Toxizitätstest mit Plazenta und Embryo
Forschende der ETH Zürich haben einen Zellkulturtest entwickelt, um Substanzen zu erkennen, die Embryonen direkt oder indirekt sch?digen. Es handelt sich dabei um die Weiterentwicklung eines Tests, der für neue Medikamente eingesetzt wird. Der Test soll helfen, Tierversuche zu reduzieren.
Medikamente sollen nicht nur sicher sein für die Patientinnen und Patienten, sondern im Falle einer Schwangerschaft auch für das ungeborene Kind im Mutterleib. Bereits in einem frühen Stadium der Entwicklung neuer Medikamente werden Wirkstoffe daher in der Petrischale mit embryonalen Stammzellen aus Zelllinien von M?usen getestet. Damit will man vermeiden, dass eine embryosch?digende Wirkung erst zu einem sp?teren Zeitpunkt bei Tierversuchen an tr?chtigen M?usen bemerkt würde.
Allerdings sind diese bisherigen Zellkulturtests eine starke Vereinfachung dessen, was sich im Mutterleib abspielt: Forschende geben die Testsubstanz dazu einfach in der Petrischale in eine Kultur von embryonalen Stammzellen. Dadurch entdecken sie Stoffe, welche embryonale Zellen direkt sch?digen. Im K?rper einer schwangeren Frau hingegen werden Arzneistoffe unter Umst?nden auch von deren Stoffwechsel ver?ndert, und sie gelangen über das Blut und die Plazenta in den Blutkreislauf des Embryos. Stoffe, welche dem Embryo indirekt schaden, zum Beispiel weil sie die Funktion der Plazenta beeintr?chtigen oder in dieser Stressreaktionen ausl?sen, werden jedoch in bisherigen Zellkultur-Standardtests nicht entdeckt.
Chip mit unterschiedlichen Zellen
Forschende am Departement für Biosysteme der ETH Zürich in Basel haben nun einen Labortest entwickelt, welcher die Rolle der Plazenta bei der Einsch?tzung der Embryotoxizit?t miteinbezieht. Julia Boos, Doktorandin in der Gruppe von ETH-Professor Andreas Hierlemann, und ihre Kollegen nutzten dazu einen von ihnen entwickelten Chip mit mehreren Kompartimenten, die durch winzige Kan?le miteinander verbunden sind. Darauf kombinierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jeweils aus Zelllinien gewonnene menschliche Plazentazellen mit kleinen Gewebekügelchen aus embryonalen Stammzellen von M?usen (Embryoid Bodies), welche die frühe Embryonalentwicklung widerspiegeln. Zu testende Substanzen erreichen darauf zun?chst eine Schicht Plazentazellen, müssen diese durchdringen und gelangen erst anschliessend zu den Embryonalzellen – ?hnlich wie dies auch im Mutterleib der Fall ist.
Lebensf?hige Embryonen entstehen bei all diesen Versuchen übrigens nicht. Die Embryonalzellen aus Zelllinien machen lediglich w?hrend zehn Tagen die allerersten Schritte der Embryonalentwicklung durch.
Test kann indirekte Sch?digung nachweisen
Um die Funktion des neuen Tests aufzuzeigen, nutzten die Forschenden Mikropartikel. Die verwendeten Partikel schadeten den Embryo-Zellkügelchen nicht, wenn sie direkt mit diesen in Kontakt kamen. Mit dem neuen Test, der auch Plazentazellen einschliesst, beobachteten die Wissenschaftler allerdings eine m?gliche indirekte sch?dliche Wirkung: Obschon die Plazentazellen die Mikropartikel zurückhalten konnten und die Partikel nicht zu den Embryozellen durchdrangen, waren die Embryozellen bei diesem Versuch geschw?cht.
Als n?chstes m?chten die Forschenden ihr System im Hinblick auf besser geeignete Plastikmaterialien weiterentwickeln. Denkbar ist ausserdem, für die Embryoid Bodies in Zukunft menschliche Stammzelllinien zu verwenden statt solche von der Maus. ?Insbesondere in der Embryonalentwicklung und den Vorg?ngen in der Plazenta gibt es wesentliche Unterschiede zwischen Versuchstieren und dem Menschen?, erkl?rt Boos. ?Die Plazenta ist das Organ, bei dem Spezies-Unterschiede am st?rksten ausgepr?gt sind.?
Ziel ist, einen neuen Test zu entwickeln, den auch die Pharmaindustrie einfach anwenden kann. Indem embryosch?digende Stoffe bei der Entwicklung von Medikamenten frühzeitig erkannt und ausgeschlossen werden k?nnen, müssen anschliessend weniger Stoffe in Tierversuchen getestet werden. Dies hilft, die Zahl an Tierversuchen zu reduzieren.
Literaturhinweis
Boos JA, Misun PM, Brunoldi G, Furer LA, Aengenheister L, Modena M, Rousset M, Buerki-Thurnherr T, Hierlemann A: Microfluidic co-culture platform to recapitulate the maternal-placental-embryonic axis. Advanced Biology, 19. Juni 2021, doi: externe Seite 10.1002/adbi.202100609