einen Beitrag, um besser zu verstehen, ob es sich beim Pohang Beben um ein natürliches oder um menschgemachtes Ereignis handelt.
Beben nahe beim Geothermieprojekt
Die Studie zeigt, dass sich das Hauptbeben und seine gr?ssten Nachbeben im Abstand von zwei Kilometern oder weniger vom Standort des Geothermieprojekts ereigneten. Ihre Epizentren liegen zudem nicht mehr als 1.5 km von einem induzierten Beben entfernt, das im April 2017 w?hrend einer der Stimulationskampagnen aufgetreten ist. Eine koreanische Studie, die zeitgleich in ?Science? erschien, best?tigt diese Lokalisierungen.
In der Regel gilt: Die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs ist umso gr?sser, je kleiner die Distanz einer Erdbebensequenz zu einem Geothermieprojekt ausf?llt, je n?her die Sequenz an vorangehender, damit zusammenh?ngender seismischer Aktivit?t liegt und je geringer der zeitliche Abstand zu den Stimulationsmassnahmen im Untergrund ist. Sowohl das Hauptbeben als auch die vom 15. bis zum 30. November 2017 detektierten 46 Nachbeben ereigneten sich in Tiefen von 3 bis 7 Kilometern, was verglichen mit zuvor aufgezeichneten, natürlichen Beben in der Region ausserordentlich gering ist. Die Analyse der Satellitendaten zeigt, dass das Hauptbeben die Erdoberfl?che permanent um bis zu vier Zentimeter verschoben hat. Dies deutet darauf hin, dass die nun aktivierte und bisher unbekannte St?rung eine sehr oberfl?chennahe und steil einfallende ?berschiebung ist, die direkt unterhalb des Bohrlochendes verl?uft.
Zusammenhang liegt nahe
Diese Hinweise zusammengenommen, legen den Schluss nahe, dass vermutlich ein Zusammenhang zwischen dem Geothermieprojekt und dem Beben besteht. Allerdings ereignete sich das Hauptbeben erst zwei Monate nach Abschluss der letzten Stimulationsmassnahmen. Bislang fehlt ein quantitatives Model, welches einen Kausalzusammenhang zwischen den Stimulationsmassnahmen und diesem Ereignis herstellt.
Die koreanische Regierung hat eine unabh?ngige Expertenkommission einberufen, um alle Hinweise zu prüfen und zu untersuchen, ob das Beben durch die nahegelegene Stimulation ausgel?st worden sein k?nnte. Gem?ss unserem Kenntnisstand wird die Kommission zu diesem Zweck alle verfügbaren Daten und Modelle (erneut) analysieren und bewerten. Miteinbezogen werden mikroseismische Daten, Injektionsvolumen, Druckverl?ufe im Reservoir und detaillierte hydrologische und geologische Daten. Sie sind wesentlich, um die Zusammenh?nge zwischen den Stimulationsmassnahmen und der Erdbebensequenz verstehen zu k?nnen.
Der Schweizerische Erdbebendienst (SED) an der ETH Zürich hat die ?ffentlichkeit im Rahmen eines Berichts über bew?hrte Strategien im Umgang mit induzierten Seismizit?t im November 2017 zum ersten Mal über das Erdbeben in Pohang informiert (s. SED News). Gleichzeitig hatte Geo-Energie Suisse AG den Kanton Jura in Kenntnis gesetzt. Auf dessen Gebiet liegt das momentan einzige petrothermale Tiefengeothermieprojekt (EGS), welches in der Schweiz eine Baubewilligung beantragt hat. Der Kanton Jura hat daraufhin die Geo-Energie Suisse AG angewiesen, m?gliche Auswirkungen für das geplante Geothermieprojekt in Haute-Sorne einzusch?tzen.
Kontrollierte Experimente
?Derart starke Beben in Zusammenhang mit Tiefengeothermieprojekten sind bisher weltweit noch nicht aufgetreten. Es ist aber bekannt, dass andere technische Eingriffe, die zu Spannungs?nderungen im Untergrund führten, ?hnlich grosse Beben verursachten. Ein vertieftes Verst?ndnis der Ereignisse in Pohang ist zentral, um künftig sicher und nachhaltig geothermische Energie gewinnen zu k?nnen?, sagt Stefan Wiemer, Leiter des Schweizerischen Erdbebendiensts (SED).
Die ETH Zürich beteiligt sich intensiv an der Forschung in diesem Bereich. Einerseits durch kontrollierte Experiment in Untergrundlaboratorien im Grimsel oder demn?chst im Bedretto Tunnel, anderseits durch dir Entwicklung und Validierung von adaptiven Ampelsystemen, die echtzeitnahe alle verfügbaren Information auswerten und laufend in die Risikobeurteilung einbeziehen.
Literaturhinweis
Grigoli F, Cesca S, Rinaldi AP, Manconi A, López-Comino JA, Clinton JF, Westaway R, Cauzzi C, Dahm T, Wiemer S. The November 2017 Mw 5.5 Pohang earthquake: A possible case of induced seismicity in South Korea. Science 26 Apr 2018: eaat2010.
DOI: externe Seite 10.1126/science.aat2010externe Seite
Dieser Text ist zuerst auf der Website des Schweizerischen Erdbebendienstes (SED) an der ETH erschienen.