Kostengünstige Sauerstoff-Konzentratoren
Weil das Sars-Coronavirus-2 die Lunge angreift, brauchen an Covid-19 erkrankte Personen Luft, die mit Sauerstoff angereichert ist. Mit neuen Ideen und Prototypen für Sauerstoff-Konzentratoren m?chten Forschende der ETH Zürich einen weltweiten Sauerstoff-Engpass vermeiden, der der Menschheit aufgrund der Pandemie droht.
Das neue Virus erobert die Welt. Je mehr Menschen sich mit Sars-CoV-2 anstecken, desto mehr wird es auch F?lle mit schwerem Krankheitsverlauf geben. Bei diesen dringt das Virus bis in die unteren Atemwege vor, was das k?rpereigene Abwehrsystem dazu bringt, das befallene Lungengewebe anzugreifen. Die Patientinnen und Patienten leiden an Atemnot.
?Wenn die H?lfte der Lungenoberfl?che besch?digt ist, braucht es doppelt so viel Sauerstoff in der Atemluft, damit der K?rper ausreichend mit Sauerstoff versorgt ist?, sagt Wendelin Stark, Professor am Institut für Chemie- und Bioingenieurwissenschaften und Leiter des Functional Materials Lab der ETH Zürich. Weil es gegen Covid-19 noch keine wirksamen Medikamente gibt, müssen die Betroffenen die Erkrankung m?glichst überstehen, bis die Symptome nach zwei bis drei Wochen wieder abflauen. ?Mit Sauerstoff l?sst sich Zeit kaufen?, sagt Stark.
Weiterer Engpass neben den Masken
Dass bei den Masken und Beatmungsger?ten eine zunehmende Knappheit herrscht, zeichnet sich schon klar ab. Doch Stark befürchtet, dass sich mit der raschen Verbreitung des Virus ein weiterer Engpass ergibt: ?Eine rigorose Analyse zeigt, dass es mehr Ger?te braucht, die Sauerstoff anreichern k?nnen. Vor allem auch in L?ndern mit tiefem Einkommen, etwa im Nahen Osten oder in Afrika, wo nur wenige intensivmedizinische Behandlungspl?tze verfügbar sind.?
Die ETH-Forschenden verfolgen dabei zwei verschiedene Strategien. Auf der einen Seite setzen Samuel Hess und Elia Schneider, die beide bei Stark doktoriert hatten, auf eine neuartige Membrantechnologie. Damit k?nnen sie unterschiedlich grosse Moleküle voneinander trennen. ?Die Porengr?sse unserer Membran l?sst sich pr?zise einstellen, das macht unsere Plattformtechnologie vielseitig anwendbar?, sagt Hess. Unisieve AG, das ETH Spin-off, mit dem Hess und Schneider die Membrantechnologie kommerzialisieren, verfügt bereits über eine Membran, die Sauerstoff von Stickstoff trennt. Nun verarbeitet das Unisieve-Team diese Membran zu Kartuschen, die mittels Druckluft Sauerstoff anreichern k?nnen.
Auf der anderen Seite konzipieren Stark und sein Team als Antwort auf die Pandemie m?glichst einfache und kostengünstige Sauerstoff-Konzentratoren. ?Es motiviert uns, dass wir als Ingenieure einen Beitrag zur Verbesserung der Situation beisteuern k?nnen?, sagt Stark. ?Wir haben schon mehrere Prototypen erstellt, die wir aktuell ausbauen und verbessern?, erg?nzt Robert Grass, Starks Ko-Pilot in diesem Projekt. ?Auf der Projektwebseite ver?ffentlichen wir unsere Baupl?ne und Videos mit dem Ziel, dass die Sauerstoff-Konzentratoren an einem fast beliebigen Ort der Welt nachgebaut werden k?nnen – und zwar mit Materialien, die überall zur Verfügung stehen.?
Zu Laboren umfunktionierte Hobbyr?ume
Wie die kommerziell vertriebenen Ger?te enthalten auch die Prototypen von Stark und seinem Team Kolonnen, die mit einem Material namens Lithium-X-Zeolith gefüllt sind. Es hat sehr kleine Poren und eine spezielle chemische Struktur, so dass die Sauerstoffmoleküle in der Luft hindurch kommen, die Stickstoffmoleküle aber festgehalten werden. Es genügt also, pulsweise Luft durch die Kolonne zu pressen, um den Sauerstoff im Gasgemisch anzureichern.
Das Problem ist, dass Lithium-?X-Zeolith teuer ist – und nur von hochspezialisierten Firmen angeboten wird. Stark und sein Team haben deshalb – daheim in ihren zu vorübergehenden Forschungslaboren umfunktionierten Hobbyr?umen – aus einem Trocknungsmittel und Lithium-?Batterien das mikropor?se Material selbst hergestellt. Aus drei guten Laptop-?Batterien l?sst sich genügend Lithium für eine Patientenstation gewinnen, haben Stark und seine Mitarbeitenden berechnet.
Lokale L?sungen
Wer selber Atemger?te bauen kann, ist nicht auf weltweite Lieferketten angewiesen, auf die in Zeiten der Corona-?Krise weniger Verlass ist als sonst. Stark setzt deshalb auf lokale L?sungen: ?In einkommensschwachen L?ndern gibt es eine ausgepr?gte Bastel-? und Werkstattkultur – und viele geschickte und gescheite Leute. Ich bin zuversichtlich, dass sie mit unseren Anweisungen auch an abgelegenen Orten dezentral Sauerstoff herstellen k?nnen.?
Pfeiler der aktuellen ETH-Corona-Forschung
Um die Forschung zum neuen Coronavirus voranzutreiben, hat die ETH Zürich über 20 Projekte aus unterschiedlichen Fachbereichen gutgeheissen. Die Spezialbewilligungen erlaubt es Forschenden, ihre Arbeit im Labor wiederaufzunehmen respektive fortzuführen. Die Projekte lassen sich in vier Clustern bündeln: Diagnostik, Wirkstoff- und Impfstoffsuche, Epidemiologie, Schutzkleidung und Intensivbehandlung.