Kälte führt zu schlanken Nachkommen

K?lte vor der Zeugung führt bei Nachkommen zu mehr braunem Fettgewebe und schützt diese vor ?bergewicht und Stoffwechselerkrankungen. Informationsübertr?ger sind die Spermien, wie Wissenschaftler bei M?usen herausfanden. Ein ?hnlicher Zusammenhang zeigt sich auch bei Menschen.

Spermien in der Kälte (Montage zweier Bilder von iStock.com/man_at_mouse und iStock.com/Milous)
Spermien übertragen die Information, ob sich ihr Produzent in der K?lte aufgehalten hat. (Bild: iStock / Montage)

Wer viel braunes Fettgewebe hat, kann sich glücklich sch?tzen: Dieses bei einigen Menschen unterhalb der Zunge, im Bereich des Schlüsselbeins und der Wirbels?ule vorkommende Gewebe hilft beim Verwerten überschüssiger Energie. Je mehr man von dem Gewebe hat und je aktiver es ist, desto geringer ist das Risiko für eine Person, übergewichtig zu werden oder Stoffwechselerkrankungen zu entwickeln.

Ein internationales Forscherteam unter der Leitung von ETH-Professor Christian Wolfrum konnte nun zeigen, dass eine zentrale Weichenstellung schon vor der Zeugung stattfindet: H?lt sich der Vater vor der Zeugung in der K?lte auf, haben die Nachkommen mehr aktives braunes Fettgewebe. Das bedeutet nichts anderes, als dass sich ein Umwelteinfluss, dem sich der Vater aussetzt, auf seinen Spross übertr?gt.

Computertomographische Bilder analysiert

Diesen Schluss ziehen die Forschenden aus Untersuchungen bei M?usen – wobei sich ein Zusammenhang zwischen der Temperatur bei der Zeugung und braunem Fett auch bei Menschen zeigt: Gemeinsam mit Kollegen des Universit?tsspitals Zürich analysierten die ETH-Wissenschaftler computertomografische Bilder von 8400 erwachsenen Patienten. Dabei zeigte sich, dass Personen, die von Juli bis November Geburtstag haben (und somit im Winterhalbjahr gezeugt worden sind) signifikant mehr aktives braunes Fettgewebe haben als Personen mit Geburtstag von Januar bis Juni (und Zeugungszeitpunkt im Sommerhalbjahr).

In Untersuchungen bei M?usen gingen die Forschenden diesem Zusammenhang nach. Sie hielten die Tiere entweder bei gem?ssigten (23 Grad Celsius) oder kühlen Temperaturen (8 Grad) und liessen sie sich fortpflanzen. Analysen bei den Nachkommen zeigten, dass die Aufenthaltstemperatur der Mütter vor und nach der Zeugung keinen Einfluss auf das braune Fettgewebe beim Nachwuchs hatte, jedoch die der V?ter: Nachkommen von M?nnchen, die sich w?hrend einiger Tage vor der Zeugung in kühler Umgebung aufhielten, hatten mehr aktives braunes Fettgewebe als solche von M?nnchen, die sich bei gem?ssigten Temperaturen aufhielten. Auch waren die Nachkommen von M?nnchen, die sich in der K?lte aufhielten, besser geschützt vor ?bergewicht – sie wurden bei fettreicher Ern?hrung weniger dick – und vor Stoffwechselerkrankungen.

Epigenetische Ver?nderungen in Spermien

Mittels In-vitro-Fertilisation und Untersuchungen bei Spermien konnten die Forschenden schliesslich zeigen, dass die Information zur Aufenthaltstemperatur des Vaters über eine epigenetische Pr?gung der Spermien an den Nachwuchs weitergegeben wird. Damit ist eine Ver?nderung des Musters gemeint, das bestimmte chemische Markierungen (Methylierungen) an der Erbsubstanz bilden.

Dass bestimmte Umwelteinflüsse das epigenetische Muster von Spermien ver?ndern k?nnen, ist schon seit mehreren Jahren bekannt. Die Wissenschaftler haben nun jedoch zum ersten Mal gezeigt, dass auch die Umgebungstemperatur zu epigenetischen ?nderungen führen kann.

Braune Fettzellen produzieren durch das Verbrennen von Energie K?rperw?rme. M?use mit mehr braunem Fettgewebe k?nnen daher bei tiefen Temperaturen ihre K?rpertemperatur besser regulieren. ?M?glicherweise sind sie dadurch vor Eisesk?lte geschützt, was erkl?ren k?nnte, warum sich dieser epigenetische Mechanismus in der Evolutionsgeschichte durchsetzte?, sagt ETH-Professor Wolfrum.

Wohntemperatur und ?bergewicht

Die Erkenntnisse der ETH-Wissenschaftler bei M?usen und Menschen stehen im Einklang mit früheren Beobachtungen, wonach Menschen in kalten Regionen besonders viel braunes Fett haben. ?Bisher vermutete man, dass das mit den Temperaturen zu Lebzeiten zu tun hat?, so Wolfrum. ?Unsere Beobachtungen legen nahe, dass dies auch von der Temperatur vor der Zeugung beeinflusst sein k?nnte.?

Der ETH-Professor weist noch auf einen weiteren Zusammenhang hin: Die Durchschnittstemperatur in Innenr?umen hat in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen, zumindest in den USA, wo das untersucht wurde. Ausserdem gibt es Studien, die einen Zusammenhang zwischen Wohntemperatur und ?bergewicht darlegen. ?In unserer Arbeit zeigen wir hierfür einen m?glichen Mechanismus?, so Wolfrum.

Soll man Paaren, die sich mit Familienplanung besch?ftigen, nun raten, dass der Mann vor dem Akt in einem kalten See schwimmen geht oder sich im Schnee tollt? ?Bevor wir solche Ratschl?ge geben k?nnen, müssen wir den Zusammenhang bei Menschen besser untersuchen?, sagt Wolfrum. ?Wahrscheinlich ist für eine epigenetische Pr?gung aber eine l?ngere K?lteexposition notwendig. Ein Sprung ins kühle Nass oder ein kurzes Ausruhen auf einem Eisblock reicht m?glicherweise nicht aus.? Die Wissenschaftler planen nun eine Studie, in der sie die epigenetische Pr?gung von menschlichen Spermien im Sommer und Winter miteinander vergleichen m?chten.

Literaturhinweis

Sun W et al.: Cold-induced epigenetic programming of the sperm enhances brown adipose tissue activity in the offspring, Nature Medicine, 9. Juli 2018, doi: externe Seite10.1038/s41591-018-0102-y

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