Ein (langer) Weg zum klimaneutralen Strassentransport

Die Massnahmen der EU und der Schweiz genügen nicht, um die Pariser Klimaziele zu erreichen, sagt Konstantinos Boulouchos und skizziert einen Weg, wie sich die Mobilit?t dekarbonisieren l?sst.

Konstantinos Boulouchos

Die Zeit l?uft uns davon. Die meisten L?nder haben 2015 das Abkommen von Paris unterzeichnet und sich damit verpflichtet, die Erderw?rmung auf weniger als zwei Grad zu begrenzen. Damit dieses Ziel erreicht werden kann, sollten ab 2015 die weltweiten Kohlendioxid-Emissionen rund 800 Gigatonnen (GT) nicht überschreiten 1.

Gemessen am Anteil an der Weltbev?lkerung betr?gt das verbleibende CO2-Budget für die EU 50 Gt. Nimmt man die gleiche Dekarbonisierungsrate an wie beim Energiesektor, so muss der europ?ische Verkehrssektor bis 2040 praktisch emissionsfrei sein. Die EU hat verschiedene Reduktionsziele festgelegt 2, doch selbst die ehrgeizigsten werden das Pariser Abkommen weit verfehlen.

In Europa betrug der Anteil des Transportsektors an den gesamten Treibhausgasemissionen (THG) 24 Prozent im Jahr 2016 3, in der Schweiz sogar 38 % 4. In beiden F?llen wachsen diese Anteile weiter, wobei der Strassentransport am st?rksten dazu beitr?gt (rund 3/4), gefolgt vom Luft- und Schiffverkehr 4,5.

Strassenverkehr
Herausforderung klimaneutraler Strassenverkehr. (Bild: Colourbox / PetraD)

Jetzt die Weichen stellen

Es braucht also drastische und wirksame Massnahmen, die sowohl die Nachfrage nach Transportdiensten als auch die Angebotsseite miteinbeziehen – im Personenverkehr und im Gütertransport.

Ich bin mir bewusst, dass sich die Art, wie wir Menschen und Güter transportieren, nicht über Nacht ver?ndern wird. Das Transportsystem ist ein komplexes Zusammenspiel von Mobilit?tsdienstleistungen, Fahrzeugflotten und Infrastrukturen mit unterschiedlichen Lebenszeiten und Energietr?gern. Hinzu kommen verschiedene Verhaltens- und Konsummuster, die noch schwieriger zu beeinflussen sind. Umso dringender ist es, den künftigen Kurs jetzt festzulegen.

Anleitung zum CO2-freien Transport

Ich bin überzeugt: Angesichts der Risiken steigender Temperaturen sind umfassende politische und legislative Massnahmen notwendig. Doch welche Rahmenbedingungen k?nnen die Dekarbonisierung des Transports begünstigen, ohne den ?konomischen und sozialen Wohlstand zu gef?hrden?

Im Rahmen einer Arbeitsgruppe des European Academies’ Science Advisory Council (EASAC) haben wir diese Fragen untersucht. In einem kürzlich ver?ffentlichten Bericht 6 skizzieren wir, worauf die europ?ische Politik fokussieren sollte, um die THG-Emissionen im Transportwesen radikal zu senken. Eine kurze ?bersicht:

  • Eine hohe Priorit?t muss sein, das Nachfragewachstum nach konventionellem, motorisiertem Transport einzud?mmen.
  • Wichtig dafür ist der Wechsel auf effizientere Betriebsmodi, was massive Investitionen in den ?V, insbesondere in die Eisenbahn bedingt. Bedenkt man, dass fossile Brennstoffe weltweit j?hrlich mit 300 bis 400 Milliarden Euro subventioniert werden, w?re eine Umverteilung von Mitteln ein erster Schritt, um dies zu finanzieren.
  • Mit Blick auf den Strassentransport braucht es ein optimiertes Fahrzeugdesign und eine F?rderung effizienterer (hybrider) Antriebssysteme sowie von Fahrzeugen optimaler Gr?sse, die mit CO2-armen Treibstoffen fahren.
  • Eine breit implementierte elektrische Mobilit?t muss mit dem Ausbau erneuerbare Energien und verbesserter Batterietechnik einhergehen.
  • Eine wesentliche Rolle spielt der EU-Emissionshandel (EU ETS), da Transport-, Industrie- und Bausektor künftig im Wettbewerb um Emissionszertifikate stehen werden.
  • Der Langstreckentransport (einschliesslich Luft- und Schifffahrt) wird herausfordernd, da hier Batterien den Bedürfnissen kaum gerecht werden. Es braucht dafür wohl synthetische Treibstoffe (wie Wasserstoff und Kohlenwasserstoffe) aus erneuerbarer Energie, und eine kosteneffizient implementierte Infrastruktur.
  • Um einen fairen Wettbewerb für alle Technologien und Energietr?ger zu garantieren und Importe von CO2-intensiven Produkten zu vermeiden, sollten Lebenszyklus-Emissionen (von der Wiege bis zur Bahre) als generelle Vergleichsbasis dienen.

Implikationen für die Schweiz

All diese Empfehlungen sind relevant für die Schweiz, da sie ihre Klimapolitik langfristig mit der EU abstimmen muss. Für eine CO2-arme hiesige Stromproduktion ist es entscheidend, wie die Schweiz in den EU-ETS integriert wird.

?Wir sollten die Chancen nutzen und unser Know-how und die Infrastruktur im Bereich erneuerbarer, synthetischer Treibstoffe ausbauen.?Konstantinos Boulouchos

Zu guter Letzt: Schweizerinnen und Schweizer stehen im weltweiten Vergleich weit oben auf der Rangliste der Vielflieger. Gleichzeitig sind hierzulande einige führende Technologie-Lieferanten der Automobil- und Schiffantriebindustrie ans?ssig. Wir sollten deshalb die Gelegenheit nutzen und unser Know-how sowie die Infrastruktur im Bereich erneuerbar, synthetischer Treibstoffe ausbauen – um so Synergien zwischen dem Schutz des Klimas und der St?rkung der Schweizer Industrie zu schaffen.

Konstantinos Boulouchos leitete den EASAC-Bericht ?Decarbonisation of Transport?. Er verfasste diesen Beitrag zusammen mit Kirsten Oswald, Projektmanagerin beim externe SeiteSCCER Mobility und Mitglied der entsprechenden EASAC-Arbeitsgruppe.

Weiterführende Informationen

Der Bericht ?Decarbonisation of Transport: options and challenges? 6 des European Academies Science Advisory Council (EASAC) wurde erstmals am 20. M?rz in Brüssel der ?ffentlichkeit vorgestellt. Am 5. April wird er in Bern pr?sentiert.

1 International Energy Agency & International Renewable Energy Agency. 2017. externe SeitePerspectives for the energy transition.

2 European Environment Agency. 2018. externe SeiteTotal greenhouse gas emission trends and projections.

3 Eurostat. 2018. externe SeiteGreenhouse gas emission statistics - emission inventories.

4 Bundesamt für Umwelt. 2018. externe SeiteTreibhausgasemissionen der Schweiz 1990-2016.

5 European Environment Agency. 2018. externe SeiteGreenhouse gas emissions from transport.

6 European Academies’ Science Advisory Council. 2019 externe SeiteDecarbonisation of transport: options and challenges.

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