Spektakuläre Bilder dank effizientem Algorithmus
Aufnahmen spektakul?rer Actionszenen sind teuer und die gestalterischen M?glichkeiten oft begrenzt. Ein ETH-Doktorand hat einen Algorithmus entwickelt, mit dem Drohnen gewünschte Bildkompositionen eigenst?ndig umsetzen k?nnen.
Wenn James Bond in ?Skyfall? auf dem Dach eines durch die Wüste brausenden Zugs versucht seinen Gegner unsch?dlich zu machen, kleben die meisten Zuschauer wie gebannt an der Leinwand. Die Spannung entsteht durch eine Reihe von schnell wechselnden Einstellungen: Ein Close-up von Bonds Gesicht, dann eine Halbtotale der Kampfszene und schliesslich eine Supertotale von Zug, Wüste und den k?mpfenden M?nnern. Das Abfilmen dieser Szene war mit einem enormen personellen, materiellen und technischen Aufwand verbunden. Mehrere Kameraleute waren an unterschiedlichen Standorten stundenlang im Einsatz. Und für die spektakul?ren Nahaufnahmen musste sogar ein Kamerakran auf dem Zugdach aufgebaut werden.
Tobias N?geli, Doktorand am Advanced Interactive Technologies Lab von ETH-Professor Otmar Hilliges, ist überzeugt, dass sich solche Szenen auch mit weniger Aufwand filmen lassen. Gemeinsam mit Forschern der Delft University of Technology und des ETH-Spin-off Embotech hat er einen Algorithmus entwickelt, der es Drohnen erm?glichen soll, dynamische Szenen selbst?ndig so zu filmen, wie sie von Regisseuren und Kameraleuten ausgedacht werden.
Kontrolle über Bildausschnitt behalten
Drohnen werden seit Jahren zum Filmen eingesetzt. Doch für gute Aufnahmen sind meist zwei erfahrene Experten notwendig – einer für die Steuerung der Drohne und einer für die Einstellung der Kamera. Das ist aufwendig und kostet viel Geld. Zwar gibt es heute schon kommerzielle Kameradrohnen, die einer zuvor definierten Person selbst?ndig folgen k?nnen. ?Doch dabei verliert der Regisseur die Kontrolle über den Bildausschnitt und die M?glichkeit mehrere Personen gleichzeitig im Bild zu behalten?, sagt N?geli. ?Wir haben deshalb eine intuitive Steuerung entwickelt.?
Zur Erkl?rung des Systems macht N?geli eine Analogie zu Staubsauger-Robotern: ?Wir geben dem Roboter nicht den exakten Weg vor, den dieser abfahren soll. Wir definieren nur das Ziel; n?mlich dass der Raum am Ende sauber sein soll.? Auf den Film übertragen heisst das: Für den Regisseur ist nicht wichtig, wo genau sich die Drohne zu einem bestimmten Zeitpunkt befindet. Hauptsache, die Kameraeinstellung entspricht am Ende seinen Vorstellungen.
Diese ?bersetzungsleistung von Kameramann zu Drohne übernimmt N?gelis Algorithmus. Parameter, wie der Bildausschnitt, die zu verfolgende Person oder Kranen- sowie Kamerafahrten lassen sich darüber vor dem Flug definieren. Hinzu kommen zugunsten der Sicherheit r?umliche Begrenzungen, innerhalb derer sich die Drohne frei bewegen kann. Der genaue Weg und Zeitpunkt für Richtungs?nderungen werden von der Drohne 50 Mal pro Sekunde neu berechnet. Die dafür ben?tigen Daten stammen von GPS-Sensoren.
Low cost-Equipment und effizienter Algorithmus
Für einen ersten Machbarkeitsnachweis nutzte N?geli eine einfache Drohne, die über das Internet für weniger als 500 Franken zu kaufen ist. Der Algorithmus l?uft nicht auf der Drohne selbst, sondern auf einem externen Laptop, der über Funk und Richtstrahlantenne mit der Drohne verbunden ist. Damit sind Flüge bis zu einer Reichweite von eineinhalb Kilometern m?glich. ?Das reicht für die meisten angedachten Anwendungen?, kommentiert N?geli.
In einer ersten Publikation anfangs Jahr bewies N?geli gemeinsam mit Forschern des Massachusetts Institute of Technology (MIT), dass die Drohne zuvor definierte Shots unter Berücksichtigung von Bildausschnitt sowie Position und Winkel eines Schauspielers im Bild selbst?ndig ausführen kann.
Dabei erkennt die Drohne auch st?rende Objekte und weicht diesen automatisch aus. Für eine zweite Publikation beauftragte N?geli die Filmemacherin Christina Welter der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) damit, eine Szene mit vorgegebener Handlung zu skizzieren, für die normalerweise mehrere Kameras und Schienen für Kamerafahrten n?tig w?ren. N?geli programmierte zwei untereinander kommunizierende Drohnen mit den entsprechenden Regieanweisungen.
Damit gelingen ihm auch traditionell schwierig umsetzbare Aufnahmen, wie eine Kamerafahrt durch ein offenes Fenster oder das Filmen mit zwei Kameras in einem engen Innenraum. Durch entsprechende Programmierung konnte N?geli ausserdem verhindern, dass sich die Drohnen gegenseitig ins Bild flogen.
Die Kameraleute der ZHdK standen N?gelis Innovation skeptisch gegenüber, schliesslich ist die Komposition eines guten Bildes ein hart erlerntes Handwerk. ?Wir wollen aber auf keinen Fall den Regisseur oder die Kameraleute ersetzen?, erkl?rt N?geli. ?Vielmehr soll unser System die Palette an Werkzeugen von Filmemachern erweitern und zuvor unm?gliche oder nur mit sehr viel Aufwand verbundene Einstellungen erm?glichen.?
Einsatz für Sportübertragungen und Inspektionen
N?geli spielt derzeit mit dem Gedanken, nach Abschluss seiner Doktorarbeit einen Spin-off zur Vermarktung der Technologie zu gründen. Die ETH Zürich hat bereits ein Patent für den Algorithmus angemeldet. N?geli ist überzeugt, dass Medien- und Filmproduktionen ein Interesse daran haben k?nnten. Dies zeigt unter anderem ein Forschungsprojekt mit Beteiligung von Deutsche Welle und der italienischen RAI, das von der EU im Rahmen von Horizon 2020 gef?rdert wird.
Ein erstes Einsatzgebiet für die Algorithmen sieht N?geli nicht in Filmstudios, sondern bei Sportübertragungen fürs Fernsehen, zum Beispiel für Skirennen. ?Dort sind dynamische Aufnahmen ?usserst gefragt?, sagt N?geli. ?Doch manuell geflogene Filmdrohnen k?nnen die Athleten gef?hrden, wie Drohnenabstürze in der Vergangenheit gezeigt haben.? Heute werden deshalb meist ?Spidercams? eingesetzt, wie zum Beispiel an der Ski-WM in St. Moritz. Die Kamera l?uft an einem Drahtseil über dem Athleten mit. Dass auch dies nicht ungef?hrlich ist, zeigte die Kollision eines Flugzeugs mit der Installation in St. Moritz im Februar. ?Wir machen eigentlich dasselbe wie Spidercams, nur virtuell und ohne Kabel?, sagt N?geli. ?Wir k?nnen zuvor virtuelle Flugstrassen anlegen, die verhindern, dass die Drohnen einen minimalen Sicherheitsabstand zum Athleten unterschreiten.?
Auch für Inspektionen von Industrieanlagen k?nnten die Algorithmen eingesetzt werden, zum Beispiel bei Windr?dern, die Mithilfe von Drohnen auf Defekte abgesucht werden. Oder zu Transportzwecken: So k?nnte man Luftkorridore definieren, in welchen bei Notf?llen Blutkonserven oder Spenderorgane sicher transportiert werden k?nnen. ?Innerhalb dieses Korridors k?nnte die Drohne selbst?ndig die schnellste und sicherste Flugroute finden.?
Filmsets voller Drohnen
Doch zurück zum Film: Wie wird die Technologie diesen l?ngerfristig ver?ndern? Werden bald mehrminütige Szenen ausschliesslich mit Drohnen gefilmt werden? ?Ich sehe keinen Grund, weshalb nicht?, sagt N?geli. ?Schon heute kann man 50 Drohnen synchronisieren. Mit unserem Algorithmus k?nnten alle so programmiert werden, dass sie genau diejenigen Bilder schiessen, die vom Regisseur gewünscht werden.? Also zum Beispiel den heldenhafte Kampf auf dem fahrenden Zug in ?Skyfall? ohne Kameraaufbauten und ohne Heer von Kameraleuten filmen? ?Aktuell steckt der Algorithmus noch in den Kinderschuhen?, erkl?rt N?geli. ?Aber bei entsprechenden Investitionen in die Technologie und mit einem engagierten Team k?nnten wir in ein bis zwei Jahren soweit sein.?
Literaturhinweis
N?geli T, Alonso-Mora J, Domahidi A, Rus D, Hilliges O: Real-Time Motion Planning for Aerial Videography With Real-Time Dynamic Obstacle Avoidance and Viewpoint Optimization. IEEE Robotics and Automation Letters. 2017, 2.3: 1696-1703, doi: externe Seite 10.1109/LRA.2017.2665693
N?geli T, Meier L, Domahidi A, Alonso-Mora J, Hilliges O:. Real-time Planning for Automated Multi-View Drone Cinematography. ACM Transactions on Graphics, 2017. 36: 132, doi: externe Seite 10.1145/3072959.3073712