Ökologiekonzept kritisch überprüft

Die Biologin D?rte Bachmann erh?lt den Hans Vontobel-Preis 2015. In ihrer Dissertation untersuchte sie, ob und warum vielf?ltiges Grasland mehr Biomasse produziert als artenarmes. Das Resultat l?sst aufhorchen.

Vergr?sserte Ansicht: Dörte Bachmann. Bild: ETH Zürich
Preistr?gerin D?rte Bachmann. Bild: ETH Zürich / Peter Rüegg.

Für D?rte Bachmann ist dieser Preis der erste in ihrer noch jungen Forschungskarriere. Allj?hrlich vergibt die gemeinnützige Vontobel-Stiftung den Hans Vontobel-Preis für hervorragende Doktorarbeiten aus dem Gebiet der Agrarwissenschaften. Dass nun sie den Zuschlag erhielt, hat die 29-j?hrige Wissenschaftlerin schon etwas überrascht, aber sie habe sich darüber auch wahnsinnig gefreut. ?Es ist ein wirklich sch?nes Gefühl, für die eigene Arbeit ausgezeichnet zu werden?, so die junge Preistr?gerin.

In ihrer Dissertation befasste sie sich damit, wie im Grasland die Biomasseproduktion und die Artenvielfalt zusammenh?ngen und vor allem, wie diese Zusammenh?nge zustande kommen. In bisherigen Untersuchungen fanden ?kologen und ?kologinnen stets, dass artenreiche Pflanzengemeinschaften - verglichen mit artenarmen - mehr Biomasse produzieren und damit mehr Kohlenstoff binden. Es blieb aber unklar, warum dies der Fall war.

Theoretische Konzepte postulieren, dass verschiedene Arten sowie die sogenannten funktionellen Gruppen, in denen Arten mit ?hnlicher Wuchsform zusammengefasst werden, unterschiedliche Nischen einnehmen sollten. Demnach würden Arten und funktionelle Gruppen limitierende Ressourcen wie Wasser, Licht und N?hrstoffe komplement?r nutzen. Dies sollte die Konkurrenz zwischen den verschiedenen Mitspielern reduzieren. Artenvielfalt k?nnte so die Ausnutzung der Bodenressourcen optimieren, was letztlich die Biomasseproduktion f?rdern k?nnte. Doch diese theoretischen Konzepte konnten bisher nicht durch experimentelle Studien belegt werden.

Teilnahme am Jena-Experiment

Vergr?sserte Ansicht: Jena-Experiment. Bild: zvg D. Bachmann
Wissenschaftler untersuchen, aus welcher Bodentiefe Pflanzen Wasser aufnehmen. (Bild: D?rte Bachmann / ETH Zürich)

Um die Konzepte zu überprüfen, führte D?rte Bachmann im Rahmen ihrer Dissertation bei Nina Buchmann, Professorin für Graslandwissenschaften an der ETH, drei Teilstudien durch. Sie bestimmte unter anderem, in welcher Bodentiefe die Pflanzen Wasser über die Wurzeln aufnehmen, wie die Pflanzen auf das verfügbare Licht im Bestand reagieren und schliesslich wie die Kohlendioxidaufnahme und der Wasserverlust von der Artenvielfalt abh?ngen.

Die ersten beiden Teilexperimente führte die Forscherin auf einem Testgel?nde nahe der Stadt Jena in Thüringen durch. Auf diesen Fl?chen, dem ?Jena-Experiment?, führen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus ganz Europa seit über 12 Jahren ?kologische Studien unter einheitlichen Bedingungen durch.

Bachmann untersuchte auf 40 Teilfl?chen Graslandgemeinschaften, die aus zwei, vier, acht und sechzehn Arten bestehen, die jeweils aus einem Pool von 60 zuf?llig ausgew?hlten, aber typischen europ?ischen Graslandarten stammen.

Licht oder Wasser?

Dafür führte sie Versuche mit markiertem Wasser durch, indem sie den Pflanzen im Gel?nde Wasser, das jeweils mit schweren Wasserstoff- oder Sauerstoff-Isotopen markiert war, in zwei Tiefen zur Verfügung stellte. Damit konnte sie zeigen, dass die Wasseraufnahme unabh?ngig von der Anzahl der Arten und unabh?ngig von den funktionellen Gruppen immer in mehr oder weniger der gleichen Bodentiefe erfolgte, und zwar aus den oberen Bodenschichten. ?Artenreiche Grasl?nder haben in gem?ssigten Breiten zwar einen h?heren Biomasse-Ertrag, der Grund dafür ist jedoch nicht eine komplement?re Wassernutzung aus verschiedenen Bodentiefen?, erkl?rt die Forscherin.

Der Grund dafür dürfte auch nicht in einer komplement?ren Ausnutzung des Lichts im Pflanzenbestand liegen, wie es eine weitere g?ngige Hypothese vorschl?gt. Messungen des Lichteinfalls im Pflanzenbestand sowie die Vermessung verschiedener Blattmerkmale im Jahresverlauf zeigten der ETH-Doktorandin, dass in artenreichen Best?nden die verschiedenen Pflanzenarten oder funktionellen Gruppen Licht nicht besser ausnutzen konnten als diejenigen in artenarmen Best?nden. ?In meinen Experimenten fand ich keine eindeutigen Belege für eine Nischenkomplementarit?t bei der Lichtausnutzung?, sagt sie.

Artenreichtum verst?rkt Stoffflüsse

Vergr?sserte Ansicht: Vegetationsblock in Versuchskammer. Bild: D. Bachmann / ETH Zürich
Ein von Jena nach Montpellier transferierter Vegetationsblock in der Versuchskammer. (Bild: D. Bachmann / ETH Zürich)

Zu guter Letzt analysierte die Biologin zusammen mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, ob sich die Artenzahl auf die Aufnahme von Kohlendioxid und gleichzeitig auf den Verlust von Wasser auswirkt. Dazu liess die Forschergruppe zw?lf grosse Rasenbl?cke von zwei Quadratmetern Fl?che und zwei Metern Tiefe, die entweder vier oder 16 Arten enthielten, von Jena nach Montpellier (F) transportieren. Dort wurden diese Bl?cke in spezielle geschlossene Versuchskammern eingebracht.

Gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen bestimmte Bachmann die Kohlendioxid- und Wasserdampf-Stoffflüsse aus den einzelnen Rasenbl?cken. Die Resultate dieser Teilstudie sprachen für einen positiven Effekt h?herer Artenvielfalt auf die Biomasseproduktion: Die Pflanzengemeinschaft mit 16 Arten und der h?heren Anzahl funktioneller Gruppen nahm mehr CO2 auf als diejenige mit nur vier Arten. Auch nutzte die artenreichere Gesellschaft Wasser- und Stickstoffressourcen effizienter als die arten?rmere Grasland- Gemeinschaft.

?Mit ihrer Arbeit hat D?rte Bachmann einen wichtigen Beitrag zum Verst?ndnis einer wichtigen Frage der Agrar?kologie geleistet?, sagt Bruno Studer, Professor für Futterpflanzengenetik am Institut für Agrarwissenschaften und Jurymitglied des Hans Vontobel-Preises. Sie habe ein wichtiges Konzept der ?kologie kritisch hinterfragt und differenzierte Resultate erzielt, die teilweise von der Lehrmeinung abweichen. Dies habe den Ausschlag dafür gegeben, ihr den Preis zu verleihen. Dass nicht zwingend Artenvielfalt, sondern eine ausgewogene Verteilung der funktionellen Gruppen sich positiv auf die Ressourcenausnützung auswirkt, hat nach Studers Einsch?tzung auch Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Praxis der F?rderung von artenreichen Wiesen.

Bereichernde Erfahrungen

D?rte Bachmann selbst sagt rückblickend, dass sie sehr froh darüber sei, dass sie sich für eine Dissertation entschieden habe. ?Es waren drei bereichernde Jahre in einem internationalen Umfeld, die Zusammenarbeit mit anderen Forschenden war toll, und die Feldarbeit in Jena sch?n, aber teilweise auch hart.? Sie habe in dieser Zeit viel über sich selbst und beruflich gelernt. Die Arbeit habe viel Selbstdisziplin erfordert, ?zeitweise war ich ganz sch?n auf mich selbst gestellt.?

Bachmann ist eine eher sp?t berufene Pflanzenwissenschaftlerin und Biologin. Sie sagt: ?Lange habe ich nicht gewusst, was ich studieren soll.? Sie schrieb sich schliesslich für Biologie ein, was sie in Halle, ihrer Heimatstadt, studierte. Ihr damaliger Botanik-Professor habe schliesslich ihre Begeisterung für Pflanzen geweckt.

Ihre Dissertation hat Bachmann im April 2014 abgeschlossen. Sie arbeitet derzeit an der ETH Zürich im Bereich Life Cycle Assessement (LCA) in der Gruppe von Professorin Stefanie Hellweg. Diese Stelle ist allerdings bis Ende Juli 2015 befristet. Ob sie in der Wissenschaft bleibt, l?sst sie derzeit offen. Die junge Forscherin lebt derzeit in Zürich. In der Schweiz m?chte sie an sich bleiben. Mittlerweile habe sie einige gute Freunde gefunden, mit denen sie wandern, klettern, velofahren oder an Konzerte gehen k?nne. Und: ?Die Berge m?chte ich nicht mehr missen.?

Literaturhinweise

Milcu A, Roscher C, Gessler A, Bachmann D, Gockele A, Guderle M, Landais D, Piel C, Escape C, Devidal S, Ravel O, Buchmann N, Gleixner G, Hildebrandt A, Roy J (2014) Functional diversity of leaf nitrogen concentration drives grassland carbon fluxes. Ecology Letters 17: 435–444. doi: externe Seite10.1111/ele.12243.

Bachmann D, Gockele A, Ravenek JM, Roscher C, Strecker T, Weigelt A, Buchmann N (2015) No evidence of complementary water use along a plant species richness gradient. PLos ONE 10(1): e0116367. PLoS One. 2015; 10(1): e0116367. doi: externe Seite10.1371/journal.pone.0116367

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert