Der Boden, die Bohnen und das Cadmium

Kakao aus Lateinamerika enth?lt oft mehr Cadmium als Kakao aus anderen Anbaugebieten. ETH-Forschende machten sich in Honduras und Bolivien auf die Suche nach der Ursache.

Lokale Projektmitarbeiter entnehmen rund um einen Kakaobaum eine Bodenprobe, um den Cadmium-Gehalt zu bestimmen. (Bild: Anja Gramlich / ETH Zürich)
Lokale Projektmitarbeiter entnehmen rund um einen Kakaobaum eine Bodenprobe, um deren Cadmium-Gehalt zu bestimmen. (Bild: Anja Gramlich / ETH Zürich)

Vor ein paar Jahren ging ein Aufschrei durch die Presse. Deutsche Wissenschaftler fanden heraus, dass Bitterschokolade bedeutende Mengen des giftigen Schwermetalls Cadmium enthalten kann. Besonders stark belastet sind Kakaobohnen aus Lateinamerika. Durch regelm?ssigen Konsum von Bitterschokolade (mit hohem Kakaoanteil) k?nnen Konsumenten über Jahre beachtliche Mengen Cadmium zu sich nehmen.

Die EU beschloss deshalb, Cadmium-Grenzwerte für Kakaoprodukte auf Anfang 2019 einzuführen. Ab dann darf eine 100-Gramm-Tafel Bitterschokolade mit mehr als 50 Prozent Kakaogehalt maximal 0,08 Milligramm Cadmium enthalten.

Vielen Kleinbauern, für die Kakao eine der wichtigsten Einkommensquellen ist, k?nnten diese Grenzwerte ans Eingemachte gehen. Aber auch Schokoladeproduzenten sind gefordert. ?Zu viel Cadmium im Kakao ist insbesondere für Vermarkter von Bio-Schokolade problematisch, da diese noch tiefere Werte als Qualit?tsziel verwenden?, sagt Rainer Schulin, Professor für Bodenschutz am Institut für terrestrische ?kosysteme der ETH Zürich.

Er hat deshalb 2014 ein Projekt gestartet, mit dem er die Cadmium-Problematik in Lateinamerika mit Schwerpunkt Honduras und Bolivien untersucht hat. Das Vorhaben wurde zusammen mit dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau in Frick (FiBL) im Rahmen des ETH-Kompetenzzentrums World Food System (WFSC) durchgeführt.

Vergr?sserte Ansicht: Aufgebrochene Kakaofrucht: Die weissen Bohnen werden zu Kakao weiterverarbeitet.
Aufgebrochene Kakaofrucht: Die weissen Bohnen werden zu Kakao weiterverarbeitet.
Vergr?sserte Ansicht: Projektmitarbeiter nehmen von den Kakaofrüchten Proben.
Projektmitarbeiter nehmen von den Kakaofrüchten Proben.

Schwemmb?den stark belastet

Die Ergebnisse der Studie, die nun am ersten Symposium des World Food System der ETH Zürich vorgestellt wird, zeigen, dass die Cadmiumbelastung von B?den (und der Kakaobohnen) in Honduras sehr heterogen ist. In Schwemmgebietsb?den und in vulkanischen B?den fand Schulins Mitarbeiterin Anja Gramlich erh?hte pflanzenverfügbare Werte des Schwermetalls. In andern Probefl?chen lag die Belastung tiefer.

Im Durchschnitt lag der totale Cadmium-Gehalt bei 0,3 Milligramm pro Kilogramm Boden – das ist vergleichbar mit dem ?Hintergrundrauschen?, das auch in Schweizer B?den zu finden ist. Als kontaminiert gilt ein Boden hier, wenn er 0,8 Milligramm oder mehr Cadmium pro Kilogramm Boden enth?lt.

Wies der Boden einen hohen pflanzenverfügbaren Cadmium-Gehalt auf, waren auch die Kakaobohnen stark belastet. ?berraschend hoch war der Cadmium-Gehalt von B?den und Bohnen in teilweise abgelegenem Hügelland, weitab von Industrie und intensiver Landwirtschaft. Die meisten Plantagen werden nur extensiv als Agrarwaldwirtschaft betrieben, wo kaum Kunstdünger oder Pestizide – beides k?nnen Cadmium-Quellen sein - eingesetzt werden.

Die Forschenden konnten deshalb ausschliessen, dass die Bewirtschaftungsmethode den Cadmium-Gehalt des Bodens erh?ht. ?Wir haben keinen konkreten Hinweis auf eine menschliche Ursache?, sagt Gramlich. ?Das Cadmium stammt praktisch ausschliesslich aus dem Muttergestein.?

Basische B?den setzen Cadmium fest

Anders in Bolivien. Dort fanden die Forschenden zwar an einigen Stellen erh?hte totale Cadmium-Mengen im Boden, nicht aber in den Kakaobohnen von B?umen, die auf diesen B?den wuchsen. Gramlich erkl?rt sich dies dadurch, dass die getesteten B?den in Bolivien weniger sauer waren als diejenigen in Honduras. Eine Rolle spielt zudem, wie viel Ton und organisches Material ein Boden enth?lt. ?Beides bindet Cadmium. So ist es für die Pflanzen nicht mehr gut verfügbar.?

Ob auch die Kakaosorte einen Einfluss auf den Cadmium-Gehalt der Bohnen hat, ist noch unklar. Entsprechende Untersuchungen dazu, auch genetische, laufen derzeit. Erst wenn diese Untersuchung abgeschlossen sei, k?nne man allenfalls gewisse Sorten zum Anbau auf B?den mit erh?hten pflanzenverfügbaren Cadmium Gehalten empfehlen, sagt Gramlich.

Muttergestein als Quelle

Cadmium kommt natürlicherweise in B?den vor, andererseits gelangt es durch die Bewirtschaftung oder über Luftverschmutzung dorthin. ?Bisherige Daten aus Lateinamerika genügten nicht, um die Faktoren, die für den hohen Cadmium-Gehalt in den B?den und Bohnen verantwortlich sind, eindeutig zu identifizieren?, betont Schulin. ?Wir mussten daher zuerst solide Daten beschaffen, um den Zusammenhang von pflanzenverfügbarem Cadmium und der Bewirtschaftung oder dem geologischen Untergrund aufzeigen zu k?nnen.?

Diese Daten beschaffte Gramlich mit Feldversuchen in Kakaoplantagen in Honduras und Bolivien. Sie sammelte und analysierte sie Bodenproben sowie Teile des Kakaobaums wie Wurzeln, Bl?tter und die Bohnen.

Im Labor bestimmte die ETH-Forscherin neben dem Cadmium-Gehalt unter anderem den S?uregrad der Bodenproben – saurer Boden macht mehr Cadmium verfügbar –, die Menge an organischem Kohlenstoff und Phosphor. In den Pflanzenproben analysierte sie neben Cadmium auch die Spurenelemente Zink und Eisen. Die erhaltenen Werte setzte sie in Bezug zum Gesamt-Cadmiumgehalt der Kakaobohnen.

Belasteter Kakao senkt Einkommen

Ist auch eine Sitzstange für Hühner: Kakao wird oft von Kleinbauern in extensiver Agrarwaldwirtschaft angebaut. (alle Bilder Anja Gramlich/ETH Zürich)
Ist auch eine Sitzstange für Hühner: Kakao wird oft von Kleinbauern in extensiver Agrarwaldwirtschaft angebaut. (alle Bilder Anja Gramlich/ETH Zürich)

Für die Kleinbauern kann die Cadmium-Belastung ihrer Kakaobohnen ein wirtschaftliches Problem sein. Mit belastetem Kakao erzielen sie weniger Einkommen. Die Bauern müssen dann an Grossh?ndler verkaufen, welche damit keine hochwertige Schokolade herstellen, sondern billige Massenware. Indem grosse Hersteller wie Mars Kakaobohnen aus verschiedenen Anbauregionen aufkaufen und mischen, k?nnen sie den Cadmium-Gehalt in ihren Produkten tief halten.

Noch ist nicht klar, wie die Bauern die Belastung ihres Kakaos senken k?nnen. Eine einfache Massnahme ist, beim Anlegen neuer Plantagen zuerst den pflanzenverfügbaren Cadmium-Gehalt des Bodens zu messen, ehe die B?ume gepflanzt werden. Werden erh?hte Werte gefunden, kann allenfalls eine andere Nutzpflanze wie Kaffee angebaut werden.

Den Boden kalken

Ein anderer Ansatz ist die Kalkung des Bodens. In einem Versuch in Peru haben die Forscher B?den rund um Kakaob?ume mit Kalk behandelt. Das macht ihn weniger sauer, sodass das Schwermetall Cadmium für die Pflanzen schlechter verfügbar ist. Erste Messungen zeigten, dass die Massnahme tats?chlich die Menge an pflanzenverfügbarem Cadmium senkt. ?In den Bohnen selbst haben wir allerdings noch keinen Effekt nachweisen k?nnen. Dazu war die Zeit zu kurz?, sagt Schulin. Die Bohnen brauchen ein halbes Jahr bis sie reif sind. ?Leider konnte aus Sicherheitsgründen, die nichts mit dem Versuch an sich zu tun haben, bisher keine weitere Beprobung durchgeführt werden.?

Er findet aber, dass wegen Cadmium niemand auf den Verzehr von dunkler Schokolade verzichten muss. Das Schwermetall sei auch in Getreide oder Gemüse enthalten. Zudem nehmen Raucher über den Tabakrauch nennenswerte Cadmium-Mengen – bis zur H?lfte des von der WHO empfohlenen Toleranzwertes - auf. ?Mit diesen Lebens- und Genussmitteln nehmen wir einen relevanten Teil der t?glichen Cadmium-Dosis auf, da liegt ein Stückchen dunkle Schokolade alleweil drin?, sagt der ETH-Professor.

Dieses Forschungsprojekt wurde finanziert durch das WFSC Coop Research Program.

Erstes Symposium des World Food System Center

Am 4. November findet an der ETH Zürich das erste Symposium des World Food System Centers statt. Dabei stellen Forscherinnen und Forscher Projekte vor, die in den vergangenen Jahren im Rahmen der ersten Ausschreibung des WFSC Coop Forschungsprogramms oder des Mercator-Programms durchgeführt wurden. Eine Pr?sentation von weiteren Forschungsresultaten auf Postern erg?nzt die sechs Vortr?ge. Der Eintritt ist frei, eine vorg?ngige (kostenlose) Anmeldung ist unter externe Seitehttp://bit.ly/2eL4cRL n?tig.

2016 WFSC Symposium, 4. November 2016, 17.30 - 20.15 Uhr, ETH Zürich Hauptgeb?ude (HG E1.2), R?mistrasse 101, 8092 Zürich

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert