Personalgespräche – notwendiges Übel oder verkannte Chance?

Jahresgespr?che seien m¨¹hsam, nichtssagend und br?chten Organisationen nicht weiter, klagen viele. Sind Personalgespr?che ¨¹berhaupt noch zeitgem?ss?
Diese Kritik h?rt man oft ¨C man sollte sie zum Anlass nehmen, Gespr?che zu verbessern. Das Personalgespr?ch sollte ein pers?nliches Gespr?ch sein, das aufmerksam und wertsch?tzend gef¨¹hrt wird. Ist dies nicht der Fall, empfindet man es als ¨¹berfl¨¹ssig oder als Abspulen einer Routine. Ein gutes Gespr?ch aber ist immer zeitgem?ss.

Sollte man nicht ¨¹ber das ganze Jahr hinweg von seinem oder seiner Vorgesetzten Feedback erhalten statt nur einmal gegen Ende des Jahres?
Ich glaube, es braucht beides: das zeitnahe, konkrete Feedback und das j?hrliche Personalgespr?ch. Denn dieses beinhaltet Elemente, die in den anderen Gespr?chen oft fehlen. So wird etwa das Arbeitsverhalten ¨¹ber einen l?ngeren Zeitraum reflektiert, man erh?lt als Vorgesetzter Feedback von seinen Mitarbeitenden, und man kann gemeinsam Entwicklungsm?glichkeiten besprechen.

Gibt es an der ETH Vorgaben, ob und wie Personalgespr?che durchgef¨¹hrt werden sollen?
Ja, in der Personalverordnung (PVO) der ETH wird verlangt, dass Vorgesetzte mindestens einmal pro Jahr ein Personalgespr?ch f¨¹hren, das eine Standortbestimmung gibt, F?rderungsmassnahmen beinhaltet und in dem die Leistung beurteilt wird. Vorgesehen ist auch, dass die Mitarbeitenden Gelegenheit haben, R¨¹ckmeldung zum F¨¹hrungsverhalten zu geben. Dies gilt f¨¹r alle, die einen Vertrag unter der PVO haben: also f¨¹r alle administrativ-technischen Mitarbeitenden, aber auch f¨¹r die allermeisten wissenschaftlichen Mitarbeitenden. Dazu z?hlen auch Doktorierende. 

Was soll ich tun, wenn mein Vorgesetzter oder meine Vorgesetzte kein Gespr?ch ansetzt?
Dann sollte man darum bitten und wenn n?tig auch darauf hinweisen, dass dies Teil der F¨¹hrungsverantwortung ist. Wenn jemand gar nicht darauf eingeht, kann man sich an die Personalabteilung wenden.

Ist es sinnvoll, die Leistung der Mitarbeitenden mit Bewertungsbuchstaben zu beurteilen?
Wichtig ist das Gespr?ch und das pers?nliche, differenzierte Feedback. Als F¨¹hrungsperson sollte man nicht prim?r eine beurteilende, sondern eine entwicklungsorientierte Haltung einnehmen und sich ¨¹berlegen, wie man St?rken noch besser nutzen und gemeinsam weiterkommen kann. Ein Buchstabe allein ist keine Wertsch?tzung.

Aber am Ende dreht sich doch alles um den einen Buchstaben, der als ?Abschlussnote? an die Personalabteilung geht?¡­
Nein. Das Gespr?ch steht im Vordergrund. Dieser Buchstabe sollte nur eine gewisse Einordnung geben und gar nicht im Vordergrund stehen. Man kann sicher die Frage stellen, ob das Formular noch ganz zeitgem?ss ist und man es nicht ¨¹berdenken sollte ¨C was wir auch tun.

Wie wirkt sich eine gute Beurteilung wie ein A+ auf den Lohn aus?
Der Zusammenhang zwischen dem Bewertungsbuchstaben und dem Lohn wird ¨¹bersch?tzt. F¨¹r die allermeisten wissenschaftlichen Funktionen spielt das gar keine Rolle, denn das sind ja in der Regel fixe Ans?tze. Nur bei administrativ-technischen Mitarbeitenden, die im Lohnsystem sind, gibt es eine gewisse Lohnsteuerung. Das heisst: Eine gute Beurteilung kann sich auf die Lohnentwicklung auswirken, aber es gibt mehrere Faktoren und enge Bandbreiten. Je nachdem, wo man mit seinem Lohn innerhalb des Lohnbands einer bestimmten Funktion steht, kann es sein, dass man auch mit einem A+ keine weitere Lohnentwicklung hat.

Gibt es ein gewisses Kontingent zum Beispiel an A+-Bewertungen, die eine F¨¹hrungsperson innerhalb des Teams vergeben kann?
Es gibt Firmen, die dazu Vorgaben machen, besonders Organisationen mit leistungsabh?ngigen Lohnbestandteilen. An der ETH gibt es keine Regelung, wie viele A+ vergeben werden d¨¹rfen. Es gibt aber einzelne Bereiche, in denen die Verteilung diskutiert wird. Im ?brigen bedeutet der Buchstabe A, dass die hohen Erwartungen vollumf?nglich erf¨¹llt sind. Eine positive und starke Aussage, alles andere als knapp gen¨¹gend.

Wie schafft man als Vorgesetzte/r den Spagat zwischen einem vertrauensvollen Gespr?ch und einer ?schonungslosen? Beurteilung?
Da gibt es ein Prinzip: Hart im Thema, aber soft zur Person. Das heisst, kritische Punkte sachlich, konkret und mit Beispielen ansprechen. Wenn jemand einsieht, dass etwas nicht gut gelaufen ist, sollte man das auch akzeptieren und der Person zutrauen, sich zu verbessern. Grunds?tzlich gilt, dass Kritik besser angenommen wird, wenn gleichzeitig auch Gutes gesehen wird.

Mitarbeitende sollten aber auch bei Kritik sp¨¹ren, dass Vorgesetzte hinter ihnen stehen, oder?
Das ist ein ganz wichtiger Punkt, die gegenseitigen Erwartungen zu kl?ren. Die F¨¹hrungsperson sollte fragen: Was brauchst du von mir, damit wir nicht mehr in eine solche Situation geraten und uns verbessern k?nnen? Im Gespr?ch entstehen so oft gute Ideen, was wiederum das Vertrauen und eine gemeinsame Verantwortung f?rdert.

Wie bereitet man sich als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter am besten auf ein Jahresgespr?ch vor?
Wichtig ist, dass man es ¨¹berhaupt vorbereitet. Fragen, die man sich vorab stellen kann, sind beispielsweise: Was lief anders als geplant? Wo waren die grossen Herausforderungen?
Was ist mir gut gelungen, was w¨¹rde ich das n?chste Mal anders angehen? Wo k?nnte ich mich noch weiterentwickeln? Und last but not least: Was fand ich beim Vorgesetzten oder der Vorgesetzten gut, was weniger?

Und als Vorgesetzte/r?
Ich mache das manchmal bei einem kurzen Spaziergang und blicke auf das vergangene Jahr zur¨¹ck. Dabei versuche ich, mich an einzelne Episoden zu erinnern, zu denen ich differenziertes Feedback geben kann. Daneben schaue ich aber auch nach vorne: Wie sehen die n?chsten ein bis drei Jahre aus, welche Entwicklungsm?glichkeiten gibt es?

Wie m¨¹ssen Personalgespr?che ablaufen, damit beide Seiten profitieren?
Aus Vorgesetztensicht muss es gut vorbereitet und durchdacht sein. Das Gespr?ch sollte offen, wertsch?tzend und entwicklungsorientiert gef¨¹hrt werden. Wichtig ist, dass beide Seiten zu Wort kommen ¨C idealerweise erhalten Mitarbeitende die H?lfte der Redezeit. Wichtig ist auch, den anderen bewusst wahrzunehmen und auch Fragen zu stellen: Es ist nicht nur ein Personalgespr?ch, sondern auch ein ?Personalzuh?ren?.

Wie ehrlich sollen die Mitarbeitenden ihre Vorgesetzten beurteilen?
Wir sollten Feedback so geben, wie wir es auch selber empfangen m?chten. Am besten erw?hnt man konkrete Beispiele, wo man sich etwa gut unterst¨¹tzt gef¨¹hlt hat, oder Situationen, die man sich anders gew¨¹nscht h?tte.

Haben Sie r¨¹ckblickend auf Ihre berufliche Laufbahn schon Fehler gemacht bei Personalgespr?chen?
Ich habe einen Fehler und eine wichtige Lernerfahrung gemacht. Der Fehler war, dass ich diese Gespr?che vor meiner Zeit an der ETH einmal nicht gef¨¹hrt hatte, weil ich dachte, ich spr?che unter dem Jahr genug mit meinen Mitarbeitenden. Heute sehe ich das Personalgespr?ch nicht mehr als Pflicht¨¹bung, die ich f¨¹r die Mitarbeitenden machen muss, sondern als Chance, die auch mir als Vorgesetzter etwas bringt.