Proteom einer ganzen Familie

Anhand von umfassenden Protein-Daten von M?usen haben Forschende der ETH Zürich und der EPFL neue Erkenntnisse gewonnen zum Mechanismus von Stoffwechselkrankheiten. Schlüssel zum Erfolg war dabei, dass die Wissenschaftler die Daten vieler unterschiedlicher, jedoch miteinander verwandter Tiere erhoben haben.

Vergr?sserte Ansicht: Symbolbild Mäuse
Wie wir Menschen unterscheiden sich auch M?use individuell. Kohortenstudien helfen Wissenschaftlern, die molekularen Hintergründe der individuellen Unterschiede zu erkennen (Symbolbild). (Bild: Colourbox)

Wissenschaftler der ETH Zürich und der EPFL führten bei M?usen eine grossangelegte Proteom-Studie durch. Beim Proteom handelt es sich um die Gesamtheit aller Proteine – im vorliegenden Fall jene in der Leber von M?usen. Dabei gewannen die Forschenden neue Erkenntnisse zu molekularen Hintergründen von Krankheiten des Fett- und Energiestoffwechsels. Die Studie war eine Zusammenarbeit der auf Proteomik spezialisierten Forschungsgruppe von ETH-Professor Ruedi Aebersold und der auf Mitochondrien-Physiologie und Leberkrankheiten spezialisierten Gruppe von EPFL-Professor Johan Auwerx.

?Wie bei Menschen gibt es auch bei M?usen individuelle Unterschiede, beispielsweise im Cholesterin-Stoffwechsel oder in der Anf?lligkeit für Stoffwechselerkrankungen wie Fettleber?, sagt Evan Williams, einer der beiden Erstautoren der Studie, die in der neusten Ausgabe der Fachzeitschrift Science ver?ffentlicht wurde. Williams führte die Arbeit als Doktorand an der EPFL durch und ist nun Postdoc an der ETH Zürich. ?Einige dieser Unterschiede liessen sich schon bisher genetisch erkl?ren, jedoch bei Weitem nicht alle?, sagt er.

Neuste Technik

Die Wissenschaftler erhoben daher bei einer grossen M?usegruppe umfassende Protein-Daten, um mit deren Hilfe weitere Stoffwechsel-Unterschiede zu erkl?ren. Sie benutzen dazu eine in der Gruppe von Aebersold an der ETH Zürich entwickelte Massenspektrometrie-Messtechnik, genannt SWATH-MS. Damit massen die Forschenden bei den Versuchstieren die Konzentration einer Vielzahl von Leber-Proteinen.

?Die Messung der Gesamtheit der Proteine ist sehr viel komplexer als jene aller Gene?, erkl?rt Yibo Wu, Postdoktorandin in der Gruppe von Aebersold und ebenfalls Erstautorin der Studie. ?Dank der SWATH-MS-Technik ist es m?glich geworden, in Hunderten von Proben Tausende verschiedene Proteine zu messen.? Im konkreten Fall massen die Forschenden in den Gewebeproben 2600 verschiedene Proteine. Damit solche Proteom-Messungen überhaupt m?glich sind, bedarf es umfangreicher Protein-Datenbanken. Wu war in den vergangenen Jahren massgeblich daran beteiligt, eine solche Datenbank für M?use-Proteine aufzubauen.

Proteom erg?nzt Genom

Die in der Studie untersuchte Kohorte bestand aus 40 Mausst?mmen, die auf nur zwei Ahnentiere zurückgehen und daher eng miteinander verwandt sind. Zwei identische Mausgruppen, die jeweils aus Vertretern aller dieser 40 St?mme bestanden, fütterten die Wissenschaftler entweder mit fettreicher Nahrung – was bei Menschen Junk Food entsprechen würde – oder mit einer gesunden, fettarmen Di?t. ?ber Wochen zeichneten die Wissenschaftler konventionelle medizinische (physiologische) Grunddaten auf. Sie testeten unter anderem die Leistungsf?higkeit der M?use und wie schnell sie bei k?rperlicher Aktivit?t ihr Gewicht reduzierten. Wie die Wissenschaftler erwartet hatten, kamen die Tiere unterschiedlich gut mit fettreicher Nahrung zurecht. Einige Tiere entwickelten Stoffwechselerkrankungen wie Fettleber, andere nicht.

Für die Auswertung kombinierten die Forschenden die physiologischen Daten mit Daten zum Genom (DNA), Transkriptom (RNA) und Proteom. Mit dieser Kombination konnten sie die Rolle mehrerer konkreter Proteine im Fett- und Energiestoffwechsel genauer charakterisieren. Eines davon ist COX7A2L. Wie die Forschenden in dieser Studie herausgefunden haben, ist das Protein bei M?usen dafür verantwortlich, dass sich in den Mitochondrien (den zellinternen ?Kraftwerken?) sogenannte Superkomplexe bilden k?nnen. Diese Superkomplexe bestehen aus über hundert verschiedenen Proteinen. Ihre Aufgabe ist es, den Zellen die ben?tigte Energie in geeigneter Form bereitzustellen. M?use mit zu wenig COX7A2L-Protein k?nnen nicht ausreichend grosse Mengen Energie bereitstellen, mit negativen Auswirkungen auf den ganzen K?rper.

Anwendung in der personalisierten Medizin

Bei dieser Studie handelt es sich um die bisher umfassendste Proteomik-Studie mittels SWATH-MS bei S?ugetieren. Die Technik der ETH-Wissenschaftler steht jedoch auch bereit, um damit in Zukunft Kohortenstudien bei Menschen durchzuführen: Die Forschenden der Aebersold-Gruppe haben eine entsprechende Datenbank mit Tausenden menschlicher Proteine erstellt. ?Ganz ?hnlich wie die Mausst?mme in dieser Studie unterscheiden sich auch Patienten, die an einer bestimmten Krankheit leiden?, sagt ETH-Professor Aebersold. ?Den hier in der M?usekohorte verfolgten Ansatz kann man eins zu eins in der Erforschung menschlicher Krankheiten und insbesondere in der personalisierten Medizin anwenden.?

Literaturhinweis

Williams EG, Wu Y et al.: Systems proteomics and trans-omic integration illuminate new mechanisms in mitochondrial function. Science, 9. Juni 2016, doi: externe Seite10.1126/science.aad0189

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