Der Feuerring der Venus
ETH-Forschende klassifizierten mithilfe von Computersimulationen die heutigen Aktivit?ten von Coronae-Strukturen auf der Oberfl?che der Venus – und finden zu ihrer ?berraschung einen bis dato unentdeckten Feuergürtel auf unserem Nachbarplaneten.
Auf der Oberfl?che der Venus entdeckten Planetenforscher schon vor Jahren auf hochaufl?senden Bildern der Nasa-Mission ?Magellan? eigenartige ringf?rmige Strukturen. Coronae (lat. Kronen; Einzahl: Corona) werden diese genannt, und ETH-Forschende um Taras Gerya, Professor für Geophysik am Departement Erdwissenschaften, erforschten vor einigen Jahren mithilfe von Computermodellen, wie diese Strukturen entstanden sein k?nnten (vgl. ETH News, 21.02.2014).
Bis heute gehen die meisten Forschenden davon aus, dass sogenannte Mantelplumes, die tief aus dem Inneren des Planeten aufsteigen, die kreisf?rmigen Strukturen an der Oberfl?che hervorbringen.
Mantelplumes sind S?ulen aus heissem, geschmolzenen Gestein, das durch Konvektionsbewegungen im unteren Mantel bis zur Kruste gelangt. Dort breitet sich der oberste Teil der S?ule pilzf?rmig aus. Die mitgeführte Hitze schmilzt die darüberliegende Kruste kreisf?rmig auf. Kontinuierlich aus der Tiefe emporsteigendes Material verbreitert den Kopf des Plume und weitet die Ringstruktur auf der Oberfl?che aus – eine Corona entsteht. Die harte Kruste, welche den Mantelplume umgibt, zerbricht und taucht schliesslich unter den Rand der Corona ab, was lokal tektonische Prozesse in Gang setzt.
Coronae-Vielfalt mit dem Computer simuliert
Doch die Topografie von Coronae sind mitnichten homogen oder einfach zu beschreiben. ?Auf der Venus-Oberfl?che kommen solche Strukturen in einer grossen Vielzahl von Formen und Gr?ssen vor?, sagt Anna Gülcher, Doktorandin in Geryas Forschungsgruppe.
Mithilfe eines gr?sseren Satzes von verbesserten 3D-Simulationen hat Gülcher die Coronae deshalb erneut untersucht, um die Vielfalt der Oberfl?chentopografie mit darunter ablaufenden Prozessen zu verknüpfen. Ihre Studie ist soeben in der Fachzeitschrift ?Nature Geoscience? erschienen.
Die neuen Simulationen zeigen, dass die Topografie einer Corona davon abh?ngt, wie dick und stark die Kruste an der Stelle ist, an welcher ein Mantelplume auftrifft. Dabei ging klar hervor, dass die Coronae-Topografien davon abh?ngen, wie aktiv die darunterliegende Magmas?ule ist.
Aktive Plumes bilden Feuerring der Venus
Diese Unterscheidung erlaubte es der Forscherin und ihren Kollegen, über hundert grosse Coronae der Venus in zwei wesentliche Gruppen einzuteilen, n?mlich solche, unter denen derzeit ein aktiver Plume aufsteigt und geschmolzenes Material mitführt, und jene, unter denen der Plume erkaltet und inaktiv geworden ist. ?Jede Corona-Struktur hat eine spezifische Signatur, die anzeigt, was darunter vor sich geht?, sagt Gülcher.
Alle aufgrund ihrer Aktivit?t eingeteilten Coronae trug die Forscherin auf einer Venus-Karte ein. Zu ihrer ?berraschung konnte sie die meisten der Strukturen, die über aktiven Mantelplumes liegen, auf einem Gürtel in der unteren Hemisph?re der Venus verorten. Nur wenige aktive liegen ausserhalb dieses Bandes. Gülcher: ?Wir nannten es deshalb in Anlehnung an den ‘Pazifischen Feuerring der Erde’ den ‘Feuerring der Venus’.? Sie geht davon aus, dass der Feuerring der Venus mit einer Zone zusammenf?llt, in der besonders viel Plume-Material aufst?sst.
Es sei jedoch wichtig zu beachten, dass auf der Erde die Plattentektonik für die Lage und Dynamik des Feuerrings verantwortlich sei. Auf der Venus sei es vertikaler Hotspot-Vulkanismus, der auf der Erde nur an wenigen Orten vorkomme.
Weshalb sich die Mantelplumes auf der Venus genau in solch einem Gürtel anordnen und was dies heisst in Bezug auf Prozesse, die sich tief im Inneren dieses Planeten abspielen, ist eine wichtige Frage. Diese k?nnte in künftigen Studien mit Computersimulationen im grossen Massstab angegangen werden, erkl?rt Gülcher.
Grosse Rechenkapazit?t erforderlich
In ihren Modellen simulieren die Forschenden nur wenige hundert Kilometer des obersten Teils eines Mantelplumes. In Realit?t aber k?nnten solche Magmas?ulen über 1000 Kilometer lang sein. ?Die gesamte L?nge zu simulieren, kommt aufgrund der erforderlichen Rechenkapazit?t nicht in Frage?, sagt Gülcher. Nur schon die aktuellen Simulationen sind achtmal gr?sser als bisherige. Gerechnet wurden sie auf dem Euler-Cluster der ETH.
Von ihren Erkenntnissen erhoffen sich die Planetenforschenden auch neue Einsichten darüber, wie Mantelplumes im Inneren der Erde funktionieren. Sie dürften verantwortlich sein für die Entstehung von Hotspot-Vulkanismus wie er sich beim Hawaiianischen Inselarchipel ?ussert. Mantelplumes k?nnten zudem ein Ausl?ser für die auf der Erde beobachtete Plattentektonik gewesen sein, wie die Forschungsgruppe von Taras Gerya ebenfalls mit Hilfe von Simulationen aufzeigte. Wie damals erw?hnt, k?nnte die Venus als Modell für die Prozesse dienen, die sich auf der frühen Erde abgespielt haben k?nnten.
Literaturhinweis
Gülcher A, et al. Corona structures driven by plume–lithosphere interactions and evidence for ongoing plume activity on Venus. Nature Geoscience, online publiziert 20. Juli 2020. DOI: externe Seite 10.1038/s41561-020-0606-1