Hummeln bringen Pflanzen schneller zur Blüte
Wenn Pollen Mangelware sind, besch?digen Hummeln Bl?tter von Blütenpflanzen so, dass diese schneller blühen. Das zeigt ein ETH-Forschungsteam unter der Leitung von Consuelo De Moraes und Mark Mescher.
Dieser Frühling kam so früh wie nie zuvor. Viele Pflanzen standen bereits Mitte April in voller Blüte, also rund drei bis vier Wochen früher als normal. Solche Anomalien treten als Folge des Klimawandels immer h?ufiger auf, und die daraus resultierende Unsicherheit droht die jahreszeitliche Abstimmung zwischen Pflanzen und ihren Insektenbest?ubern zu st?ren.
Nun hat aber ein Forschungsteam unter der Leitung der ETH-Professoren Consuelo De Moraes und Mark Mescher ein eigenartiges Verhalten von Hummeln entdeckt, das die zeitliche Abstimmung zwischen den Pollensammlerinnen und den von ihnen best?ubten Pflanzen verbessert.
Die Forschenden zeigen in einer soeben im Fachmagazin ?Science? ver?ffentlichten Studie auf, dass Hummelarbeiterinnen mit ihren Mundwerkzeugen in die Bl?tter von blütenlosen Pflanzen kneifen. Der daraus entstandene Schaden regt die Pflanzen zur Produktion neuer Blüten an, die früher blühen als diejenigen von Pflanzen, denen Hummeln diesen ?Stupser? nicht gegeben haben.
?Frühere Arbeiten zeigten, dass verschiedene Arten von Stress Pflanzen zum Blühen bringen k?nnen. Aber dass die von Hummeln verursachten Sch?den die Blütenproduktion beschleunigen, war unerwartet?, sagt Mescher.
Hummelverbiss als Problem
Erstmals bemerkt hatten die Forschenden das Verhalten w?hrend anderer Experimente mit Hummeln und Pflanzen. Eine der Erstautorinnen der Studie, Foteini Pashalidou, beobachtete im Gew?chshaus, wie die Insekten nicht-blühende Versuchspflanzen anbissen. Auch von anderen Wissenschaftlern wurde dieses Verhalten schon beobachtet. Genauere Untersuchungen fehlten aber.
In der Folge führten die ETH-Forschenden mehrere Labor- und Freilandversuche mit Kolonien von Erdhummeln (Bombus terrestris) aus Zuchten und an einer Vielzahl an Pflanzen durch.
Anhand der Laborversuche mit Tomaten- und Senfpflanzen konnten die Forschenden aufzeigen, dass die Neigung der Hummeln, Bl?tter zu sch?digen, stark von der verfügbaren Pollenmenge abh?ngt. Stehen den Best?uberinnen keine oder nur wenige Pollen zur Verfügung, sch?digen sie die Bl?tter ihrer potenziellen Nahrungslieferantinnen h?ufiger und st?rker, als wenn genug Pollen vorhanden sind.
Die Forschenden fanden weiter heraus, dass sich die Sch?den an Bl?ttern der Versuchspflanzen stark auf die Blütezeit auswirken. Tomatenpflanzen, die dem Hummelverbiss ausgesetzt waren, blühten bis zu 30 Tage früher als solche ohne Verbiss. Bei Senfpflanzen verschob sich der Blühzeitpunkt um zwei Wochen nach vorne.
?Die durch die Best?uberinnen zugefügten Sch?den hatten einen dramatischen Einfluss auf die Blüte. Dieser wurde bisher wissenschaftlich noch nicht beschrieben?, sagt De Moraes. Es komme zudem darauf an, in welchem Entwicklungsstadium eine Pflanze sei, wenn sie gebissen werde. ?Dies beeinflusst ebenfalls, wie stark die Blüte beschleunigt wird?. Die Forschenden wollen diesen Zusammenhang noch genauer untersuchen.
Die Wissenschaftlerinnen versuchten zudem, die Schadensmuster der Hummeln manuell zu verursachen, um zu schauen, ob sie den Effekt auf die Blütezeit reproduzieren konnten. Aber obwohl beide Pflanzenarten nach diesem Eingriff etwas früher blühten, war der Effekt nicht ann?hernd so stark wie der durch die Hummeln verursachte. De Moraes vermutet deshalb, dass innerhalb der Pflanze ein chemisches Signal beteiligt sein k?nnte. ?Oder wir konnten die Blattsch?den nicht genau genug nachahmen?, sagt sie.
Ph?nomen auch im Freiland beobachtet
Das ETH-Forschungsteam konnte das Verhalten der Hummeln auch unter natürlicheren Bedingungen beobachten. Unter Leitung von Doktorandin Harriet Lambert führten die Forschenden Folgeexperimente auf den D?chern zweier ETH-Geb?ude im Zentrum von Zürich durch. Auch bei diesen Versuchen beobachteten die Forschenden, dass hungrige Hummeln mit ungenügender Pollenversorgung h?ufig die Bl?tter nicht blühender Pflanzen besch?digten. Die Insekten reduzierten das Verhalten jedoch konsequent, wenn ihnen die Forschenden mehr Blüten zur Verfügung stellten.
Darüber hinaus verbissen nicht nur die Zuchthummeln aus den Versuchskolonien die Pflanzenbl?tter. Auch mindestens zwei Arten Wildhummeln sch?digten die Bl?tter von Pflanzen auf den Versuchsfl?chen. Andere nahverwandte Best?uberinnen wie Honigbienen zeigten jedoch kein solches Verhalten. Die Bienen schienen nicht blühende Pflanzen zu ignorieren, obwohl sie nahe gelegene Flecken mit blühenden Pflanzen h?ufig besuchten.
Eingespielte Balance droht zu kippen
?Hummeln haben m?glicherweise eine wirksame Methode entwickelt, um lokal Pollenmangel zu lindern?, sagt De Moraes, ?und draussen in der Natur gibt es auch andere Best?uber, die von den Bemühungen der Hummeln profitieren k?nnten?.
Es bleibe jedoch abzuwarten, ob dieses Verhalten ausreiche, um die Herausforderungen des Klimawandels zu bew?ltigen. Insekten und Blütenpflanzen teilen eine lange gemeinsame Entwicklungsgeschichte, die ein empfindliches Gleichgewicht zwischen Blühzeitpunkt und Best?uberentwicklung hervorbrachte.
Die globale Erw?rmung und andere menschgemachte Umweltver?nderungen k?nnten den zeitlichen Ablauf dieser und anderer ?kologisch wichtiger Wechselwirkungen zwischen den Organismen st?ren. Solche raschen Umweltver?nderungen k?nnten dazu führen, dass die Entwicklung von Insekten und Pflanzen zunehmend asynchron verlaufen. ?Dabei werden beide Seiten verlieren?, sagt Mescher.
Literaturhinweis
Paschalidou FG, Lambert H, Peybernes T, Mescher MC, De Moraes CM. Bumble bees damage plant leaves and accelerate flower production when pollen is scarce. Science, online publiziert 21. Mai 2020. DOI: externe Seite 10.1126/science.aay0496