Gelehrter und Gestalter

Als Professor für Architektur- und Kunstgeschichte hat Andreas T?nnesmann an der ETH Bedeutendes geleistet. In verschiedenen Funktionen hat er zudem die Entwicklung der Hochschule mitgestaltet. Kürzlich ist Andreas T?nnesmann viel zu früh verstorben.

Vergr?sserte Ansicht: Andreas Tönnesmann
Andreas T?nnesmann starb im 61. Lebensjahr. (Bild: Sabina Bobst)

Die eigene Begeisterung für die Architektur anschaulich zum Ausdruck zu bringen und seine Mitmenschen daran teilhaben zu lassen, war eine besondere Gabe, über die Andreas T?nnesmann verfügte. Er war nicht nur einer der renommiertesten Kunst- und Architekturhistoriker der Gegenwart, sondern auch ein Lehrer mit Leib und Seele.

Bis zuletzt widmete er seine schwindenden Kr?fte mit grosser menschlicher W?rme und pers?nlichem Engagement den Studierenden der ETH Zürich. Er schulte sie in der Bedeutung geschichtlicher Prozesse für die gebaute Umwelt und lehrte sie dabei zugleich, der Thematik mit Euphorie zu begegnen.

Mit stupender Eloquenz vermochte er es, komplexe Zusammenh?nge in klare, einfache und dennoch ?usserst pr?zise S?tze zu packen und seine Zuh?rer und Leser mitzureissen. Seine Studierenden dankten ihm dafür mit der mehrfachen Verleihung der Goldenen Eule, dem Ehrenpreis für exzellente Lehre. Ein geradezu pers?nliches Anliegen war ihm die F?rderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Als fürsorglicher Doktorvater betreute er mit aussergew?hnlichem Einsatz und Enthusiasmus über fünfzig Dissertationen.

Unbestechlicher Spürsinn, grenzenlose Neugierde

Seine Analyse der Architektur fand ihren Anfang stets am konkreten Objekt, doch führten seine Erkenntnisse weit darüber hinaus. Mit unbestechlichem Spürsinn verstand er es, unsere materielle Umwelt mit gesellschaftlichen Ph?nomenen und ihren geistigen Hintergründen in Verbindung zu bringen und ihr Leben einzuhauchen. Er verfasste grundlegende Werke zur Kunst und Architektur der Renaissance, einer Epoche, die er besonders liebte.

Seine Neugierde kannte aber keine Grenzen, er forschte universell und in unterschiedlichen Disziplinen und Epochen bis hin zu filmischen und literarischen Werken. Der zu seinem sechzigsten Geburtstag erschienene Band ?Die Freiheit des Betrachtens? birgt ausgew?hlte Aufs?tze und zeugt nicht nur im Titel von den breiten Interessen und der unvoreingenommenen Herangehensweise des Verstorbenen.

Berufung an ETH als glückliche Fügung

Die Berufung Andreas T?nnesmanns an die ETH Zürich im Jahr 2001 war eine glückliche Entscheidung. Nach dem Studium der Kunstgeschichte und Literaturwissenschaften in Deutschland und Italien und einer Forschungst?tigkeit an der Bibliotheca Hertziana, dem Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte in Rom, hatte er an verschiedenen deutschen und schweizerischen Universit?ten gelehrt. Von 1991 bis 2000 war er ordentlicher Professor an den Universit?ten Bonn und Augsburg, bevor er dem Ruf an die ETH Zürich folgte.

Von 2006 bis 2010 war Andreas T?nnesmann Vorsteher des Instituts für Geschichte und Theorie der Architektur (gta), von 2007 bis 2009 Vorsteher des gesamten Departements Architektur. Als Mitglied der Strategiekommission der ETH Zürich gestaltete er die Zukunft der Hochschule mit. Dank seines herausragenden Sachverstands wurde Andreas T?nnesmann in zahlreiche nationale und internationale Institutionen berufen, so zum Vorsitzenden des wissenschaftlichen Beirats der Gerda Henkel Stiftung, zum Mitglied des Kuratoriums der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel und des Kunsthistorischen Instituts in Florenz.

Zudem brachte er seine vorzügliche Expertise in die Jury des Prix Jubilé der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften sowie in die Universit?tskommission des Istituto Svizzero di Roma ein.

Andreas T?nnesmann verstand seine Aufgabe nicht zuletzt darin, die Welt interessanter zu machen. Es ist ihm gelungen. Viel zu früh verstarb er am 23. Mai 2014 in seinem 61. Lebensjahr.

Dieser Nachruf wurde von Assistentinnen und Assistenten des Verstorbenen von der Professur für Kunst- und Architekturgeschichte verfasst.

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