Kenntnisreicher Vermittler und offener Zuhörer

Wie war die Einarbeitungszeit?

Ich bin in die Aufgabe reingewachsen. Bei meinem Start vor vier Jahren gab es noch kein Coaching, wenn man das Amt ¨¹bernahm. Dies hat sich in den letzten Jahren ge?ndert. Wir Ombudspersonen haben das Coaching einfach selbst gemacht, uns weitergebildet, uns untereinander abgesprochen und ausgetauscht.

Das klingt nach einem Sprung ins kalte Wasser¡­

Nun, man muss ber¨¹cksichtigen: Die Anfragen, die zu uns kommen, sind sehr divers. In vielen F?llen braucht es nebst Kenntnissen der ETH eine gute Portion Menschenverstand. Auf alles kann man sich daher nicht mit einem Coaching vorbereiten.

Welche M?glichkeiten hat eine Ombudsperson bei der Behandlung von F?llen?

Eine Ombudsperson hat keine Exekutivgewalt, sie kann also nichts durchsetzen oder anordnen. Aber sie hat das Recht, jede Stelle der ETH anzufragen und darf dort auch eine Antwort erwarten. Bei vielen F?llen ging es z.B. um eine Unklarheit im Arbeits- oder im Forschungsvertrag. Die anfragende Person wollte jedoch nicht selbst den Rechtsdienst anfragen, weil sie Angst hatte, dass ihr Fall so publik werden k?nnte. Hier amtete ich als Vermittler und fragte f¨¹r diese Person beim Rechtsdienst an, ohne die Person zu benennen.

Was haben Sie an Ihrer T?tigkeit besonders gesch?tzt?

Zum einen die sehr gute interne Zusammenarbeit an der ETH: Ich wurde bei der Aus¨¹bung meines Amtes von allen Institutionen immer sehr unterst¨¹tzt. Zu allen war der Kontakt sehr gut. Zum anderen hat es mich stets sehr motiviert, mit jungen Leuten zu arbeiten. Dieses Interesse hatte ich schon immer, w?hrend meiner gesamten Karriere.

Welche ETH-Angeh?rigen nahmen Ihre Dienste besonders in Anspruch?

In vier Jahren habe ich rund 160 Anfragen erhalten, davon ein grosses Drittel von Doktorierenden, etwa ein Viertel von Postdocs und Senior Scientists, 15 Prozent von Studierende und 8 Prozent von Professorinnen und Professoren. Das ganze Spektrum kam also zu mir!

Was waren dabei die h?ufigsten Probleme, mit denen diese Personen zu Ihnen kamen?

Die Anfragen waren sehr divers. Bei Studierenden waren die Anliegen z.B., dass eine Pr¨¹fung nicht korrekt durchgef¨¹hrt worden war. Bei Doktorierenden und Postdocs waren es haupts?chlich Fragen der Autorenschaft.

Bei Doktorierenden ging es zudem ?fters auch darum, dass das Doktorat vorzeitig durch die Betreuungsperson beendet worden war und wie es f¨¹r die Doktorierenden nun weitergehen soll. In solchen F?llen konnte ich manchmal helfen, eine neue Betreuungsperson zu finden, oder auch moralisch zu unterst¨¹tzen. Ein Doktorand hat mich sogar einmal in der Danksagungsliste seiner Doktorpr¨¹fung aufgef¨¹hrt. Dies hat mich sehr gefreut.

Bei Postdocs waren die F?lle eher schwieriger, weil die Regelung f¨¹r sie an der ETH noch unklar ist. Hier m¨¹sste man noch mehr tun. Diese Mitarbeitenden haben auf kurze Zeit Arbeitsvertr?ge und unklare Zukunftsaussichten. Dies m¨¹sste man arbeitsrechtlich besser abfassen, ?hnlich, wie es f¨¹r die Doktorierenden mit der neuen Doktoratsverordnung geregelt wurde.

Gibt es F?lle, die Ihnen besonders in Erinnerung bleiben?

Es gab durchaus lustige F?lle, z.B. jener einer nicht-schweizerischen Doktorandin, deren Professor seine Gruppe jeweils am Freitagabend zum Bier ins Niederdorf einlud. Das Problem dieser Doktorandin: Sie trank kein Bier, traute sich jedoch nicht, dem Professor zu sagen, dass sie deshalb nicht mitkommen m?chte. Ich habe ihr empfohlen, dies dem Professor offen zu sagen und er sicher daf¨¹r Verst?ndnis haben werde.

Welches waren schwierigere F?lle?

Solche, bei denen ich nicht weiterkam. Etwa 80% aller Anfragen waren Beratungen, die sich mit drei E-Mails oder Gespr?chen erledigen liessen. Doch dann gab es auch echte Konfliktf?lle, die aufw?ndiger oder sogar unl?sbar waren. Ich hatte jedoch nur zwei, drei solcher F?lle, bei denen ich nicht weiterhelfen konnte und andere Stellen der ETH ¨¹bernehmen mussten.

Tut die ETH Z¨¹rich gen¨¹gend, um Schwierigkeiten und Konflikte am Arbeitsplatz und im Studium zu vermeiden?

In den letzten vier Jahren wurde sehr viel getan. So wurde z.B. die Respekt-Kampagne lanciert und das neue Vizepr?sidium f¨¹r Personalentwicklung und Leadership aufgebaut. Ich w¨¹rde nun abwarten, wie sich dies alles bew?hrt.

Was uns Ombudspersonen jedoch immer etwas auf dem Magen liegt: In manchen F?llen k?nnen wir nicht weiterhelfen, weil die anfragende Person Angst hat, unter Druck zu geraten, sollte ihr Fall bekannt werden. Ich denke, dies ist an der ETH eine kulturelle Frage. Es braucht eine gewisse Offenheit, dass man Probleme ansprechen kann, ohne dadurch Nachteile bef¨¹rchten zu m¨¹ssen. Hier m¨¹sste sich insbesondere das Verh?ltnis und die Abh?ngigkeit zwischen Doktorierenden und Professoren noch st?rker kl?ren.

Wie bleiben Sie mit der ETH verbunden? Und wie sehen Ihre n?chsten Pl?ne aus?

Ich bin noch in der Schweizer Studienstiftung und betreue als Mentor eine Gruppe, lese regelm?ssig die ETH-News und lebe somit durchaus noch mit der ETH ¨C die wird mich nicht so schnell los.

Nun habe ich mehr Zeit f¨¹r meine Hobbies, mache Musik und reise gerne. Ich geniesse dies sehr. Was mir jedoch etwas fehlt, ist der Kontakt zu jungen Leuten. Der war mir immer wichtig. Ich habe gerne Vorlesungen gegeben und den Austausch mit den Studierenden sehr genossen. Aber: Alles ist endlich und man muss den jungen Leuten auch Platz machen und die Chance geben, etwas Neues zu machen. Wenn nur ?die Alten? rumsitzen, ist das nicht gut.