Veränderungen der Chiralität von Molekülen in Echtzeit beobachten
Chirale Moleküle – Verbindungen, die als Bild und Spiegelbild vorkommen – spielen eine wichtige Rolle in biologischen Prozessen und in der chemischen Synthese. Chemikern der ETH Zürich ist es nun erstmals gelungen, mit Hilfe von Ultrakurzzeit-Laserpulsen ?nderungen der Chiralit?t w?hrend einer chemischen Reaktion in Echtzeit zu beobachten.
Manche Moleküle k?nnen in zwei spiegelbildlichen Formen existieren, ?hnlich wie unsere H?nde. Obwohl solche sogenannten Enantiomere fast identische physikalische Eigenschaften haben, sind sie dennoch nicht gleich. Die Tatsache, dass sie sich zueinander wie Bild und Spiegelbild verhalten, nennt man Chiralit?t (vom griechischen Cheiro für Hand). In der Natur kommt jedoch oft nur ein Enantiomer vor, zum Beispiel bei Aminos?uren, der DNA oder bei Zuckern. Der Grund dafür ist, dass die Enzyme die diese Moleküle herstellen, selbst chiral sind und nur eine Art von Enantiomer bilden.
Diese Pr?ferenz der Natur hat weitreichende Folgen. So k?nnen Enantiomere von Medikamenten v?llig verschiedene Wirkungen haben, zum Beispiel giftig sein oder auch komplett wirkungslos. Auch die Lebensmittel- und Kosmetikindustrie interessiert sich für Chiralit?t, weil Duft- und Geschmacksstoffe je nach Enantiomer unterschiedlich wahrgenommen werden. In der Chemie wird deshalb oft versucht, gezielt nur ein Enantiomer herzustellen, oder wenn das nicht m?glich ist, Mischungen von Enantiomeren sauber zu trennen.
Um Enantiomere voneinander unterscheiden zu k?nnen, verwenden Chemiker polarisiertes Licht, denn die Enantiomere drehen die Schwingungsebene von polarisiertem Licht in entgegengesetzte Richtungen. Das Brechen oder Bilden von chemischen Bindungen l?uft allerdings auf einer sehr kurzen Zeitskala ab, n?mlich innerhalb von wenigen Femtosekunden (Billiardstelsekunden). Mit den bisherigen Messungen war es nicht m?glich, die Chiralit?t in dermassen kurzen Zeitr?umen zu überwachen und damit einen chemischen Prozess zu verfolgen.
Reaktionen chiraler Moleküle besser verstehen
Forschende um Hans Jakob W?rner, Professor am Departement Chemie und Angewandte Biowissenschaften, haben nun eine neue Methode entwickelt, um ?nderungen in der Chiralit?t direkt w?hrend einer chemischen Reaktion in Echtzeit zu beobachten. Dazu haben die Forschenden Femtosekunden-Laserpulse mit massgeschneiderter zeitlich variierender Polarisation erzeugt. Diese ultrakurzen Laserpulse sind selbst chiral. Durch diesen neuen Ansatz erreichten die Wissenschaftler erstmals gleichzeitig die für solche Messungen n?tige Chiralit?tsempfindlichkeit und Zeitaufl?sung.
In ihrem Experiment, über das die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift PNAS berichten, regten sie das gasf?rmige chirale Molekül (R)?2?Iodobutan mit zwei ultrakurzen Ultraviolett?Laserimpulsen an. Die Anregung führte dazu, dass die Bindung zwischen Kohlenstoff und Iod brach. In diesem Prozess entsteht ein 2-Butylradikal zun?chst in einer chiralen Konformation, die jedoch ihre Chiralit?t sehr schnell verliert. Mithilfe der neu entwickelten polarisierten Laserimpulse konnten die Forscher dies live mitverfolgen.
Diese neue Methode kann auch für Flüssigkeiten oder Feststoffe angewendet werden, um die extrem schnellen ?nderungen molekularer Chiralit?t zu beobachten, wie die Wissenschaftler sagen. Die M?glichkeit, die chirale photochemischen Prozesse auf solch kurzen Zeitskalen direkt zug?nglich zu machen, erlaube es nun, die Reaktionen von chiralen Molekülen besser zu verstehen. Dies k?nnte zur Entwicklung neuer oder verbesserter Verfahren für die Herstellung enantiomerenreiner Verbindungen beitragen.
Literaturhinweis
Baykusheva D, Zindel D, Svoboda V, Bommeli E, Ochsner M, Tehlar A, W?rner HJ: Real-time probing of chirality during a chemical reaction, PNAS 2019, doi: externe Seite 10.1073/pnas.1907189116