Wie mehrzellige Cyanobakterien Moleküle transportieren

Forscherinnen und Forscher der ETH Zürich und der Universit?t Tübingen kl?ren hochaufgel?st die Struktur und Funktion von Zell-Zell-Verbindungen bei f?digen mehrzelligen Cyanobakterien auf. Damit k?nnen sie nun erkl?ren, wie diese Mikroorganismen den Transport von verschiedenen Stoffen zwischen einzelnen Zellen regulieren.

Die Verbindungsstellen zwischen Zellen eines<i> Anabaena</i>-Zellverbands sind mit zahlreichen speziellen Kanälen (hellgrün) ausgestattet.&nbsp; (Videostandbild: ETH Zürich)
Die Verbindungsstellen zwischen Zellen eines Anabaena-Zellverbands sind mit zahlreichen speziellen Kan?len (hellgrün) ausgestattet. (Videostandbild: ETH Zürich)

Cyanobakterien, auch als Blaualgen bekannt, sind eine spezielle Klasse von Bakterien, die Photosynthese betreiben k?nnen. Entwicklungsgeschichtlich sind sie uralt. Vorl?ufer traten bereits vor 2,5 Milliarden Jahre auf der Erde auf und ebneten dank ihrer F?higkeit der Sauerstoff erzeugenden Photosynthese h?herem Leben den Weg.

Einige Cyanobakterien-Arten sind f?dige, mehrzellige Organismen, in denen eine gewisse Arbeitsteilung herrscht. So betreiben die einen Zellen Photosynthese, andere nehmen Luftstickstoff auf. Durch Photosynthese gewinnen die Cyanobakterien Energie in Form von Glukose, den Stickstoff verwenden sie, um Aminos?uren, die Bausteine von Proteinen, zu produzieren.

Den Cyanobakterien stellt sich das Problem, wie die einzelnen Zellen miteinander kommunizieren und Stoffe austauschen k?nnen. Photosynthese betreibende Zellen müssen n?mlich ihre stickstofffixierenden Schwesterzellen mit Glukose versorgen, in umgekehrter Richtung müssen Aminos?uren transportiert werden. Dazu haben Cyanobakterien spezielle Zellverbindungen entwickelt. Diese erlauben den Austausch von N?hr- und Botenstoffen über die Zellgrenzen hinweg, ohne dass die Zellen miteinander verwachsen sind.

Struktur in zellul?rem Kontext aufgekl?rt

?ber den detaillierten Aufbau und das genaue Funktionieren der Zellverbindungen bei mehrzelligen f?digen Cyanobakterien war bislang nur wenig bekannt. Eine Gruppe von Forschenden der ETH Zürich und der Universit?t Tübingen stellt nun in der neuen Ausgabe der Fachzeitschrift ?Cell? strukturelle Feinheiten und Funktionsweise der Zell-Zell-Verbindungen, sogenannten Septalverbindungen, bei der Gattung Anabaena in bisher unerreichter Aufl?sung vor.

So zeigen die Forschenden, dass die Verbindungskan?le aus einer Proteinr?hre bestehen, die an beiden Enden mit einem Stopfen verschlossen werden kann. Zudem ist diese R?hre überdacht mit fünfarmigen Protein-Elementen, die ?hnlich einer Kamerablende angeordnet sind.

Die Kan?le verbinden die Cytoplasmen der beiden benachbarten Zellen und reichen dabei durch die jeweiligen Membranen und Zellw?nde hindurch. Die Zellen sind durch einen hauchdünnen Spalt von wenigen Nanometern Breite voneinander getrennt.

Vergr?sserte Ansicht: Die Verbindungen von <i>Anabaena</i>-Zellen (l.) verfügen über spezifische Kanäle, deren Aufbau (3. Bild v.l.) ETH-Forscher erstmals hochaufgelöst aufklärten. (Grafik: Gregor Weiss / ETH Zürich)
Die Verbindungen von Anabaena-Zellen (l.) verfügen über spezifische Kan?le, deren Aufbau (3. Bild v.l.) ETH-Forscher erstmals hochaufgel?st aufkl?rten. (Grafik: Gregor Weiss / ETH Zürich)

?Mit herk?mmlicher Elektronenmikroskopie konnte man diese Details bisher nicht kl?ren. Dank einer Erweiterung der Kryo-Elektronenmikroskopie ist es uns gelungen, Einblicke in bislang unerreichter Genauigkeit zu erhalten?, sagt Martin Pilhofer, Professor am Institut für Molekularbiologie und Biophysik der ETH Zürich.

Pilhofers Doktorand Gregor Weiss entwickelte ein Verfahren, um die Cyanobakterien so zu pr?parieren, dass die Kan?le mittels Kryo-Elektronenmikroskopie sichtbar gemacht werden konnten. Dazu ?fr?ste? Weiss in gefrorenen Cyanobakterien die Verbindungsstelle zwischen zwei Zellen schichtweise ab, bis seine Probe dünn genug war. Die kugeligen Zellen w?ren ohne Vorbehandlung für eine Anwendung in der Kryo-Elektronenmikroskopie zu dick.

?Aufgrund der komplexen Struktur der Verbindungskan?le vermuteten wir einen Mechanismus, der die Kan?le ?ffnet und schliesst?, sagt Karl Forchhammer, Professor für Mikrobiologie an der Universit?t Tübingen. Tats?chlich konnte er zusammen mit seinem Team nachweisen, wie die Zellen des Verbands unter verschiedenen Stressbedingungen miteinander kommunizieren. Dazu f?rbten sie Cyanobakterien-Ketten mit einem fluoreszierenden Farbstoff ein und bleichten dann einzelne Zellen gezielt mit einem Laser. Danach massen die Forscherinnen den Einstrom des Farbstoffs aus Nachbarzellen.

Mithilfe dieser Methode konnten die Forschenden zeigen, dass die Kan?le bei Behandlung mit Chemikalien oder im Dunkeln tats?chlich dichtmachen. Dabei verschliesst sich die filigrane Kappenstruktur eines Kanals wie eine Irisblende und unterbricht den Stoffaustausch zwischen den Zellen, was die Wissenschaftler an unterschiedlich starker Fluoreszenz erkannten.

Schliessmechanismus schützt Zellverband

?Ein solcher Schliessmechanismus schützt den gesamten Zellverband?, sagt Forchhammer. So k?nne eine Zelle verhindern, dass sie beispielsweise Schadstoffe an ihre Nachbarzellen weitergebe, was den gesamten Organismus zum Absterben bringen k?nnte. Auch k?nnen die Cyanobakterien mithilfe der Kan?le verhindern, dass bei mechanischer Besch?digung einzelner Zellen der Inhalt des gesamten Verbundes ausl?uft.

Mit ihrer Studie k?nnen die Forschenden aufzeigen, dass Zellverbindungen in mehrzelligen nicht n?her verwandten Organismen im Lauf der Evolution mehrmals ?erfunden? wurden und sich parallel entwickelten. ?Dies unterstreicht, wie wichtig es ist, dass ein mehrzelliger Organismus den Warentransport zwischen einzelnen Zellen kontrollieren kann?, sagt Pilhofer. Mit der Kl?rung der Kanalstruktur und –funktion bei Cyanobakterien fügen die ETH-Forscher dem Gesamtbild ein weiteres Puzzleteil hinzu. ?Für uns ist diese Arbeit biologische Grundlagenforschung ohne Fokus auf eine m?gliche Anwendung. Vielmehr erlauben uns die neuen Daten Einblicke in die Evolution komplexer Lebewesen?, erkl?rt der ETH-Professor.

Mit dem Abspielen des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerkl?rung von YouTube.Mehr erfahren OK
(Video: Gregor Weiss / ETH Zürich)

Literaturhinweis

Weiss GL, Kieninger A-K, Maldener I, Forchhammer K, Pilhofer M. Structure and function of a bacterial gap junction analog. Cell, 2019, July 11th. DOI externe Seite10.1016/j.cell.2019.05.055

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert