Grosser Grant für Ökosystemforscher

Der ?kologe Tom Crowther kam vor kurzem als Assistenzprofessor an die ETH Zürich. Fast als Erstes wirbt er einen Grant ein, der ihm in den kommenden 13 Jahren potenziell über 17 Millionen Euro zum Forschen bereith?lt. Wer ist dieser Mann?

Vergr?sserte Ansicht: Ökologe Tom Crowther. (Bild: ETH Zürich / Peter Rüegg)
?kologe Tom Crowther. (Bild: ETH Zürich / Peter Rüegg)

Tom Crowther steht an einem Pult in einem kleinen Büro im CHN-Geb?ude der ETH Zürich und schaut auf den Bildschirm. ?Das ist eigentlich nicht mein Büro?, sagt er, fast schon entschuldigend dafür, dass er den Gast nicht standesgem?ss empf?ngt.

Vor kurzem hat der 31-j?hrige von der holl?ndischen Stiftung DOB Ecology, die langfristig ausgelegte Forschungsprojekte zum Klimawandel und Wiederaufbau von W?ldern f?rdert, einen Grant von über 2,7 Millionen Schweizer Franken erhalten. Und das für Phase eins, die drei Jahre dauern wird. Ist Crowther und sein Team in dieser Projektphase erfolgreich, stellt ihm die Stiftung einer holl?ndischen Unternehmerfamilie in den folgenden zehn Jahren weitere 15 Millionen Franken zur Verfügung.

Vom Postdoc zum Laborleiter

?Das ist enorm viel Geld?, sagt Crowther. Und er gibt zu, dass ihn die Vorstellung, über so viel Geld verfügen zu k?nnen, in ein Wechselbad der Gefühle stiess. Erst habe er sich über die Zusage sehr gefreut. Dann sei er nerv?s geworden und habe befürchtet, den Ansprüchen nicht zu genügen. ?Eben noch war ich ein Postdoktorand, dann habe ich die Assistenzprofessur an der ETH erhalten, und kaum habe ich hier Fuss gefasst, muss ich mir darüber Gedanken machen, wie ich die Jahre bis 2030 gestalten werde. Das ist schon etwas verrückt?, schmunzelt er.

Nicht er habe sich ursprünglich bei DOB um den Grant beworben, die Stiftung sei Dank seiner aufsehenerregenden Studie über die Gesamtzahl der B?ume auf der Erde auf ihn aufmerksam geworden. Sie hat Crowther dazu ermuntert, sich für einen Grant zu bewerben. Erst schlug er ein Projekt über insgesamt eine Million Euro vor. Doch die Stiftung winkte ab. Sie würde nur sehr ambitionierte Langzeitprojekte f?rdern und in diese viel mehr als eine Million investieren. Und so legte Crowther eine Bewerbung nach für 1,5 Millionen – pro Jahr. ?Der Stiftung war es wichtig, ein Projekt zu f?rdern, das eine langfristige Forschungsvision hat. Diese soll ein hohes Potenzial haben, den menschlichen Umgang mit ?kosystemen für den Kampf gegen Klimawandel und Biodiversit?tsverlust zu beeinflussen oder gar umzuwandeln?, sagt der Forscher.

Kohlenstoff-Kreislauf besser verstehen

Crowthers Mission ist es nun, ein globales Verst?ndnis zu erarbeiten für die ?kologischen Vorg?nge, welche den Kohlenstoffkreislauf und das Klima steuern. Dieses Verst?ndnis zu vertiefen sei wichtig, um den Klimawandel besser voraussagen zu k?nnen. ?Wenn wir verstehen, wie ?kologische Prozesse mit dem Klima verknüpft sind, verstehen wir auch, wie wir den Klimawandel etwa durch bestimmte Landnutzungen bek?mpfen k?nnen.?

Ein Beispiel dafür sind laut Crowther Baumpflanzungen. In gewissen Klimazonen speichern solche Pflanzungen riesige Mengen von Kohlenstoff. In anderen hingegen, etwa baumlosen schneereichen Tundren oder Taigagebieten, bedecken B?ume die Schneedecke und vermindern dadurch den Albedo-Effekt: weniger Licht und W?rmestrahlung wird von der Erdoberfl?che reflektiert. Dies führt zu einer zus?tzlichen Erw?rmung.

Mit dem Geld kann sich der Klimaforscher rasch eine grosse Arbeitsgruppe aufbauen. Rund 20 Leute wird er anstellen, alle aus verschiedenen Disziplinen. Um die Mission zu erfüllen, braucht er Fachleute aus der Satelliten-Fernerkundung, für die Genetik von Bodenorganismen, die ?kologie von Lebensgemeinschaften sowie Experten für Modellierungen von Erdsystemen. ?Alle stellen sich die ultimative Frage: Wie wird sich das Klima bis zum Ende dieses Jahrhunderts ver?ndern, und wie k?nnen wir natürliche ?kosysteme bewirtschaften oder erhalten, um diese Effekte zu minimieren?, sagt Crowther.

Auf dem Court mit Andy Murray

Obwohl Natur den Forscher schon seit Kindsbeinen faszinierte, war Wissenschaft nicht immer seine Bestimmung. Crowther wuchs in Wales in einem nicht-akademischen Umfeld auf. Er dachte nicht daran, sich zu ver?ndern, um seiner Leidenschaft für Umweltforschung nachzugehen. Als Jugendlicher investierte er mehr Zeit in Sport und Ausgang: Er spielte ambitioniert Tennis – unter anderem gegen heutige Top-Spieler wie Andy Murray – und Fussball. Zudem pflegte er ein reges Sozialleben, hing mit Freunden in den lokalen Pubs ab. ?Ich h?tte mir durchaus auch ein solches Leben vorstellen k?nnen.?

An der Universit?t Cardiff begann er ein Studium in Boden?kologie, hatte dabei allerdings ?eine schwere Zeit? aufgrund einer Dyslexie, die es ihm erschwerte, sich in langen Vorlesungen oder bei textlastigen Arbeiten zu konzentrieren. Als seine Laufbahn auf der Kippe stand, ?ffnete ihm sein damaliger Professor Hefin Jones die Augen. Als Undergraduate hatte Crowther vor Kommilitonen einen Vortrag zu halten. Der sei schlecht gewesen, Jones habe ihn deswegen vor die Tür gesetzt.

Doch der Professor glaubte stark an Crowthers F?higkeiten. ?Sp?ter, im Pub bei einem Bier, schaffte er es, mich davon zu überzeugen, dass ich ein grosses Potenzial habe, wenn ich meine Aufmerksamkeit ein wenig besser fokussieren würde.? Da sei ihm klar geworden, dass er eine wissenschaftliche Laufbahn in ?kologie einschlagen und sich dafür voll einsetzen wolle. ?Ich verdanke es Professor Jones, dass ich jetzt da stehe, wo ich bin.?

Wieviel B?ume z?hlt die Welt?

Nach seiner Doktorarbeit in ?kologie an der Universit?t Cardiff wechselte er an die Universit?t Yale, wo er die ?kologie von ?kosystemen mit Schwerpunkt Boden studierte. In den USA kam er mit einer Organisation in Kontakt, die für die UNO eine Kampagne zur Pflanzung von einer Milliarde B?ume plante, die ?One-billion-tree-campaign?. Weil jedoch niemand eine Ahnung hatte, wie viele B?ume es auf der Erde tats?chlich gab, konnte niemand den Effekt dieser Kampagne in Zahlen ausdrücken. So erhielt Crowther den Auftrag, den weltweiten Baumbestand zu kartieren und diesen aktuell einzusch?tzen.

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Weltweite Baumz?hlung

Die Studie erschien 2015 in der Fachzeitschrift ?Nature?. Mit ihr zeigte der Forscher und drei Dutzend Mitautoren auf, dass auf der Erde rund drei Billionen B?ume wachsen. Das sind acht Mal so viele wie bei früheren Sch?tzungen. ?Es klingt nach viel, aber jedes Jahr gehen 10 Milliarden B?ume verloren; und wahrscheinlich hat der Mensch den ursprünglichen Baumbestand schon um die H?lfte verkleinert?, betont Crowther. Die Kampagnenverantwortlichen revidierten aufgrund dieser Studie das Ziel: Eine Billion B?ume sollen nun gesetzt werden.

Sich Geh?r verschaffen lohnt sich

Die Studie verhalf dem Wissenschaftler auch zu ?ffentlicher Aufmerksamkeit – selbst Bernie Sanders und Donald Trump setzten Tweets ab, die sich auf das Thema bezogen. Dank der Baumz?hlung und der folgenden Medienarbeit wurde auch DOB auf Crowther aufmerksam. ?Kommunikation war der Startschuss für das alles?, sagt er. Noch immer würden Wissenschaftler selten dazu ermuntert, über ihre Forschung mit der ?ffentlichkeit zu kommunizieren. ?H?tte ich nicht so viel Zeit darin investiert, w?re niemand auf meine Arbeit aufmerksam geworden.?

Der Grant wird es Tom Crowther und seinen Mitarbeitern erm?glichen, das Verst?ndnis für das globale Waldsystem weiter zu vertiefen. Dieses ist n?tig, um Waldwiederherstellungen und Schutzbemühungen zu lenken. In Anbetracht der Tatsache, dass Medienarbeit und soziale Medien für den Erhalt des Grants wesentlich waren, bleibt Kommunikation für Crowther weiterhin vorranging.

DOB forderte vom Wissenschaftler ein eigenes Team für digitales Marketing, um Forschungsresultate und den wissenschaftlichen Prozess der ?ffentlichkeit zu kommunizieren. Dadurch m?chten Crowther und sein Team direkt auf die Gesellschaft einwirken k?nnen. ?Kommunikation beeinflusst vieles, und sie macht die Wissenschaft besser?, ist der junge Assistenzprofessor überzeugt.

Tom Crowther hielt am 19. Februar 2018 seine Antrittsvorlesung an der ETH Zürich. Die Aufzeichnung ?Understanding global-scale ecology in order to combat climate change? finden Sie hier.

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