«Ein Kulturwandel geht nicht auf Knopfdruck»

Zu hohe Arbeitsbelastung, unklare F¨¹hrungsstrukturen, wenig Diversit?t, Kritik am Curriculum, F?lle von sexuellen Bel?stigungen: Die von Engagement Arts durchgef¨¹hrte Analyse (siehe Info-Box) spart nicht mit Kritik am D-ARCH. Ist die Situation an Ihrem Departement so prek?r?

Tom Emerson: Nein. Vieles an unserem Departement l?uft sehr gut. Das D-ARCH hat national und international einen hervorragenden Ruf und die Loyalit?t der Mitarbeitenden und der Studierenden gegen¨¹ber dem Departement ist ¨¹berdurchschnittlich hoch. Das zeigt auch der Bericht von Engagement Arts. Trotzdem: Es ist bei weitem nicht alles perfekt und ja, es gibt Problemfelder, die der Bericht anspricht und die wir angehen m¨¹ssen. Dabei sehe ich vor allem zwei Bereiche: Einerseits m¨¹ssen wir uns st?rker um das Wohlbefinden unserer D-ARCH-Community k¨¹mmern und dabei die in der Architekturszene weit verbreitete ??berarbeitungs-Kultur? hinterfragen. Zudem zeigt sich, dass wir im Bereich Sexismus und Mobbing die ?Awareness? weiter erh?hen und eine Nulltoleranz-Kultur etablieren m¨¹ssen.

Das D-ARCH hat diesen Bericht selbst in Auftrag gegeben. Warum?

Im Departement ist die Debatte rund um die Themen Arbeitsbelastung, Chancengleichheit und Diversit?t schon seit einigen Jahren im Gang. Besonders aktiv sind dabei die Parity Group, eine ?Grassroot-Bewegung? der Studierenden und des Mittelbaus, und dann die sp?ter gegr¨¹ndete Parity- und Diversity-Kommission (PDK). Gemeinsam organisieren sie unter anderem die sogenannten Parity Talks. An einer dieser Veranstaltung trat auch eine Vertreterin von Engagement Arts auf, einer Bewegung, die sich gegen Sexismus und Machtmissbrauch in der Kunstszene in Belgien einsetzt. Dieser Auftritt war so ¨¹berzeugend, dass wir Engagement Arts damit beauftragten, das Departement aus einer Aussenperspektive zu analysieren und kritische Dinge beim Namen zu nennen. Dieser Bericht liefert kein Gesamtbild ¨¹ber den Zustand unseres Departements, sondern spricht bewusst die problematischen Punkte an.

Der Bericht st¨¹tzt sich auf 59 Aussagen von Personen und Gruppierungen aus dem Departement ab. Ist das repr?sentativ genug?

Nat¨¹rlich nicht, aber das war auch nicht das Ziel. Dieser Bericht ist nur eines von vielen Instrumenten, auf die wir uns f¨¹r die Weiterentwicklung des Departements st¨¹tzen wollen. W?hrend beispielsweise die Studierendenumfrage ?#wiegehts? oder auch die Mitarbeitendenbefragung der ETH Z¨¹rich ein breit abgest¨¹tztes Bild abgeben, soll dieser Bericht bewusst einen kritischen und unausgewogenen Blick auf unsere Kultur werfen. Probleme, von denen wir zwar zum Teil vom H?rensagen schon wussten, werden hier auf den Punkt gebracht. Zudem ist mir etwas besonders wichtig: Bei Themen wie Sexismus oder Mobbing spielt Repr?sentativit?t keine Rolle. Da ist jeder einzelne Fall einer zu viel.

Die aufgegriffenen Themen sind nicht neu. Man h?rte in den vergangenen Jahren immer wieder kritische Stimmen. Hat das D-ARCH diese zu wenig ernst genommen?

Wir befinden uns in einem Prozess der Kulturver?nderung und die braucht Zeit. Wir haben aber bereits sehr viel unternommen. Die regelm?ssig stattfindenden Parity Talks habe ich bereits erw?hnt. Zudem haben wir beispielsweise unseren Berufungsprozess angepasst. So konnten wir die Diversit?t erh?hen. Und der Fakt, dass wir ¨¹ber Schwierigkeiten sprechen und auch einen kritischen Bericht ¨¹ber das Departement zulassen, spricht daf¨¹r, dass die Sensibilit?t f¨¹r die Themen stark gestiegen ist. Aber ja, wenn wir wollen, dass unsere aktuellen Studierenden von diesen positiven Entwicklungen etwas sp¨¹ren, dann m¨¹ssen wir unsere Anstrengungen noch verst?rken.

Was sind f¨¹r Sie die wichtigsten Schl¨¹sse, die Sie aus dieser externen Sicht auf das Departement ziehen?

F¨¹r mich gibt es im Wesentlichen die drei Themenbereiche Studieninhalt, respektvolles Miteinander und Arbeitskultur. Beim Studieninhalt m¨¹ssen wir unseren Curriculum an die gesellschaftlichen Realit?ten anpassen. Themen wie Klimawandel und Diversit?t sollen st?rker im Studium verankert werden. Beim zweiten Thema zeigt der Bericht, dass wir am Departement noch nicht allen ein respektvolles und sicheres Umfeld bieten k?nnen. Es ist unsere Pflicht, dies zu ?ndern. Und als drittes geht es um eine Kulturver?nderung. Wir wollen den Gedanken etablieren, dass ein gesundes Arbeitsumfeld, bei dem es nicht nur um m?glichst viele geleistete Stunden geht, auch positiv auf die Qualit?t und die Leistung auswirken wird. Als wir beispielsweise w?hrend des Lockdowns die Leistungsanforderungen etwas lockerten, hat die Qualit?t der abgegebenen Arbeiten nicht gelitten, sie war zum Teil sogar h?her.

Gibt es Aussagen im Bericht, denen Sie widersprechen?

In der Analyse wird nicht ersichtlich, dass viele Handlungsempfehlungen bei uns bereits in Umsetzung oder zumindest auf der Agenda sind. So l?uft eine Curriculum-Reform, die dem Thema Diversity mehr Gewicht gibt. Zudem haben wir dieses Jahr zu Semesterbeginn das Thema ?Respekt? in allen Einf¨¹hrungsveranstaltungen thematisiert und mit der ETH-weiten Respekt-Kampagne wird im Moment zus?tzlich sensibilisiert. Beim Bericht handelt es sich um eine Aussensicht und da ist es klar, dass nicht alle Empfehlungen f¨¹r uns passen. Aber darum geht es nicht. Die Aussagen im Bericht sind f¨¹r uns ein weiterer Anstoss, um dar¨¹ber zu diskutieren, welche Massnahmen wir jetzt priorit?r umsetzen m¨¹ssen, um uns und unsere Kultur zu verbessern. Wenn wir den Bericht nicht als Gebrauchsanweisung lesen, dann wird er ein hilfreiches Instrument werden.

Wie wurden die Ergebnisse von den Professorinnen und Professoren aufgenommen?

Wir haben ¨¹ber den Bericht an einer Professorenkonferenz ausgiebig diskutiert. Grunds?tzlich ist viel Offenheit vorhanden. Einige Kolleginnen und Kollegen sehen die Aussagen auch kritisch. Ich kann das gut verstehen. Denn der Bericht schmerzt beim Lesen. Das ging mir auch so. Es tut weh, wenn man sich mit vollem Einsatz f¨¹r ein Departement engagiert und dann lesen muss, dass nicht alles perfekt ist.

Was sind nun die n?chsten Schritte?

Als erstes teilen und diskutieren wir den Bericht im ganzen Departement. Dazu waren alle Angeh?rigen des D-ARCH zu einer Informationsveranstaltung eingeladen. In den n?chsten Monaten werden die Erkenntnisse in all unsere Gremien wie der ?Curriculum-Gruppe?, der PDK, dem Mittelbau und dem Fachverein fliessen, damit diese dann konkrete Massnahmen vorschlagen k?nnen. Zudem wird im M?rz ein n?chster Parity Talk stattfinden. Wir sind auch in engem Kontakt mit dem Bereich VPPL von Julia Dannath, um spezifisch auf das D-ARCH ausgerichtete Angebote zu entwickeln.

Wann werden die Studierenden etwas von den Massnahmen sp¨¹ren?

Ein Kulturwandel geht nicht auf Knopfdruck und l?sst sich auch nicht befehlen. Wir k?nnen aber das Wissen und die Sensibilit?t f¨¹r die angesprochenen Themen erh?hen. Ich bin ¨¹berzeugt, dass wir den Kulturwandel nur schaffen, wenn wir transparent und offen ¨¹ber jene Dinge sprechen, die weniger gut laufen. Diese Transparenz und Offenheit sollen die Studierenden und alle Angeh?rigen des D-ARCH schon heute sp¨¹ren.