Ein Material mit besonderem Dreh

In einem Material aus zwei leicht gegeneinander verdrehten, dünnen Kristallschichten haben ETH-Forschende das Verhalten von stark wechselwirkenden Elektronen untersucht. Dabei fanden sie einige verblüffende Eigenschaften

Elektronen in einer Scheibe
Elektronen (grün) in einer Scheibe des verdrehten Sandwich-Materials. Mit Hilfe von durch Laserlicht angeregten Elektronen (schwarz / rot) k?nnen die Eigenschaften des Materials untersucht werden. (Visualisierung: ETH Zürich / Yuya Shimazaki)

Viele moderne Technologien beruhen auf speziellen Materialien, wie etwa den für Computer wichtigen Halbleitern, in denen sich Elektronen mehr oder weniger frei bewegen k?nnen. Wie frei die Elektronen sind, wird durch ihre Quanteneigenschaften und durch die Kristallstruktur des Materials bestimmt. Meist bewegen sie sich unabh?ngig voneinander. Unter bestimmten Bedingungen jedoch k?nnen starke Wechselwirkungen zwischen den Elektronen zu besonderen Ph?nomenen führen. Ein bekanntes Beispiel dafür sind Supraleiter, in denen sich Elektronen zu Paaren zusammentun und so widerstandsfrei elektrischen Strom leiten.

Am Institut für Quantenelektronik in Zürich erforscht ETH-Professor Ata? Imamo?lu Materialien mit stark wechselwirkenden Elektronen. Er m?chte das Verhalten der Elektronen in diesen Materialien besser verstehen und ist auf der Suche nach unerwarteten Eigenschaften, die für sp?tere neuartige Anwendungen interessant sein k?nnten. In einem ?verdrehten? Material haben er und seine Mitarbeiter nun überraschende Entdeckungen zum Verhalten von Elektronen gemacht, wie sie im Fachjournal externe SeiteNature berichten.

Moiré-Muster im Kristall

Um auf kontrollierte Weise starke Wechselwirkungen zwischen den Elektronen zu erzeugen, verwendet Imamo?lus Arbeitsgruppe hauchdünne Scheiben aus einer nur ein Atom dicken Schicht eines Molybd?n-Diselenid-Kristalls. Solche Scheiben bezeichnet man auch als zweidimensionale Materialien, da Elektronen sich darin nur in einer Ebene frei bewegen k?nnen. Dies alleine sorgt schon für eine Menge überraschender Eigenschaften, wie man sie zum Beispiel auch in Graphen beobachtet, das ebenfalls zu den zweidimensionalen Materialien geh?rt.

Moiré Muster
Der Moiré-Effekt mit zwei übereinandergelegten Gittern. Durch die leichte Verdrehung der Gitter gegeneinander ergibt sich ein gr?beres Moiré-Muster mit weit entfernten Gitterpunkten. (Visualisierung: ETH Zürich / Yuya Shimazaki)

Noch interessanter wird es allerdings, wenn man zwei solcher Scheiben übereinanderlegt und ihre Kristallrichtungen leicht gegeneinander verdreht. Dann kommt es zu einem Effekt, den man aus dem Fernsehen kennt: Tr?gt jemand eine Krawatte oder ein Kleid aus einem karierten oder gestreiften Stoff, so sieht man auf dem Bildschirm manchmal seltsame Muster. Diese werden auch als Moiré-Muster bezeichnet.

?hnliches passiert in Imamo?lus Materialien. Durch die Verdrehung der beiden Scheiben entsteht eine Art Moiré-Kristallgitter, das einem fiktiven Kristall mit weiter voneinander entfernten Atomen entspricht. Ein solcher Kristall hat einen viel schw?cheren Einfluss auf die Bewegung der Elektronen, so dass die Wechselwirkungen zwischen den Elektronen im Verh?ltnis st?rker ins Gewicht fallen.

Verblüffende Eigenschaften

?Nach dem Motto ?mehr ist besser? haben wir zus?tzlich noch eine dünne Schicht eines anderen Materials zwischen die Molybd?n-Diselenid Scheiben eingefügt?, sagt Yuya Shimazaki, leitender Postdoktorand in Imamo?lus Arbeitsgruppe. Diese Schicht aus Bornitrid sorgt dafür, dass Elektronen trotz der N?he zwischen den beiden verdrehten Scheiben nicht hin und her tunneln k?nnen. Legt man danach eine elektrische Spannung an das Material, l?sst sich dadurch genau kontrollieren, wie viele Elektronen sich darin aufhalten. Um schliesslich herauszufinden, wie sich die Elektronen nun in diesem Sandwich-Material bewegen, beleuchteten die Forscher es mit Laserlicht und regten dadurch die Elektronen an.

?Unser Material erlaubt es, Elektronen mit optischen Mitteln zu untersuchen?, erkl?rt Imamo?lu. ?Das ist ein grosser Vorteil gegenüber anderen 2D-Materialien wie etwa Graphen.?  Aus den Lichtsignalen, welche die angeregten Elektronen aussenden, lassen sich viele verblüffende Eigenschaften der Elektronen herauslesen. Am überraschendsten fanden die Physiker das Verhalten ihres Materials, wenn es genauso viele Elektronen enthielt, wie es Gitterpunkte in den Moiré-Gittern der beiden Scheiben gab.

In diesem Fall bildeten sich in beiden Scheiben so genannte Mott-Isolator-Zust?nde, in denen jeweils genau ein Elektron einen Gitterplatz besetzt. Das Besondere dabei war, dass sich die Mott-Isolator-Zust?nde gegenseitig stabilisierten und selbst durch starke ?ussere elektrische Felder nicht bewegt werden konnten und daher auch kein Strom floss. ?Das ist das erste Mal, dass ein solches Verhalten beobachtet werden konnte?, sagt Imamo?lu.

Ideales Material für künftige Untersuchungen

Das neue Material ?ffnet die Tür für eine ganze Reihe von weiteren spannenden Untersuchungen, denn das Material ist ideal für kontrollierte Experimente mit stark wechselwirkenden Elektronen. ?ber die Bornitrid-Schicht und den Winkel zwischen den Molybd?n-Diselenid-Scheiben k?nnen die Forscher die Eigenschaften des Materials und die St?rke der Wechselwirkungen ver?ndern. Das erlaubt es ihnen, komplexe physikalische Vorg?nge zu untersuchen, die sich in anderen Materialien nur schwer realisieren lassen.

Literaturhinweis

Shimazaki Y, Schwartz I, Watanabe K, Taniguchi T, Kroner M and Imamo?lu A. Strongly correlated electrons and hybrid excitons in a moiré heterostructure. Nature,13. April 2020, doi: externe Seite10.1038/s41586-020-2191-2

Weitere Informationen?

Institut für Quantenelektronik der ETH Zürich (auf Englisch)

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