Marsmonde haben einen gemeinsamen Vorfahren
Phobos und Deimos sind die ?berreste eines gr?sseren Marsmondes, der vor 1 bis 2,7 Milliarden Jahren in Stücke gerissen wurde. Dies schliessen Forscher des Instituts für Geophysik der ETH Zürich, des Physik-Instituts der Universit?t Zürich, und das U.S. Navy Observatory aufgrund von Computersimulationen und seismischen Aufzeichnungen der Marsmission Insight.
Die beiden Marsmonde Phobos und Deimos gaben seit ihrer Entdeckung im Jahr 1877 R?tsel auf. Sie sind sehr klein. Der Durchmesser von Phobos ist mit 22 Kilometern 160-mal geringer als der Durchmesser unseres Mondes. Deimos ist mit einem Durchmesser von nur zw?lf Kilometer nochmals deutlich kleiner. ?Unser Mond ist zudem sch?n kugelf?rmig, w?hrend Phobos und Deimos sehr unregelm?ssig geformt sind – wie Kartoffeln?, sagt Amirhossein Bagheri, Doktorand am Institut für Geophysik der ETH Zürich. ?Die Marsmonde gleichen damit eher einem Asteroiden als einem Mond.?
Deshalb vermutete man, dass Phobos und Deimos Asteroiden sein k?nnten, die vom Mars aufgrund seiner Schwerkraft eingefangen wurden. ?Aber genau da begannen die Probleme?, sagt Bagheri. Denn eingefangene Objekte müssten den Planeten in einer exzentrischen Bahn umlaufen, die ausserdem eine beliebige Neigung haben k?nnte. Doch die Bahnen der Marsmonde sind fast kreisf?rmig und verlaufen in der ?quatorebene des Mars. Dies widerspricht der Hypothese von eingefangenen Asteroiden. Wie jedoch kann man die aktuellen Umlaufbahnen von Phobos und Deimos erkl?ren? Um dieses dynamische Problem zu l?sen, setzten die Forscher auf Computersimulationen.
In die Vergangenheit zurückrechnen
?Die Idee war, die Bahnen und deren Ver?nderung in die Vergangenheit zurück zu verfolgen?, erkl?rt Amir Khan, Senior Scientist am Physik-Institut der Universit?t Zürich und am Institut für Geophysik der ETH Zürich. Dabei schien es, dass sich die Bahnen von Phobos und Deimos in der Vergangenheit gekreuzt hatten. ?Das heisst, die Monde waren sehr wahrscheinlich am selben Ort und müssen deshalb den gleichen Ursprung haben?, sagt Khan. Die Forscher folgern, dass damals ein gr?sserer Himmelsk?rper den Mars umkreiste. Dieser ursprüngliche Mond wurde vermutlich von einem anderen Brocken getroffen und dadurch auseinandergerissen. ?Phobos und Deimos sind die ?berreste dieses verschollenen Mondes?, sagt Bagheri, Erstautor der Studie, die jetzt in der Zeitschrift ?Nature Astronomy? ver?ffentlicht wurde.
Was einfach nachvollziehbar ist, erforderte aufw?ndige Vorarbeiten. Denn zuerst galt es, die bestehende Theorie, welche die Wechselwirkung zwischen den Monden und dem Mars beschreibt, weiter zu entwickeln. ?Was bei all diesen Himmelsk?rpern zusammenspielt, sind die Gezeitenkr?fte?, erkl?rt Khan. Dabei wird Energie umgewandelt. Diese sogenannte Energiedissipation h?ngt von der Gr?sse und vom Innern der Himmelsk?rper und nicht zuletzt von deren Abstand.
Einblicke ins Marsinnere und in seine Monde
Der Mars wird zurzeit von der Nasa-Mission Insight erforscht, an der die ETH Zürich beteiligt ist. Ein Seismometer, dessen Elektronik an der ETH gebaut wurde, zeichnet Marsbeben und Meteoriteneinschl?ge auf. ?Damit kann man ins Planeteninnere blicken?, sagt Khan. ?Diese Daten werden verwendet, um das Mars-Modell in unseren Berechnungen und die im Inneren des roten Planeten auftretende Dissipation einzuschr?nken.?
Von Phobos und Deimos weiss man aufgrund von Bildern und Messungen anderer Marssonden, dass sie aus sehr por?sem Material bestehen. Ihre Dichte ist mit weniger als 2 Gramm pro Kubikzentimeter deutlich kleiner als die mittlere Dichte der Erde, die 5,5 Gramm pro Kubikzentimeter betr?gt. ?Im Innern von Phobos gibt es viele Hohlr?ume, in denen es vielleicht Wassereis hat?, vermutet Khan. ?Da findet durch die Gezeiten viel Energiedissipation statt.?
Mithilfe dieser Erkenntnisse und der weiterentwickelten Theorie zur Wirkung der Gezeiten starteten die Forscher Hunderte von Computerl?ufen, welche die Mondbahnen rückw?rts in der Zeit verfolgten, bis sie auf den Kreuzungspunkt stiessen – die Geburt von Phobos und Deimos. Je nach Simulation lag diese in einem Zeitraum, der 1 bis 2,7 Milliarden Jahren in die Vergangenheit zurückreicht. ?Der genaue Zeitpunkt h?ngt von den physikalischen Eigenschaftenvon Phobos und Deimos ab?, erkl?rt Bagheri. Eine japanische Sonde soll 2024 zu Phobos geschickt werden und Gesteinsproben zur Erde zurückbringen. Davon erhoffen sich die Forscher weitere Details zum Innern der Marsmonde, was genauere Berechnungen zu deren Ursprung erm?glichen wird.
Das Ende von Phobos
Die Berechnungen zeigen zudem, dass der gemeinsame Vorfahre von Phobos und Deimos weiter weg vom Mars war als Phobos heute. W?hrend der kleine Deimos ungef?hr dort blieb, wo er entstanden war, n?hert sich der gr?ssere Phobos aufgrund der Gezeitenkr?fte dem Mars – ein Prozess, der weiter andauert, wie die Forscher erkl?ren. Die Computersimulationen zeigen zudem die künftige Entwicklung der Mondbahnen. Demnach entfernt sich Deimos ganz langsam von Mars, so wie sich unser Mond langsam von der Erde wegbewegt. Phobos hingegen wird in weniger als 40 Millionen Jahren auf den roten Planeten stürzen oder bei seiner Ann?hrung an Mars durch Gravitationskr?fte auseinandergerissen werden.
Hinweis: Dieser Artikel wurde korrigiert, um den Beitrag des U.S. Naval Observatory zu berücksichtigen. Ausserdem wurde das Startdatum der japanischen Sonde zur Erforschung von Phobos von 2025 auf 2024 ge?ndert. (23. Februar 2021 um 16:40 Uhr CET)
Literaturhinweis
Amirhossein Bagheri, Amir Khan, Michael Efroimsky, Mikhail Kruglyakov and Domenico Giardini: Dynamical evidence for Phobos and Deimos as remnants of a disrupted common progenitor, Nature Astronomy, online publiziert, 22. Februar 2021. doi: externe Seite 10.1038/s41550-021-01306-2