Einzelne Atome im Visier

Mit der NMR-Spektroskopie ist es in den letzten Jahrzehnten m?glich geworden, die r?umliche Struktur von chemischen und biochemischen Moleküle zu erfassen. ETH-Forschende haben nun einen Weg gefunden, wie man dieses Messprinzip auf einzelne Atome anwenden kann.

Elektronenspin Symbolbild
Um die Pr?zession eines Kohlenstoffkerns zu messen, nutzten die ETH-Physiker den Elektronenspin einer benachbarten Gitterfehlstelle als Sensor. (Grafik: ETH Zürich / Jan Rhensius, Kristian Cujia)

Die Kernspinresonanz-Spektroskopie – kurz NMR-Spektroskopie – ist eine der wichtigsten physikalisch-chemischen Untersuchungsmethoden. Damit l?sst sich beispielsweise die Struktur und die Dynamik von Molekülen pr?zise bestimmen. Wie wichtig die Methode für die Wissenschaft ist, zeigt sich auch daran, dass die beiden letzten Nobelpreistr?ger der ETH Zürich, Richard Ernst und Kurt Wüthrich, für Weiterentwicklungen dieser Methode ausgezeichnet wurden.

Die Technik beruht auf der magnetischen Kernresonanz. Dabei macht man sich zunutze, dass gewisse Atomkerne mit einem Magnetfeld wechselwirken. Eine wichtige Gr?sse ist dabei der Kernspin. Er ist vergleichbar mit der Rotationsachse eines Kinderkreisels. ?hnlich wie wenn ein Kreisel zu taumeln beginnt – Fachleute sprechen von Pr?zession – beginnen auch Kernspins, die einem Magnetfeld ausgesetzt sind, zu pr?zessieren. Dabei entsteht ein elektromagnetisches Signal, das von aussen mit einer Induktionsspule gemessen werden kann.

Massiv h?here Aufl?sung

Forschern aus der Gruppe von Christian Degen, Professor für Festk?rperphysik an der ETH Zürich, haben nun einen neuen Ansatz entwickelt, mit dem es erstmals m?glich wird, die Pr?zession eines einzelnen Kernspins direkt zu verfolgen. Zum Vergleich: Bei herk?mmlichen NMR-Messungen sind je nach Situation mindestens 1012 bis 1018 Atomkerne notwendig, damit überhaupt ein Messsignal registriert werden kann.

In ihrer Arbeit untersuchten die ETH-Forschenden das Verhalten von Kohlenstoff-13-Atomen in Diamanten. Dabei massen sie die Pr?zession des Kohlenstoffkerns nicht auf herk?mmliche Weise, sondern sie nutzten den benachbarten Elektronenspin einer Gitterfehlstelle des Diamanten – einem sogenannten NV-Zentrum – als Sensor. ?Wir nutzen also ein zweites Quantensystem, um das Verhalten des ersten Quantensystems zu untersuchen?, bringt Kristian Cujia, Doktorand in Degens Gruppe, das Prinzip auf den Punkt. ?Damit haben wir ein sehr empfindliches Messsystem geschaffen.?

Grosses Potenzial für künftige Anwendungen

Quantensysteme sind heikle Objekte, da man bei einer Messung immer auch das zu beobachtende System beeinflusst. Deshalb konnten die Forscher das Verhalten des Kohlenstoffspins nicht kontinuierlich verfolgen, da sich sonst die Pr?zessionsbewegung zu stark ver?ndert h?tte. Sie entwickelten deshalb ein spezielles Messverfahren, bei dem der Spin des Kohlenstoffatoms durch eine Serie von kurz aufeinanderfolgenden schwachen Messungen erfasst wird. Dadurch wurde es m?glich, den Einfluss der Beobachtung so gering zu halten, dass das System nicht messbar beeinflusst wird und die ursprüngliche Kreisbewegung immer noch erkennbar bleibt.

?Unsere Methode ?ffnet den Weg für eine bemerkenswerte Weiterentwicklung der NMR-Technologie?, h?lt Degen fest. ?Wir sind damit potenziell in der Lage, direkt Spektren von einzelnen Molekülen aufzunehmen und Strukturen auf atomarer Ebene zu analysieren.? Als erstes Beispiel haben die Physiker die dreidimensionale Lage der Kohlenstoffkerne im Diamantgitter mit atomarer Aufl?sung bestimmt. Die Physiker sehen in dieser Entwicklung viel Potenzial. ?Derart detaillierte NMR-Messungen k?nnten in vielen Bereichen zu v?llig neuen Einsichten führen, so wie dies durch die herk?mmliche NMR-Spektroskopie in den letzten Jahrzehnten bereits geschehen ist.?

Diese Arbeit wurde im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunkts Quantum Science and Technology (NCCR QSIT) durchgeführt.

Literaturhinweis

Cujia KS, Boss JM, Herb K, Zopes J, Degen CL: Tracking the precession of single nuclear spins by weak measurements. Nature, 24. Juni 2019, doi: externe Seite10.1038/s41586-019-1334-9

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