Eine Alternative zu CO2-Steuern
Klimapolitik ist dann effektiv, wenn sie Menschen hilft, erneuerbare Energie zu nutzen, – nicht aber, wenn sie fossile Energie verteuert, meinen Anthony Patt und Johan Lilliestam.
Vor zwanzig Jahren waren sich Wissenschaftler einig, dass die CO2-Emissionen im Energiesektor gesenkt werden sollten. Heute besteht ein klarer Konsens darüber, dass die Menschheit ihre CO2-Emissionen vollst?ndig eliminieren muss. Die Besteuerung von CO2 entstand als politisches Instrument, um das erste Ziel zu erreichen – effektiv und effizient. CO2-Steuern nützen jedoch relativ wenig für das zweite Ziel.1
Auf den ersten Blick machen CO2-Steuern Sinn: Sie sorgen dafür, dass wir für die sozialen Kosten unserer Umweltverschmutzung aufkommen, und veranlassen uns, weniger fossile Energie zu nutzen. Die Forschung zeigt jedoch, dass CO2-Steuern wenig dazu beitragen, Investitionen in alternative Energiequellen zu f?rdern.2 H?here Benzinsteuern etwa lenken uns dahin, etwas weniger zu fahren, aber bringen uns nicht dazu, auf ein Elektroauto zu wechseln.
Das ist problematisch, wenn es darum geht, Emissionen g?nzlich zu eliminieren statt lediglich zu reduzieren. In jedem Lebensbereich – Mobilit?t, Wohnen, Kleidung, Ern?hrung – müssen wir in den n?chsten Jahren den Konsum entweder vollst?ndig einstellen oder nur Dinge konsumieren, die mit nicht-fossiler Energie hergestellt und benutzbar sind. Einfach weniger fossil reicht nicht aus3 – was es braucht ist ein Wechsel auf 100 Prozent erneuerbare Energien. Sonne und Wind gibt es genug, damit das funktioniert.
Den Wandel verwirklichen
Wie kann der Wechsel von einer alten zu einer neuen Technologie gelingen? Die Sozialwissenschaft hat eine Abfolge von vier Prozessen identifiziert:
- Erstens müssen neue Technologien überhaupt entstehen. Staatlich gef?rderte Forschung und Entwicklung ist hierfür entscheidend.
- Zweitens müssen diese Technologien bezahlbar werden. Das geschieht nicht im Labor, sondern durch Kommerzialisierung. Instrumente, die für zun?chst viel zu teure Technologien in geschützten Marktnischen eine Nachfrage erzeugen, k?nnen helfen. Beispiele sind Einspeisevergütungen und Technologiekontingente.
- Drittens, sobald sie wirtschaftlich wettbewerbsf?hig sind müssen neue Technologien von der Nische zum Mainstream übergehen. Auch hier spielt die Politik oft eine entscheidende Rolle. Vor hundert Jahren begannen Autos erst dann Pferde zu verdr?ngen, als man richtige Strassen und Verkehrsgesetze für Autos einführte. ?hnlich erforderten auch Smartphones neue Regeln und neuartige Kommunikationsnetze.
- Viertens wird die neue Technologie, sofern sie besser und günstiger ist, zur Normalit?t. In einigen F?llen gilt es jedoch, den Einsatz der neuen Technologie vorzuschreiben oder die alte zu verbieten. Die im n?chsten Jahr für die EU in Kraft tretenden Geb?udestandards verlangen, dass alle neuen H?user fast keine Heizenergie verbrauchen und die ben?tigte, wenige W?rme mit erneuerbarer Energie decken.
Schützenhilfe für schnelle Adoption
CO2-Steuern passen nicht in dieses Konzept. Sie k?nnen zwar in der zweiten Phase helfen, wo Kostenbarrieren eine Rolle spielen. Aber auch hier haben sich direkte Unterstützungsmechanismen als weitaus effektiver erwiesen, um Investitionen in neue Technologien zu f?rdern.4 Regierungen k?nnen die Unterstützung auch leichter anpassen, indem sie die Vergütung senken – im Takt mit den sinkenden Technologiekosten.
CO2-Steuern hingegen sind am effektivsten, wenn Investoren erwarten, dass sie stabil bleiben oder im Laufe der Zeit steigen. Das macht sie wenig geeignet als Instrument, um neue Technologien zu f?rdern: Da es politisch schwierig ist, auf Anhieb eine hohe Steuer einzuführen, f?llt diese am Anfang meist zu tief aus, um wirksam zu sein. Sp?ter, wenn die Steuer ansteigt, wird meist auch die neue Technologie wettbewerbsf?hig(er), so dass die Steuer zu hoch und ineffizient wird.
?Um Solarstrom oder Elektroautos voranzutreiben, brauchen wir weder CO2-Steuern noch zus?tzliche Subventionen, sondern moderne Marktregeln und neue Infrastrukturnetze.?Anthony Patt
CO2-Steuern k?nnen helfen, Einnahmen für andere Unterstützungsinstrumente zu steigern. Aber sie sind eine politische Entscheidung, und sie belasten überproportional die l?ndlichen und weniger wohlhabenden Teile der Gesellschaft.5 Dem Klima ist es egal, wie Regierungen Einnahmen generieren – nicht aber den Menschen, wie die jüngsten Proteste in Frankreich zeigen.
Heute sind viele der neuen Energietechnologien dank gezielter F?rderpolitik bereits wettbewerbsf?hig. Der Schlüssel zu einem vollst?ndig erneuerbaren Energiesystem besteht nun darin, die Stromnetze zu erneuern, den Rechtsrahmen zu aktualisieren und unterstützende Technologien wie Batterien zu optimieren. Um Solarenergie oder Elektroautos zu f?rdern, brauchen wir weder CO2-Steuern noch zus?tzliche Subventionen, sondern moderne Marktregeln und neue Infrastrukturnetze.
Dieser Text erscheint auch als externe Seite Autorenbeitrag in der NZZ.
Referenzen
1 Patt, A. & Lilliestam, J. externe Seite The case against carbon prices. Joule (2018).
2 Eskeland, G., Criqui, P., Jochem, E. & Neufeldt, H. Transforming the European energy system. in Making climate change work for us: European perspectives on adaptation and mitigation strategies (eds. Hulme, M. & Neufeldt, H.) 165 – 199 (Cambridge University Press, 2010).
3 IPCC. Special Report on Renewable Energy. (Cambridge University Press, 2011).
4 Held, A., Ragwitz, M. & Haas, R. On the success of policy strategies for the promotion of electricity from renewable energy sources in the Eu. Energy & Environment 17, 849–868 (2006).
5 Wier, M., Birr-Pedersen, K., Jacobsen, H. K. & Klok, J. Are CO2 taxes regressive? Evidence from the Danish experience. Ecological Economics 52, 239–251 (2005).