Das Guillain-Barré-Syndrom ist eine seltene Krankheit, bei der das Immunsystem die peripheren Nerven angreift. Betroffene leiden an Muskelschw?che und L?hmungen. Ein Forschungsteam unter Leitung der ETH Zürich hat nun den Mechanismus dieser Autoimmunreaktion aufgekl?rt.
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Patienten mit dem Guillain-Barré-Syndrom (GBS) leiden an einer seltenen und vielgestaltigen St?rung des peripheren Nervensystems. Die Krankheit wird oft durch vorangehende Infektionen ausgel?st und kann zu schwerer Muskelschw?che führen. In Europa und den USA treten j?hrlich etwa 1 bis 2 F?lle pro 100'000 Menschen auf.
GBS beginnt in der Regel mit Schw?che und Kribbeln in den Beinen, das sich auf den Oberk?rper und die Arme ausbreiten kann. Gehen und sich bewegen wird zunehmend schwieriger. In schweren F?llen kann es auch zu L?hmungen der Atemmuskulatur kommen. Obwohl GBS als Autoimmunerkrankung gilt, sind die zugrunde liegenden Mechanismen noch weitgehend unbekannt. Dies erschwert eine genaue Diagnose und wirksame Behandlung.
Eine kürzlich in der Fachzeitschrift Nature ver?ffentlichte externe Seite Studie unter der Leitung von Daniela Latorre, SNF-?Gruppenleiterin am Institut für Mikrobiologie der ETH Zürich, deckt nun einen zentralen Aspekt der Pathophysiologie von GBS auf. In enger Zusammenarbeit mit klinischen Forschenden des Universit?tsspitals Zürich und des Neurozentrums der Südschweiz (EOC) in Lugano suchte Latorre nach Autoimmunfaktoren, die für diese Krankheit verantwortlich sind.
Autoreaktive T-Zellen greifen periphere Nerven an
Mit hochempfindlichen Messverfahren konnte Latorres Gruppe nachweisen, dass bei GBS-Patient:innen spezifische Zellen des Immunsystems, so genannte T-Lymphozyten, in das Nervengewebe eindringen und auf die isolierende Hülle der Nervenfasern, die Myelinscheide, reagieren.
Bei gesunden Menschen spielen T-Lymphozyten eine tragende Rolle bei der Immunabwehr, indem sie k?rperfremde Strukturen, zum Beispiel bei Virusinfektionen, und abnormale k?rpereigene Zellen erkennen und eliminieren. In seltenen F?llen k?nnen T-Zellen jedoch f?lschlicherweise k?rpereigenes Gewebe angreifen, was zu Autoimmunerkrankungen führt.
?Wir haben herausgefunden, dass diese autoreaktiven T-Lymphozyten ausschliesslich bei Patienten mit einer GBS-Variante vorkommen, bei der die Myelinschicht der Nerven besch?digt wird?, erkl?rt Latorre. Und dass die T-Zellen eine krankheitsspezifische Signatur aufweisen, die sie von gesunden Personen unterscheidet. Die Ergebnisse liefern erstmals den Beweis, dass autoreaktive T-Lymphozyten wesentlich zu diesem Krankheitsbild beim Menschen beitragen.
Darüber hinaus identifizierten die Forschenden in einer Untergruppe von GBS-Patient:innen nach einer Virusinfektion T-Lymphozyten, die sowohl auf die Selbstantigene der Myelinscheide als auch auf die Virusantigene reagierten. Dies spricht für einen direkten Zusammenhang zwischen der GBS-Erkrankung und der vorausgegangenen Virusinfektion.
Heutige Therapien sind zwar bei vielen GBS-Patienten zwar wirksam, aber sie sind nicht spezifisch genug, so dass etwa zwanzig Prozent der Patient:innen schwer behindert bleiben oder sterben. Die Erkenntnisse der Forschenden tragen zu einem besseren Verst?ndnis dieser Krankheit bei und ebnen den Weg für Folgestudien mit gr?sseren Patientengruppen, um weitere GBS-Varianten zu entschlüsseln. Das k?nnte dereinst zu gezielten Therapien für GBS-Subtypen führen und damit die Patientenversorgung deutlich verbessern.
Diese Forschung wurde vom Schweizerischen Nationalfond, der ETH Zürich, der Schweizerischen Stiftung zur Erforschung von Muskelkrankheiten und der GBS/CIDP Foundation International finanziert.
Literaturhinweis
Su?keni?kova? L, Mallone A, Schreiner B, Ripellino P, Nilsson J, Stoffel M, Ulbrich SE, Sallusto F, Latorre D. Autoreactive T cells target peripheral nerves in Guillain–Barré syndrome. Nature (2024). DOI: externe Seite 10.1038/s41586-023-06916-6