Entzündung weckt Schläfer

Ausgerechnet die Entzündungsreaktion, welche Darmerkrankungserreger abwehren soll, macht diese noch schlimmer. Der Grund dafür sind spezielle Viren, welche ihr Erbgut in Salmonellen integrieren, wodurch die Erreger weiter erstarken.

Vergr?sserte Ansicht: Bakteriophage
Phagen attackieren das Darmbakterium E.coli, einen nahen Verwandten von Salmonella Typhimurium. Viele bakterielle Krankheitserreger wie Salmonellen-St?mme erhalten von ihren Viren neue Gene, welche die Evolution von Pathogenen vorantreiben. (Bild: Graham Beards, CC BY-SA 3.0)

Bakteriophagen (Kurzform: Phagen) sind Viren, welche Bakterien befallen. Die ?Guten?, die sogenannten lytischen Phagen, t?ten für den Menschen sch?dliche Bakterien ab und finden teilweise in der Medizin Verwendung; die ?bad guys?, die temperenten Phagen, hingegen übertragen ihre Gene in Mikroorganismen und verleihen ihnen dadurch neue Eigenschaften, wie etwa die F?higkeit, ein Toxin herzustellen. Die ?bertragung von temperenten Phagen gilt daher als treibende Kraft hinter der Entwicklung von Bakterien zu potenten Krankheitskeimen (siehe Box).

Forscher um ETH-Professor Wolf-Dietrich Hardt zeigen nun am Beispiel von Salmonellen, einem h?ufigen Erreger von Magen-Darmerkrankungen, dass die k?rpereigene Entzündungsreaktion die ?bertragung von Phagen-Genen auf die Bakterien sogar f?rdert und damit die Pathogenit?t der Salmonellen erh?ht wird. Ihre Studie erschien soeben in der Fachzeitschrift ?Science?.

H?chst effizienter Gen-Transfer

Um herauszufinden, wie schnell sich temperente Phagen innerhalb einer Salmonellenpopulation verbreiten, infizierten die Forscher M?use mit zwei verschiedenen St?mmen von Salmonellen. Der eine Stamm trug den Phagen ?SopE-Phi?, w?hrend er dem anderen fehlte.

Die Salmonellen l?sten im Darm der Tiere eine Entzündung aus. Dies führte zu einer wichtigen Ver?nderung im Salmonella-Stamm, der Phagen-Gene in sich trug: Die Phagen-Gene wurden exprimiert, die Phage vervielf?ltigt und schliesslich freigesetzt. Dabei starb die Salmonellenzelle ab. Die freien Phagen schw?rmten aus und enterten den zweiten Salmonella-Stamm, um sich dort weiter zu vermehren. Dabei übertrugen die Phagen ihre Gene in fast alle Zellen jenes Stammes, der bis dahin frei von Phagen-Genen war.

Dieser sogenannte horizontale Gen-Transfer war manchmal schon nach drei Tagen abgeschlossen. ?Der Gen-Transfer ist extrem effizient. Das hat uns überrascht?, sagt Hardt, der eine solch rasche Durchseuchung des bis dahin unbelasteten Salmonellenstamms nicht erwartet hat.

Virus ist mit Alarmsystem vernetzt

?Die Effizienz des Vorgangs l?sst sich mit bisherigem Lehrbuchwissen erkl?ren?, sagt Mérédic Diard, Postdoktorand in Hardts Gruppe, der die Studie durchführte. Sobald die Bakterienzelle von Entzündungsfaktoren wie reaktiven Sauerstoff- oder Stickstoffradikalen angegriffen wird, setzt sie ein SOS-Signal ab, welches ein zelleigenes Reparaturprogramm startet. Dieses Signal wiederum ist für die im Erbgut schlummernden Phagen ein Weckruf. ?Unsere Resultate zeigen, dass die Entzündung des Darms den horizontalen Gentransfer durch Phagen – ein wichtiger Evolutionsmechanismus von Mikroorganismen - f?rdert?, erkl?rt Hardt.

Solange die Entzündung anh?lt, produzieren auch die frisch infizierten Salmonellen weitere Phagen, die wiederum weitere Salmonellen infizieren. Verhindern l?sst sich diese Kettenreaktion, wenn das spezifische Immunsystem ins Geschehen eingreift. Es schickt spezifische Antik?rper gegen die Salmonellen an den Ort der Infektion.

Durch eine Impfung kann man diese Gefahr einer Phagenfreisetzung verringern: In geimpften Tieren werden die Salmonellen daran gehindert eine Darmentzündung auszul?sen. Die verhindert ganz nebenbei auch die SOS-Antwort und die Phagenproduktion.

Virus als Profiteur

Diard h?lt es für m?glich, dass Phagen die Bakterien ?steuern?, damit diese noch effizienter eine Entzündung im Darm ausl?sen. Das f?rdert die Vermehrung des Virus‘ im Darm. Das mag auch ein Grund dafür sein, dass viele Phagen Gene zur Toxinbildung an die Bakterien weitergeben. Phagen-kodierte Giftstoffe k?nnten genau die Bedingungen im Darm von Opfern hervorrufen, welche die Phagen-Produktion anheizen. ?Phagen sind ?egoistisch“. Der durch Salmonellen verursachte Durchfall kann deshalb als Kollateralschaden der Phagenevolution betrachtet werden?, sagt Hardt.

Wie das Cholera-Bakterium teuflisch gut wurde

Cholera ist eine weltweit verbreitete, gefürchtete Durchfallerkrankung, ausgel?st durch das Bakterium Vibrio cholerae. Das war nicht immer so. Der Vorfahre des Cholera-Erregers war ein harmloses Brackwasser-Bakterium vor der Küste Bangladeschs. Eine Phage infizierte jedoch dieses Bakterium und baute seine DNS in das Bakteriengenom ein, darunter ein Gen zur Bildung des Cholera-Toxins. Dadurch verwandelte sich das harmlose Bakterium in einen gefürchteten Krankheitserreger. Offenbar verschaffte das Toxin-Gen dem Bakterium einen evolutiven Vorteil. Heute ist der Cholera-Erreger rund um den Globus verbreitet und sorgt immer wieder – insbesondere nach Naturkatastrophen oder in Krisengebieten – für Epidemien, die viele Opfer fordern.

Literaturhinweis

Diard M et al. Inflammation boosts bacteriophage transfer between Salmonella spp. Science 17 Mar 2017: Vol. 355, Issue 6330, pp. 1211-1215. DOI: externe Seite10.1126/science.aaf8451

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