Das Stromnetz von morgen meistern

Energiesysteme werden zunehmend vielf?ltiger und dezentral. Das wirkt sich darauf aus, wie Systembetreiber das Stromnetz kontrollieren und optimieren, bloggt Gabriela Hug.

Gabriela Hug

Das System, das uns mit Energie versorgt, ver?ndert sich st?ndig. Es zu optimieren war deshalb schon immer eine anspruchsvolle Aufgabe. Nun wandelt sich die Energieversorgung weltweit von zentralisierten Infrastrukturen mit gebündelten Stromerzeugungsanlagen hin zu vielf?ltigen und verteilten Produktions- und Speichertechniken.

Die treibende Kraft sind die erneuerbaren Energien, um die Stromversorgung nachhaltiger zu gestalten. Doch mit steigender Wind- und Solarproduktion wird es immer schwieriger, Leistungsschwankungen auszugleichen. Wollen wir das künftige Stromnetz meistern, stellt sich die Frage: Brauchen wir lokale Intelligenz oder zentrale Entscheidungsgewalt? Die Antwort lautet: beides – und noch Einiges mehr.

Netzwerk aus unzähligen Komponenten
Wie kann man ein sich st?ndig ver?nderndes Netzwerk aus unz?hligen Komponenten optimal steuern? (Image: Krunja / Dreamstime.com)

Schwankungen flexibel ausbalancieren

Wasserkraftwerke und Speicherger?te jeglicher Gr?sse sind perfekte Ausgleichsmittel – aber auch die Konsumenten spielen entscheidend mit: Dank neuen Technologien k?nnen sie Energie nicht nur effizienter, sondern auch smarter nutzen und so am Lastverteilungsprozess teilnehmen. Die Folge sind flexible Kapazit?ten vom Hochspannungs- bis hinunter zum Niederspannungsnetz. Natürlich m?chten wir all diese Ressourcen m?glichst optimal einsetzen, aber es werden Millionen sein. Wir müssen also Mittel und Wege finden, diese Netzelemente sowohl lokal als auch über s?mtliche Systemebenen hinweg zu koordinieren.

Mehr Grips für schlaue Komponenten

Angesichts der wachsenden Menge an Akteuren, verfügbaren Daten sowie steigender Rechenleistung wird das Konzept der lokalen Intelligenz und Entscheidungsfindung immer wichtiger. Von Daten und Offline-Simulationen k?nnen wir lernen, welche Entscheidungen optimal sind. Damit lassen sich Entscheidungsfindungskurven für den Online-Betrieb kreieren, so dass kein zentraler Koordinator mehr ben?tigt wird.

?Trotz smarteren Komponenten im Netz bin ich davon überzeugt, dass die heutige zentralisierte Entscheidungsfindung auch in Zukunft eine Rolle spielen wird.?Gabriela Hug

In der Realit?t funktionieren heute die meisten lokalen Schemas nach demselben starren Prinzip. Ein Beispiel ist die Spannungsregelung von Photovoltaik-Anlagen in Deutschland: Um die Spannung innerhalb akzeptabler Grenzen zu halten, verwendet man überall dieselben vordefinierten Kurven. Wenn das Netz nun so vielf?ltig wird, wie wir denken, dann sollten man die Prozesse standardisieren, wie man optimale Betriebseinstellungen findet, aber nicht die einzelnen Entscheidungsfindungskurven. Nur so lassen sich s?mtliche Elemente optimal verwenden.   

Komponenten sollen kommunizieren

Verteilte Optimierung hebt lokale Intelligenz auf die n?chste Stufe: Dezentrale, schlauen Ressourcen tauschen untereinander Informationen aus und versuchen, sich zu koordinieren. Die besten Aktionen der einzelnen Komponenten finden sich in der Regel in einem iterativen Prozess: Sie kommunizieren miteinander und passen ihre jeweiligen Entscheidungsgrundlagen so lange an, bis sie eine optimale Einigung erzielen. Das Konzept der verteilten Optimierung ist relativ alt, hat aber jüngst in der Energieforschung wieder an Bedeutung gewonnen.

Und die altbekannte zentrale Kontrolle?

Trotz zunehmend smarteren Netzkomponenten bin ich davon überzeugt, dass die heute vorherrschende zentralisierte Entscheidungsfindung im Energiesystem auch in Zukunft ihre Berechtigung haben wird. Die Stromversorgung ist zu komplex und zu wichtig, als dass man auf ein gewisses Mass an zentralisierter Kontrolle verzichten k?nnte. Die Frage ist vielmehr, welche Entscheidungen lokal und welche zentral gef?llt werden k?nnen, und wer mit wem interagieren soll.

Blick aufs grosse Ganze

Wer das künftige Stromnetz betreiben will, muss abgesehen von der Technik noch weitere Aspekte berücksichtigen. Elektrizit?t wird auf Stromm?rkten gehandelt, deren Regeln und Struktur das System massgeblich beeinflussen. Den Rahmen für die M?rkte und Betriebsverfahren wiederum liefert die Politik.

Wir müssen deshalb das Gesamtbild im Auge behalten. Das gelingt nur, wenn wir alle Ebenen und Abh?ngigkeiten sorgf?ltig simulieren. Im Nexus-Projekt arbeiten wir interdisziplin?r daran, eine Plattform zu bilden, die genau das kann. Die Simulationen dienen dazu, neue Ans?tze für den Betrieb zu testen und zu bewerten. Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, das gesamte Puzzle zu sehen und nicht nur die einzelnen Teile. Daran arbeiten wir.

Weiterführende Informationen

1 Integrated Energy Systems Modelling Platform Nexus  

ETH externe SeiteIdeasLab, Weltwirtschaftsforum, Davos, 2018,

Power Systems Laboratory, ETH Zurich, PSL

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