Hochspannung für den Teilchenbeschleuniger der Zukunft

Forschende der ETH Zürich entwickelten im Auftrag des Cern ein Hightech-Ger?t zur Erzeugung von sehr pr?zisen Hochspannungspulsen. Es k?nnte in der n?chsten Generation von Teilchenbeschleunigern zum Einsatz kommen.

Vergr?sserte Ansicht: Pulsgenerator
Postdoc Sebastian Blume hat den Pulsgenerator w?hrend seiner Doktorarbeit massgeblich mitentwickelt. (Bild: ETH Zürich / Peter Rüegg)

Die bekannteste Anwendung von Hochspannungspulsen ist wohl die in elektrischen Weidez?unen. Doch auch Teilchenbeschleuniger an Grossforschungsanlagen wie dem Cern in Genf sind auf Hochspannungspuls-Generatoren angewiesen – solche, die im Unterschied zu Weidezaunger?ten Pulse mit sehr viel h?herer Energie und h?herer Spannung erzeugen. Am Cern laufen derzeit die Vorarbeiten für das n?chste Grossforschungsprojekt ab 2025. Einer von zwei Projektkandidaten ist der Bau eines 50 Kilometer langen Linearbeschleunigers in einem Tunnel, der von Nyon bis zum Rhone-Durchbruch bei Bellegarde in Frankreich reichen soll (Projekt Clic, siehe Kasten). Im Rahmen einer Zusammenarbeit mit dem Cern entwickelten Forschende der ETH Zürich einen für diesen Beschleuniger ben?tigten Pulsgenerator. Vor wenigen Tagen lieferten sie ihren Prototypen ans Cern. Dort wird er nun auf Herz und Nieren geprüft.

Der rund drei Kubikmeter grosse Pulsgenerator erzeugt aus der 400-Volt-Spannung des ?ffentlichen Stromnetzes Pulse von 180‘000 Volt, die exakt 140 Millionstelsekunden dauern. Damit das ?ffentliche Stromnetz gleichm?ssig belastet und nicht durch Pulsspitzen gest?rt wird, werden im Innern des Pulsgenerators 8 grosse und beinahe 200 kleine Kondensatoren (Zwischenspeicher) kontinuierlich geladen und dann 50 mal pro Sekunde entladen. Ein speziell entwickelter Transformator sorgt dafür, dass die gewünschte Ausgangsspannung m?glichst schnell und effizient erreicht wird.

Mehrere Hundert Beschleunigungsstufen

Vergr?sserte Ansicht: Pulsgenerator
Der Pulsgenerator im ETH-Labor kurz vor dem Transport nach Genf. (Bild: ETH Zürich / Peter Rüegg)

Im m?glichen zukünftigen Cern-Grossforschungsprojekt werden Elektronen und Positronen (Elektron-Antiteilchen) beschleunigt. ?Diese Beschleunigung geschieht in einem Klystron. Dieses Ger?t ist auf die Hochspannungspulse angewiesen, die unser Pulsgenerator liefert?, erkl?rt Jürgen Biela, Professor für Hochleistungselektronik an der ETH Zürich. In einem Klystron werden die 140 Mikrosekunden dauernden Pulse genutzt, um daraus ein sehr hochfrequentes Wechselfeld zu erzeugen. Und in diesem Wechselfeld werden Elektronen beziehungsweise Positronen beschleunigt.

Falls der Clic-Beschleuniger gebaut wird, braucht es dafür über tausend Klystrone, um Elektronen und Positronen stufenweise bis auf nahezu Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen. Jedes Klystron würde von einem eigenen Pulsgenerator gespeist.

Echtzeitmessung für maximale Effizienz

Zu den gr?ssten Herausforderungen für die ETH-Wissenschaftler geh?rte, den Pulsgenerator so zu bauen, dass die erzeugten Pulse alle exakt gleich lang und ihre Spannung mit einer relativen Toleranz von bloss einem Hundertausendstel gleich hoch sind. Ausserdem war es eine Vorgabe des Cern, dass bei einem Puls die Spannung extrem schnell von 0 Volt auf 180‘000 Volt und sp?ter wieder zurück springt. Um dies zu erreichen, misst das Ger?t den Stromfluss hunderttausend Mal pro Sekunde und steuert ihn in Echtzeit.

?Bei einem langsameren Pulssprung würde mehr ungenutzte Leistung an das Klystron übertagen, was die Energieeffizienz des Pulsgenerators schm?lern würde?, erkl?rt Sebastian Blume. Er war im Rahmen seiner Doktorarbeit in Bielas Labor massgeblich an der Entwicklung des Pulsgenerators beteiligt. Die Effizienz ist nur schon daher zentral, weil es um verh?ltnism?ssig hohe Energiemengen geht: Ein Pulsgenerator hat eine mehr als hundertmal h?here Leistung als eine Waschmaschine oder ein grosser Staubsauger.

Bereits an der Entwicklung der Pulsgeneratoren für SwissFEL, der vor wenigen Monaten eingeweihten Synchrotron-Strahlungsquelle am Paul-Scherrer-Institut, war ETH-Professor Biela massgeblich beteiligt. Dies im Rahmen eines gemeinsamen Projekts mit der Schweizer Elektrotechnikfirma Ampegon.

Linearbeschleuniger oder Ringbeschleuniger?

Der Teilchenbeschneuniger LHC (Large Hadron Collider) am Cern wird voraussichtlich noch bis 2035 oder 2040 betrieben. Für die Zeit danach werden derzeit zwei m?gliche Grossforschungsprogramme diskutiert, die in Konkurrenz zueinander stehen. Welches davon umgesetzt wird, entscheidet das Cern voraussichtlich innerhalb der n?chsten drei Jahre.

Beim Projekt Clic (Compact Linear Collider) sollen in einem 50 Kilometer langen Tunnel von einem Ende Elektronen und vom anderen Ende Positronen zur Tunnelmitte hin beschleunigt und dort miteinander zur Kollision gebracht werden. Mit einem solchen Linearbeschleuniger k?nnen Elementarteilchen wie das Higgs-Boson sehr viel genauer vermessen werden als dies mit dem LHC derzeit m?glich ist oder mit zweiten diskutierten Zukunftsprojekt FCC (Future Circular Collider) m?glich würde.

Bei letzterem steht ein Beschleunigerring mit einem Umfang von 80 bis 100 Kilometern zur Diskussion. Zum Vergleich: Der LHC hat einen Umfang von 27 Kilometern. Mit dem FCC würde man eine siebenmal h?here Kollisionsenergie erreichen als mit dem LHC. Er h?tte gegenüber Clic den Vorteil, dass man damit besser neue grundlegende Effekte und Teilchen entdecken k?nnte.

Vergr?sserte Ansicht: Karte von Genf
Genf, der Genfersee und der sich in Betrieb befindliche Teilchenbeschleuniger LHC am Cern. In gestrichelten Linien sind die m?glichen zukünftigen Teilchenbeschleuniger Clic und FCC dargestellt. (Karte: Google Earth)
JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert