Mit Bakterienmix aus dem Labor Darmkrankheiten heilen

Wenn das Darm?kosystem komplett aus dem Gleichgewicht geraten ist, hilft oft nur noch eine F?kaltransplantation. Weil eine solche risikoreich ist, entwickeln Forschende des ETH-Spin-offs Pharmabiome nun eine sichere Alternative.

Pharmabiome-Team
Tomas de Wouters (Mitte) und sein Team von Pharmabiome. (Bild: Pharmabiome / Pep Shot)

Um die 500 verschiedene Bakterienarten leben in unseren Ged?rmen. Sie helfen unser Essen zu verdauen, indem sie grosse Moleküle wie Nahrungsfasern in kleinere zerlegen, die ins Blut gelangen und so dem K?rper als N?hrstoffe und Energiequelle dienen. Zusammen bilden die Mikroorganismen ein komplexes und fein austariertes ?kosystem, in dem jede Bakterienart eine spezielle Teilaufgabe übernimmt.

Forschende des ETH-Spin-offs Pharmabiome haben sich zum Ziel gesetzt, ein ?Grundgerüst? dieses ?kosystems mit einem standardisierten Mix aus einem knappen Dutzend Bakterienarten nachzubilden. Der Mix k?nnte dereinst Menschen helfen, deren Darm?kosystem aus den Fugen geraten ist.

Transplantation mit Risiken

Das ist zum Beispiel bei einer Infektion mit Clostridium difficile der Fall. Das ist eine Baketerienart, die einen Giftstoff herstellt und so die Darmwand sch?digt. Patienten leiden an Durchfall und Gewichtsverslust und k?nnen im Extremfall innerlich verbluten. Antibiotika lindern die Symptome, schaffen es aber nicht immer, den Krankheitserreger komplett auszumerzen. Ein wiederholtes Wiederaufflammen der Krankheit ist eine h?ufige Folge, und dann hilft oft nur noch eine F?kaltransplantation: Den Patienten wird der gesunde Stuhl eines in der Regel verwandten Freiwilligen in den Darm gebracht, in der Hoffnung, dass sich aus dieser ?Starterkultur? wieder eine intakte Darmflora (ein intaktes Mikrobiom) bildet, die den Erreger in Schach halten kann.

?Solche F?kaltransplantationen werden allerdings nur zurückhaltend durchgeführt, weil sie risikoreich sind?, sagt Tomas de Wouters, Mikrobiologe und CEO von Pharmabiome. Das Hauptproblem ist, dass niemand voraussehen kann, wie sich die Darmflora eines Spenders im Empf?ngerdarm entwickelt. ?Auch bei gesunden Spendern befinden sich nicht nur nützliche Bakterien im Darm, sondern auch potenzielle Krankheitserreger?, erkl?rt de Wouters. ?W?hrend die potenziell sch?dlichen Bakterien in einem gesunden Darm?kosystem in Schach gehalten werden, k?nnen sie in einem gesch?digten Darm ?berhand nehmen. Das h?tte gravierende Folgen.?

Kultur ohne Sauerstoff

De Wouters und seine Kollegen von Pharmabiome m?chten daher ein standardisiertes und kontrolliertes – und dadurch sicheres – Produkt schaffen, das man Patienten ohne Risiko verabreichen kann. Dies ist allerdings einfacher gedacht als umgesetzt, denn die Darmflora l?sst sich nur schwer als Ganzes im Labor vermehren. Das Isolieren und Erforschen einzelner Bakterienarten ist schwierig, vor allem, weil sich die allermeisten Darmbakterien an das Leben ohne Sauerstoff angepasst haben und an der Luft nicht überleben. ?In unserem Labor arbeiten wir in einer sauerstoffreien Kammer?, sagt de Wouters. ?Das ist aufwendig, und dies erkl?rt auch, warum Mikrobiologen bisher nur einen Bruchteil aller Darmbakterienarten isoliert und studiert haben.?

Vergr?sserte Ansicht: Pharmabiome-Mitarbeiterinnen
Mitarbeiterinnen bei der Isolierung und Kultivierung von Darmbakterien an einer sauerstofffreien Werkbank (Bild: Pharmabiome / DS Solutions)
Vergr?sserte Ansicht: Pharmabiome-Mitarbeiterin
Ein sogenannter Bioreaktor, mit dem der Bakterienmix in kleinem Massstab hergestellt wird. (Bild: Pharmabiome / DS Solutions)

Der Ansatz von Pharmabiome: Die Wissenschaftler suchten nach Schlüsselarten, welche das komplexe Darm?kosystem ?zusammenhalten?. Aus Stuhlproben von gesunden Freiwilligen isolierten sie Bakterien und untersuchten, unter welchen Bedingungen sie sich kultivieren lassen und welche biochemischen Aufgaben die Bakterien übernehmen. So ist es ihnen auch gelungen, Arten zu kultivieren, die bisher nicht kultiviert werden konnten.

Ausserdem stellten die Forschenden eine Mischung aus knapp einem Dutzend Arten zusammen, welche die Grundaufgaben des Darm?kosystems abdecken, eine Art minimale Darmflora. Und sie entwickelten eine Methode, wie sich diese einfach und kostengünstig in gr?sseren Mengen vermehren l?sst. Diese minimale Darmflora liessen die Wissenschaftler patentieren.

Klinische Versuche als Ziel

Derzeit sind die Wissenschaftler daran, die Zuchtbakterien im Labor zu testen. Versuche bei M?usen mit gest?rter Darmflora zeigten, dass sich dank der Mischung das Gleichgewicht wieder einstellte, und zwar besser als mit einer F?kaltransplantation. ?Nun m?chten wir die Sicherheit und die Vertr?glichkeit unseres Mix m?glichst schnell bei Patienten testen. Derzeit suchen wir eine Partnerfirma, welche solche klinischen Versuche mit uns durchführen m?chte?, so de Wouters.

M?gliche Anwendungsgebiete für die künstliche Darmflora aus den Pharmabiome-Labors beschr?nkten sich nicht auf Clostridium-difficile-Infektionen, wie de Wouters betont. Auch bei chronischen Entzündungserkrankungen des Darms wie Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa sowie bei Darmkrebs gelte es, ein aus dem Gleichgewicht gebrachtes Darm?kosystem wieder ins Lot zu bringen. Ausserdem seien Anwendungen bei chronischen Stoffwechselerkrankungen wie ?bergewicht, Fettleber und Diabetes denkbar. Es gebe Studien, welche einen Einfluss der Darmflora auf diese Krankheiten aufzeigten.

Bei der Produktentwicklung und dem Ermitteln von Anwendungen hilft dem jungen Spin-off die Expertise von ETH-Biotechnologen, welche Methoden zur Kultivierung von komplexen Darmfloren entwickelt haben, sowie von Magen-Darm-Spezialisten des Universit?tsspitals Zürich. ?Wir haben einen sehr engen Kontakt zur Gastroenterologischen Klinik. Der Klinikdirektor ist Mitgründer unserer Firma?, sagt de Wouters. ?Unsere Entwicklung ist dadurch nahe bei den Patienten.?

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert