Was weltweit die Erosion antreibt

ETH-Forscher rollen die Ursachen für die Erosion von B?den weltweit neu auf – und sie erkennen, dass L?nder die Bodenerosion erstaunlich stark beeinflussen. Dieser ?L?ndereffekt? blieb bisher unerkannt.

Die Grenze zwischen Haiti und der Dominikanischen Republik ist leicht anhand der Vegetation erkennbar. (Foto: UNEP - United Nations Environmental Programme )
Die Grenze zwischen Haiti und der Dominikanischen Republik ist leicht anhand der Vegetation erkennbar. (Foto: UNEP - United Nations Environmental Programme)

Bodenerosion ist ein globales Problem, das die Ern?hrungssicherheit und die Funktionstüchtigkeit von ?kosystemen bedroht. Bodenerosion verschlechtert Wasser, Luft und den Boden selbst. Ausserdem verursacht Erosion eine Reihe indirekter Sch?den, weil beispielsweise Landwirte den Verlust der natürlichen Bodenproduktivit?t mit mehr Dünger kompensieren. Zurzeit verliert der Mensch deutlich mehr Boden als neugebildet wird. Ohne Boden sind Agrar- und Forstwirtschaft schlicht unm?glich. Viele Regierungen versuchen deshalb, die Erosion ihrer B?den zu bek?mpfen.

Etliche Ursachen für Bodenerosion sind bis heute nicht gut verstanden. Zum Beispiel war nicht klar, ob und wie L?nder ihre Bodenerosion beeinflussen. Bis anhin erkannte die Forschung vor allem wechselseitige Beziehungen, sogenannte Korrelationen, wie die, dass in armen L?ndern die Erosion st?rker ist als in reichen Nationen. Kausale Effekte zu identifizieren war und ist hingegen sehr schwierig.

Bodenerosion fernerkundet und modelliert

David Wüpper und Robert Finger von der Gruppe für Agrar?konomie und -politik der ETH Zürich sowie Pasquale Borrelli von der Universit?t Basel untersuchten nun anhand von Satellitenbildern und vielen weiteren Datenquellen die sozio?konomischen Ursachen der weltweiten Bodenerosion.

Auf der Basis von hochaufgel?sten Fernerkundungs-Daten erstellten die Forscher eine Karte, auf der sie die modellierten Erosionsraten in Kilometerquadraten eintrugen. Mithilfe eines statistischen Modelles untersuchten die Forscher dann, ob sich die Erosionsrate kontinuierlich ver?ndert, aber just an L?ndergrenzen abrupt ?springt?. Solche Sprünge werden von den L?ndern verursacht.

Vergr?sserte Ansicht: Natürlicherweise (links) wäre die Erosion auf ganz Hispaniola fast gleich. Aktuell schnellt sie an der Grenze in die Höhe. (Grafik: aus Wüpper et al., 2019, Nat. Sustain.)
Natürlicherweise (links) w?re die Erosion auf ganz Hispaniola fast gleich. Aktuell schnellt sie an der Grenze in die H?he. (Grafik: aus Wüpper et al., 2019, Nat. Sustain.)

Auf einer zweiten Karte modellierten die Forscher auch die m?gliche natürliche Erosionsrate. Somit konnten sie erkennen, wie gross der Unterschied zwischen aktueller und natürlicherweise auftretender Erosion ist und ob es an den politischen Grenzen natürliche Sprünge in der Erosionsrate g?be.

Auf diese Weise ist es Wüpper und Finger gelungen, den ?L?ndereffekt? als Ursache für Bodenerosion festzumachen. Dies zeigen die Forscher in einer Studie, die soeben im Fachmagazin ?Nature Sustainability? erschien.

Am deutlichsten sieht man den L?ndereffekt entlang von politischen Grenzen, denn hier lassen sich Beobachtungen am besten vergleichen. ?Die Rate, mit der B?den erodieren, h?ngt stark davon ab, auf welcher Seite einer Grenze und somit in welchem Land der Boden liegt?, sagt Erstautor David Wuepper.

Als ein illustratives Beispiel dient den Forschern die Insel Hispaniola, auf der Haiti und die Dominikanische Republik liegen. Von Natur aus w?re die Insel einheitlich mit dichtem tropischen Wald bedeckt; die natürliche Erosion w?re sehr gering, da die Vegetation den Boden vor Regen schützen würde.

Sprunghafter Erosionsanstieg

Tats?chlich aber stellten die Forscher fest, dass entlang der Grenze die B?den Haitis pro Jahr und Hektare 50 Tonnen mehr Material verlieren als die B?den der Dominikanischen Republik. W?re Hispaniola im Naturzustand ohne menschliche Eingriffe, g?be es entlang der Grenze keinen sprunghaften Anstieg der Bodenerosion. ?Dieser Sprung deutet auf politische Einheiten hin, nicht auf naturr?umliche Grenzen?, sagt Wüpper.

Die Erosionsdifferenz entlang der Grenze der beiden Karibikstaaten ist extrem hoch: sie ist 30 Mal h?her als der weltweite Durchschnitt, der gem?ss den Berechnungen der Forscher bei 1,4 Tonnen pro Jahr und Hektare Ackerland liegt. Zum Vergleich: die Erosionsrate Deutschlands ist um 0,2 Tonnen tiefer als die der Nachbarl?nder. Die Forscher werten dies als sehr positiv. Es deutet darauf hin, dass die Erosion in den meisten deutschen Nachbarl?ndern ebenfalls eher niedrig ist. ?Dies verdeutlicht, wie uneinheitlich das gefundene Muster global ist?, sagt Wüpper. Den st?rksten Einfluss auf die Bodenerosion der L?nder hat die Landwirtschaft respektive die Art und Weise, wie Bauern den Boden bewirtschaften. Das Einkommensniveau der L?nder hat hingegen keinen Einfluss.

Potenzial ersichtlich

Die Studie hebt nicht nur Vers?umnisse und Mankos beim Bodenschutz hervor. Sie zeigt vor allem Potenziale auf, dass und wie L?nder den Schutz der B?den verbessern k?nnen. Der Hebel, den der L?ndereffekt biete, sei riesig, das sei vor der Studie so nicht klar gewesen. Bisher habe man die Bodenerosion vor allem als lokales Problem aufgefasst. ?Nun zeigten wir auf, dass auch übergeordnete Ebenen die Erosion in einem Land stark beeinflussen?, betont Finger.

Mit der Methode der ETH-Forscher l?sst sich zudem feststellen, ob Massnahmen für besseren Bodenschutz, die Staaten ergreifen, wirksam sind oder nicht. Eine solche Massnahme ist beispielsweise das Schaffen von ?konomischen Anreizen für eine umfassendere Bodenbedeckung oder eine verminderte Bodenbearbeitung. Erosionsschutz kann aber auch in neuen Zielkonflikten resultieren, wenn zum Beispiel reduzierte Bodenbearbeitung mit steigendem Pestizideinsatz zur Bek?mpfung von Unkraut einhergeht. ?Als Grundlage für gute Politikentscheide gilt es, diese Zielkonflikte zu identifizieren und zu quantifizieren?, sagt Finger.

Er und Wüpper arbeiten bereits an einer Nachfolgestudie, die solche Trade-offs untersucht. Sie wollen mit der gleichen Methodik weltweit den Zielkonflikt aller L?nder zwischen Ertragssteigerung und Gew?sserschutz beziffern.

Der Boden dieses Olivenhains in Italien ist der Erosion schutzlos ausgesetzt. (Foto: Artemi Cerda)
Der Boden dieses Olivenhains in Italien ist der Erosion schutzlos ausgesetzt. (Foto: Artemi Cerda)

Literaturhinweis

Wuepper D, Borrelli P, Finger R. Countries and the global rate of soil erosion. Nature Sustainability (2019). doi externe Seite10.1038/s41893-019-0438-4

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