Gentransfer erhöht Vitamin-B6-Gehalt in Maniok

Pflanzenforscherinnen und -forscher haben einen Weg gefunden, dass die Maniokpflanze h?here Mengen von Vitamin B6 in ihrer Wurzelknolle und ihren Bl?ttern bildet. Dies k?nnte helfen, Millionen von Menschen in Afrika vor schweren Mangelerscheinungen zu schützen.

Vergr?sserte Ansicht: Foto: Hervé Vanderschuren
Maniok hat charakteristische mehrfingrige Bl?tter, die als Gemüse gegessen werden k?nnen. (alle Bilder: Hervé Vanderschuren)

In vielen tropischen L?ndern, insbesondere in Afrika südlich der Sahara, ist Maniok eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel. Die Menschen k?nnen nicht nur die Speicherwurzeln essen. Sie verwenden oft auch die Bl?tter als Gemüse. Beides müssen sie erst kochen, um giftige Blaus?ureverbindungen, welche die Pflanze ansammelt, unsch?dlich zu machen.

Einen Nachteil aber hat die Speicherwurzel: Sie hat einen hohen St?rkegehalt, der satt macht, aber insgesamt enthalten Maniokwurzeln nur wenige Vitamine. Insbesondere Vitamin B6 ist nur in geringen Mengen vorhanden. So müsste ein Mensch, der sich haupts?chlich von Maniok ern?hrt, t?glich rund 1,3 Kilogramm davon essen, um sich ausreichend mit diesem Vitalstoff zu versorgen.

Schwerer Mangel in Afrika

In vielen Regionen, in denen Maniok ein Hauptbestandteil der Nahrung ist, tritt deshalb ein Mangel an Vitamin B6 auf. Die Folge davon sind Herzkreislauferkrankungen, Diabetes oder Nervenkrankheiten.

Pflanzenwissenschaftlerinnen und –wissenschaftler der ETH Zürich und der Universit?t Genf haben deshalb einen Weg gesucht, um die Vitamin-B6-Produktion in Wurzeln und Bl?ttern der Maniokpflanze zu erh?hen. Dadurch liesse sich die Unterversorgung der Maniok-Hauptkonsumenten mit Vitamin B6 verhindern.

Genmodifizierte Linien produzieren viel B6

Dieses Vorhaben ist nun gelungen: In der neusten Ausgabe von Nature Biotechnology stellen die Forscherinnen und Forscher eine neue genmodifizierte Manioksorte vor, die mehrfach h?here Mengen dieses wichtigen Vitamins erzeugt.

Vergr?sserte Ansicht: Maniok rüsten
Die Zubereitung der Wurzelknollen ist zeitaufw?ndig. (Bild: Hervé Vanderschuren)

?Von der neuen Variante muss ein Mensch t?glich nur noch 500 Gramm gekochte Wurzelmasse oder 50 Gramm Bl?tter essen, damit er seinen t?glichen Vitamin-B6-Bedarf decken kann?, sagt Wilhelm Gruissem, Professor für Pflanzenbiotechnologie der ETH Zürich. Die Grundlage für die neue genmodifizierte Maniok-Variante legte Professorin Teresa Fitzpatrick von der Universit?t Genf. Sie kl?rte in der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) den Biosyntheseweg von Vitamin B6 auf. Am Aufbau des Vitamins sind zwei Enzyme beteiligt, PDX1 und PDX2. Indem die Forschenden die entsprechenden Gene, welche den Code für die Enzyme darstellen, ins Maniok-Genom einbrachten, erzeugten sie mehrere neue Maniok-Linien, die h?here Mengen an VitaminB6 bildeten.

Unter Feldbedingungen stabil

Ob der genmodifizierte Maniok den gewünschten Effekt, n?mlich eine verst?rkte Produktion des Vitamins bei gleichbleibendem Gesamtertrag, erzielt, testeten die Pflanzenwissenschaftler mehrere Jahre im Gew?chshaus und in Feldversuchen. ?Es war wichtig herauszufinden, ob genmodifizierter Maniok das Merkmal ?hohe Vitamin-B6-Produktion“ unter verschiedenen Bedingungen stabil hervorbringt?, betont Gruissem.

Messungen des Vitalstoffgehalts best?tigten, dass beide Pflanzenlinien in Wurzeln und Bl?ttern ein Mehrfaches an Vitamin-B6 bildeten als ?normaler? Maniok. Die verst?rkte Produktion konnten die Forschenden zudem auf die Aktivit?t der transferierten Gene zurückführen, unabh?ngig davon ob die Pflanzen im Gew?chshaus oder auf freiem Feld wuchsen. Die verst?rkte Vitamin-B6-Produktion blieb auch in Pflanzen in Nachfolgegenerationen, die durch zweimaliges vegetatives Vermehren erzeugt wurden, stabil.

Zuvor hatten die Forscher mehrere hundert Manioksorten aus Afrika auf ihren natürlichen Vitamin-B-6-Gehalt überprüft. Keine davon wies einen derart hohen Gehalt auf, wie die genmodifizierten Varianten.

Auch ist das Vitamin B6 aus den genmodifizierten Sorten sogenannt bioverfügbar, das heisst, der Mensch kann es gut aufnehmen und verwerten. Dies überprüfte ein Forschungsteam der Universit?t Utrecht in Zusammenarbeit mit den Forschenden der ETH Zürich und der Universit?t Genf.

Offene Technologie

Photo: Hervé Vanderschuren
Ein Bauer begutachtet seine Maniokpflanzen.

?Unsere Arbeit belegt, dass der Ansatz, die Vitamin-B6-Menge in einer wichtigen Nahrungspflanze mit Arabidopsis-Genen gezielt zu erh?hen, auch unter Feldbedingungen stabil ist. Ebenso wichtig aber ist, dass Labors in Entwicklungsl?ndern zu dieser Technologie Zugang haben?, fasst Hervé Vanderschuren zusammen. Er leitete das Maniokforschungsprogramm an der ETH Zürich und ist seit kurzem Professor für Pflanzengenetik an der Universit?t Liège.

Noch unklar ist, wann und wie die Vitamin-B-6-verst?rkte Maniokpflanze den Weg zu den Bauern und Konsumenten findet. So soll das neue Merkmal durch herk?mmliche Zucht in die von Bauern bevorzugten Sorten eingekreuzt oder mit gentechnischen Methoden in ausgew?hlte Varianten eingebracht werden.

Vanderschuren erhofft sich die Transferleistung von afrikanischen Laboren. Er selbst hat schon früher Wissenschaftler vor Ort ausgebildet und Workshops organisiert, um in den Labors Plattformen für die genetische Ver?nderung von Nutzpflanzen aufzubauen. ?Wir hoffen, dass diese Plattformen dabei helfen, die Technologie unter Bauern und Konsumenten zu verbreiten.?

Die nun vorgestellte Methode wurde nicht patentiert. Das Gen-Konstrukt und die Technologie sollen allen Interessierten kosten- und hürdenlos zur Verfügung stehen.

Vertrieb und Gesetzgebung als Herausforderung

Hürden bestehen  jedoch für den Vertrieb und den Anbau der transgenen Maniokpflanzen: ?Die Gesetzgebung für transgene Nutzpflanzen in Entwicklungsl?ndern und die Einführung eines Maniok-Saatgutsystems, auf das alle Bauern zugreifen k?nnen, sind nach wie vor grosse Hindernisse, die die Verbreitung der Vitamin-B6-Variante behindern?, betont Vanderschuren.

Er betreut derzeit zusammen mit der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften Zollikofen (HAFL) ein Projekt in Indien. Davon erhofft er sich unter anderem Richtlinien für die Entwicklung von nachhaltigen Saatgutsystem für Maniok in Indien. ?Von diesem Projekt werden wir auch für die Arbeit in Afrika profitieren k?nnen?, ist er überzeugt.

Zurzeit organisieren in Afrika die einzelnen L?nderorganisationen sowie die FAO und andere NGOs die Verbreitung von Maniok-Stengelschnittgut für den Anbau. Allerdings sei eine bessere und effizientere Organisation für die Verteilung von gesundem Pflanzmaterial dringend n?tig, findet der Forscher.

Von Gesetzesseite ist der Anbau von gentechnologisch ver?ndertem Maniok (und anderen Nutzpflanzen) noch nicht in allen L?ndern geregelt. In mehreren afrikanischen L?ndern wie Uganda, Kenia und Nigeria h?tten Regierungen nun Gesetze für Feldversuche mit genver?nderten Pflanzen erlassen. ?Dies ist ein wichtiger Schritt, damit die verbesserten Sorten unter Feldbedingungen getestet werden k?nnten?, sagt Vanderschuren. ?Um den Anbau von genver?nderten Pflanzen zu erlauben, müssen die jeweiligen Parlamente aber erst weitere Gesetze ausarbeiten.?

Mehr als nur ein Stoff

Vitamin B6 bezeichnet drei sehr ?hnliche Moleküle, n?mlich Pyridoxol, Pyridoxal und Pyridoxamin. Diese sind Vorstufen von Pyridoxalphosphat, welches sich als eines der wichtigsten Co-Enzyme des Organismus‘ am Auf- und Umbau von Proteinen beteiligt. Der menschliche K?rper kann Vitamin B6 nicht selbst herstellen. Deswegen muss dies über die Nahrung zugeführt werden. Einen hohen Vitamin-B6-Gehalt weisen beispielsweise Sojabohnen, Haferflocken, Rinderleber und Vollkornreis auf. Gute Lieferanten sind auch Avocados, Nüsse oder Kartoffeln. Der t?gliche Bedarf eines Erwachsenen liegt bei rund 1,5 bis 2 Milligramm.

Literaturhinweise

Kuan-Te Li et al. Increased bioavailable vitamin B6 in field-grown transgenic cassava for dietary sufficiency. Nature Biotechnology, 8. October 2015, doi: externe Seite10.1038/nbt.3318

Vanderschuren, H. Strengthening African R&D through effective transfer of tropical crop biotech to African institutions. Nature Biotechnology 2012, 30: 1170-1172, doi: externe Seite1038/nbt.2405

Vergr?sserte Ansicht: Photo: Hervé Vanderschuren
Die Wurzelknolle von Maniok enth?lt viel St?rke und geh?rt in vielen tropischen L?ndern zu den Grundnahrungsmitteln. (Bild: Hervé Vanderschuren)
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