Brauchen wir flexible Arbeitsplätze an der ETH?

Zwei ETH-Angeh?rige argumentieren für beziehungsweise gegen das Konzept der flexiblen Arbeitspl?tze.

Pro

Nicole Kasielke
Nicole Kasielke, Co-Leiterin Kan?le in der Hochschulkommunikation (Illustration: Kornel Stadler)

Flexible Arbeitspl?tze –was für eine Horrorvorstellung. So habe ich noch vor zwei Jahren gedacht. Keinen eigenen Schreibtisch mehr haben, auf dem ich alles liegen lassen kann, wenn ich nach Hause gehe? Unvorstellbar. Aber vor zwei Jahren habe ich auch gedacht, ich k?nnte niemals zu Hause arbeiten. Dann zwang mich Corona ins Homeoffice, und nach einigen Monaten habe ich festgestellt: Ich arbeite erstaunlich gut zu Hause.

Und ich m?chte auch künftig regelm?ssig im Homeoffice arbeiten. Aber gleichzeitig freue ich mich wahnsinnig auf das Büro, denn ich vermisse meine Kolleginnen und Kollegen und die Atmosph?re an der ETH sehr. Meinen mit Papier überladenen Arbeitsplatz vermisse ich nicht.

Natürlich ist es angenehm, einen eigenen Schreibtisch zu haben, es ist bequem. Und auch ich mag Gewohnheiten. Aber nach Monaten recht eint?nigen Alltags finde ich die Vorstellung von mehr Abwechslung im Berufsalltag eigentlich recht reizvoll. Deswegen freue ich mich, dass wir in der Hochschulkommunikation flexible Arbeitspl?tze einführen.

Werde ich genervt sein, wenn ich künftig am Abend meinen Schreibtisch abr?umen muss? Ja, ganz sicher. Der Arbeitsalltag wird zun?chst komplizierter werden. Aber es ist für mich auch klar, dass wir Arbeitspl?tze nicht einfach an mehreren Tagen pro Woche unbenutzt lassen k?nnen. Wir werden uns an neue Abl?ufe gew?hnen müssen. Und ich freue mich darauf. Denn eigentlich mag ich es nicht, wenn ich es mir zu bequem eingerichtet habe. Kreativ bin ich dann n?mlich nicht. Ausserdem k?nnen wechselnde Sitznachbarn ja auch zu mehr Ideenaustausch, interessanten Einblicken und neuen gemeinsamen Projekten führen. Man lernt Kolleginnen und Kollegen besser kennen, mit denen man sonst nicht so viel zu tun hatte. Sein Netzwerk auszubauen, ist in der heutigen Arbeitswelt schliesslich das A und O und auch pers?nlich bereichernd.

Viele Ver?nderungen zeigen ihr wahres Potenzial erst nach einiger Zeit. Die eigene Komfortzone zu verlassen, lohnt sich aber meistens. Und wenn ich daran denke, wie viele von uns Anfang 2020 bei Zoom an ein Fotoobjektiv gedacht haben, bin ich überzeugt: Wir sind noch flexibel genug für Ver?nderungen.

Kontra

Jan ten Pierick
Jan ten Pierick, Mitarbeiter im Institut für Geophysik (Illustration: Kornel Stadler)

Als uns die Pandemie ins Homeoffice zwang, mussten wir das Beste daraus machen. Aber ich habe dadurch auch gelernt, wie wichtig die Zusammenarbeit mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Büro ist.

Homeoffice bedeutet: keine Diskussionen mehr über Details und weniger Bewusstsein dafür, was andere besch?ftigt und welche Probleme sie haben. Keine Plaudereien mehr in der Kaffeepause – in der man doch oft die besten Ideen hat und wertvolles Know-how austauscht. Kurzum: keine pers?nliche Kommunikation mehr – die doch fester Bestandteil der offenen und kollegialen Kultur an der ETH ist, die mir sehr viel bedeutet. Virtuelle Meetings k?nnen mit realen nicht mithalten.

Gleichzeitig ist natürlich auch ein ruhiger Platz zum Arbeiten sehr wichtig. Schliesslich haben die meisten von uns einen Job, der hohe Konzentration erfordert. Ausserdem tr?gt ein eigener Büroplatz dazu bei, dass man sich willkommen und motiviert fühlt.

Damit ist es wom?glich vorbei, wenn wir uns jeden Tag einen neuen Arbeitsplatz suchen müssen und wohl oft in einer lauten Umgebung landen, in der wir uns weder wohlfühlen noch in Ruhe arbeiten k?nnen. Dies k?nnte dann zu erh?htem Stress führen, der auch die Gesundheit belasten kann. Viele k?nnten deswegen vermehrt im Homeoffice bleiben, sodass der fruchtbare Austausch auf dem Flur versiegt.

Ein flexibler Arbeitsplatz bedeutet auch, dass man den eigenen Laptop und andere Arbeitsutensilien jeden Tag zur Arbeit mitbringen muss, sodass es mühsamer wird, zu Fuss oder mit dem Velo zu kommen. Komplizierter wird es auch, wenn man nach der Arbeit noch etwas vorhat. Dann muss man zuerst den Laptop nach Hause bringen und die zus?tzliche Strecke verschlechtert die CO2-Bilanz.

Wenn man aus Versehen etwas liegen l?sst, besteht zudem kaum eine Chance, es wiederzufinden, und durch die Anonymit?t solcher Arbeitspl?tze k?nnte auch mehr gestohlen werden.

Ja, flexible Arbeitspl?tze sparen Kosten, aber ich finde, die ETH-Mitarbeitenden haben es verdient, in richtigen Büros zu arbeiten – der Return on Investment ist nicht zu untersch?tzen. Es w?re schade, wenn wir die tolle Kultur, die wir vor der Pandemie hatten, opfern würden, um Kosten zu sparen.

Dieser Beitrag stammt aus der aktuellen Ausgabe des ETH-Magazins ?life?.

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