Detaillierter Blick auf molekularen Gifttransporter
Transportproteine in unseren K?rperzellen schützen uns vor gewissen Vergiftungen. Forschende der ETH Zürich und der Universit?t Basel haben nun die hochaufgel?ste dreidimensionale Struktur eines bedeutenden menschlichen Transportproteins aufgekl?rt. Langfristig k?nnte dies helfen, neue Medikamente zu entwickeln.
Fast alle Lebewesen haben im Lauf der Evolution Mechanismen entwickelt, um Giftstoffe, die ins Innere ihrer Zellen gelangt sind, wieder loszuwerden: In der Zellmembran sitzen molekulare Pumpen, die sch?dliche Stoffe im Zellinnern erkennen und nach aussen spedieren. Forschende der ETH Zürich und vom Biozentrum der Universit?t Basel haben nun die dreidimensionale Struktur eines solchen Transportproteins beim Menschen – des Proteins ABCG2 – auf atomarer Ebene aufgekl?rt. Es ist dies die erste solche Struktur für einen menschlichen multispezifischen Arzneistofftransporter (engl. multi-drug transporter), die nun bekannt ist. Die Wissenschaftler ver?ffentlichten ihre Arbeit in der jüngsten Ausgabe des Fachmagazins Nature.
?Das Protein ABCG2 erkennt und transportiert mindestens 200 bekannte Stoffe?, erkl?rt Kaspar Locher, Professor für Molekulare Membranbiologie an der ETH Zürich und Leiter der Studie. Zu diesen Stoffen geh?ren Alkaloide – Pflanzeninhaltsstoffe, die wir über die Nahrung aufnehmen –, aber auch k?rpereigene Stoffe wie Harns?ure oder der H?moglobin-Abbaustoff Bilirubin.
Aktiv ist das Protein unter anderem in der Darmwand, wo es sch?dliche Stoffe daran hindert, ins Blut zu gelangen, oder in den Zellen der Blut-Hirn-Schranke, wo es Giftstoffe vom Gehirn fernh?lt. Bedeutend sind Proteine wie ABCG2 auch in Milchdrüsen und in der Plazenta. Dort sorgen sie dafür, dass Giftstoffe nicht in die Muttermilch gelangen oder in den Blutkreislauf eines ungeborenen Kindes.
Zweischneidiges Schwert
Allerdings hat die Funktion von multispezifischen Arzneistofftransportern eine Kehrseite: Die Proteine pumpen auch gewisse Medikamente aus den Zellen und verhindern so, dass diese im Zellinnern wirken. ?Bei der Entwicklung von Medikamenten muss daher immer untersucht werden, ob sie von Transportproteinen wie ABCG2 erkannt werden?, sagt Locher. Medikamente, die oral verabreicht werden, müssen die Darmwand durchdringen, und solche, die im Gehirn wirken sollen, müssen die Blut-Hirn-Schranke passieren. Sie k?nnen dies nur, wenn ABCG2 sie nicht erkennt.
Von einigen Krebsmedikamenten (Chemotherapeutika) hingegen ist bekannt, dass ABCG2 sie erkennt. Dies ist gravierend, weil gewisse Tumorzellen in der Lage sind, die Zahl der ABCG2-Proteine in ihrer Zellmembran zu erh?hen. Solchen Zellen pumpen Chemotherapeutika effizient nach aussen – sie sind gegen die Medikamente resistent.
Medikamentenentwicklung mit dem Computer
Dank der nun bekannten Struktur von ABCG2 k?nnten Wissenschaftler künftig am Computer simulieren, ob das Transportprotein neue Arzneimittel erkennen kann. Ebenfalls mithilfe von Computermodellierungen k?nnten Forschende bessere Antik?rper für die Diagnose medikamentenresistenter Krebszellen entwickeln oder Wirkstoffe, welche das Transportprotein hemmen. Mit solchen Wirkstoffen k?nnten bestimmte Resistenzen gegenüber Chemotherapeutika überwunden werden. ?Die Beitr?ge unserer Forschung für die Medizin und insbesondere die Krebsmedizin sind jedoch l?ngerfristig zu sehen. Wir liefern in erster Linie die Grundlage?, betont Locher.
ABCG2 ist ein sehr bewegliches Molekül. Es war deshalb schwierig, das Molekül für die Aufkl?rung seiner atomaren Struktur festzuhalten. Mithilfe von stabilisierenden Antik?rpern ist es den Wissenschaftlern jedoch gelungen, das Protein zu immobilisieren. Die dreidimensionale Struktur bestimmten die ETH-Forschenden in Zusammenarbeit mit Henning Stahlberg, Professor am Biozentrum der Universit?t Basel, und seiner Gruppe mittels der Kryo-Elektronenmikroskopie. ?Wir haben in der letzten Zeit intensiv daran gearbeitet, unsere Elektronenmikroskope in deren Aufl?sungsverm?gen zu optimieren und gleichzeitig weitgehend zu automatisieren. So haben wir eine unglaublich schnelle Analysepipeline geschaffen?, sagt Stahlberg.
Die Kryo-Elektronenmikroskopie ist eine verh?ltnism?ssig neue Technologie zur Aufkl?rung atomarer Molekülstrukturen. ?Die Technik hat in der Strukturbiologie eine Revolution ausgel?st?, sagt Locher. In Anbetracht dieser Bedeutung wird die ETH Zürich weiter in die Methode investieren und am Mikroskopiezentrum ScopeM ein zweites hochaufl?sendes Kryo-Elektronenmikroskop anschaffen. Es wird allen Wissenschaftlern der Life Sciences zur Verfügung stehen, um Moleküle und Strukturen mit atomarer Aufl?sung zu untersuchen.
Die Studie wurde finanziert vom Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) externe Seite Transcure.
Literaturhinweis
Taylor NMI, Manolaridis I, Jackson SM, Kowal J, Stahlberg H, Locher KP: Structure of the human multidrug transporter ABCG2. Nature, 29. Mai 2017, doi: externe Seite 10.1038/nature22345