Ausgezeichnete Synergien in der Quantenforschung
Zwei Forschungsprojekte mit Beteiligung der ETH Zürich haben einen der hochdotierten ERC Synergy Grants erhalten. Mit dem F?rderpreis will die EU wegbereitende Forschung f?rdern, die nur durch die Synergie mehrerer Teams m?glich ist. In die beiden Projekte fliessen nun über 26 Millionen Euro.
W?hrend die Grundlagenforschung voranschreitet, werden die Sachverhalte immer komplexer. Um dem beizukommen, müssen Grenzen zwischen den Disziplinen überschritten und Know-how und Ressourcen aus verschieden Bereichen kombiniert werden. 2012 hat der Europ?ische Forschungsrat ERC den Synergy Grant ins Leben gerufen. Damit zeichnet er Projekte aus, welche auf besonders effektive und innovative Art Synergien nutzen, um dr?ngende Forschungsfragen zu untersuchen. An den Projekten müssen zwei bis vier Forschungsgruppen beteiligt sein. Der ERC gab heute bekannt, dass zwei Projekten mit Beteiligung der ETH Zürich ein Synergy Grant zuf?llt. Dafür spricht er insgesamt 26,6 Millionen Euro, wobei 11,8 Millionen Euro der ETH Zürich zukommen. Beide Projekte befassen sich mit Quantenforschung. W?hrend die ETH-Professoren Lukas Novotny und Romain Quidant im Rahmen von Q-Xtreme versuchen, ein besonders grosses Objekt in einen Quantenüberlagerungszustand zu versetzen, werden beim Projekt Quantropy mit Beteiligung von ETH-Professor Klaus Ensslin neuartige Messverfahren entwickelt, um komplexe korrelierte Quantenzust?nde in Festk?rpern besser zu verstehen. Insgesamt erhielten dieses Jahr 34 Forschungsprojekte einen Synergy Grant, die Summe der F?rderungsgelder bel?uft sich auf rund 350 Millionen Euro.
Beziehungen zu Europa als Erfolgsfaktor
Bereits früher in diesem Jahr hat die ETH Zürich bei Vergaben von Forschungsf?rderungsmitteln des Europ?ischen Forschungsrat gut abgeschnitten: Im September wurde bekannt, dass der ERC in einer anderen Kategorie, den Starting Grants, zw?lf ETH-Projekte f?rdert. Hinzu kommen zwei Advanced Grants. ?Diese Auszeichnungen sind nicht nur eine Ehre, sondern auch eine Erinnerung daran, wie elementar unsere europ?ischen Beziehungen sind?, betont Detlef Günther, Vizepr?sident Forschung der ETH. ?Es ist wichtiger denn je, dass Europa in der Forschung n?her zusammenrückt. Wir bleiben nur auf diesem hohen Niveau, wenn wir Know-how und Ressourcen m?glichst barrierefrei austauschen und nutzen k?nnen. Zentral ist, dass die Schweiz auch nach 2020 am europ?ischen Forschungsprogramm teilnehmen kann – und zwar vollassoziiert?, gibt Günther zu bedenken. Das Forschungsprogramm ?Horizon 2020? l?uft dieses Jahr aus. Ob und in welcher Form die Schweiz am Nachfolgeprogramm ?Horizon Europe? beteiligt sein wird, ist nach wie vor unklar.
Die Projekte im ?berblick
In einem gew?hnlichen Metall bewegen sich die Elektronen weitgehend unabh?ngig voneinander. Wenn sie aber in einem komplexeren Material wechselwirken, erscheinen faszinierende und oft auch technologisch interessante Effekte. Bekannte Beispiele sind Ferromagnetismus oder Supraleitung. Daneben gibt eine wachsende Zahl von Vorhersagen für neuartige Zust?nde, in denen wechselwirkende Elektronen Eigenschaften zeigen, die einerseits der Intuition widersprechen und andererseits technologisch vielversprechend sind. Zu diesen Effekten geh?ren beispielsweise Majorana-Fermionen, die in gewisser Weise aus einem halben Elektron bestehen und bei ihrer Detektion preisgeben, wo sie zuvor waren.
Herk?mmliche Messmethoden liefern bei solchen ?exotischen? Effekten oft keine eindeutigen Ergebnisse. Klaus Ensslin vom ETH-Laboratorium für Festk?rperphysik will deshalb zusammen mit Frédéric Pierre von der Université Paris-Saclay, Joshua Folk von der University of British Columbia in Vancouver und Yigal Meir von der Ben-Gurion-Universit?t in Israel im ERC-Synergy-Projekt Quantropy grundlegend andere Messmethoden entwickeln. Das Team setzt dazu auf thermodynamische Messgr?ssen, insbesondere die Entropie. Damit werden sie erkunden, wie man komplexe korrelierte Quantenzust?nde in Festk?rpern besser verstehen kann. Für Majorana-Fermionen beispielsweise sollte der neue Ansatz eindeutig zeigen, ob diese in einem bestimmten Material auftreten. Neue Einsichten erhoffen sich die Wissenschaftler auch zu anderen Effekten, wie etwa die gerade entdeckte Supraleitung in verdrehten Graphen-Schichten.
Quantenphysikalische Eigenschaften zeigen sich am deutlichsten in winzigen Objekten: auf der Ebene einzelner Atome und von Untereinheiten von Atomen. Dort lassen sie sich auch am besten studieren. Im Vergleich zu einzelnen Atomen sind Nanopartikel riesig. In ihrem ERC-Synergieprojekt Q-Xtreme werden die ETH-Professoren Lukas Novotny und Romain Quidant zusammen mit Markus Aspelmeyer und Oriol Romero-Isart von den Universit?ten Wien und Innsbruck erstmals ein Objekt mit einem Durchmesser von 100 Nanometern in einen Quantenüberlagerungszustand versetzen. Die Wissenschaftler werden dazu ein Glaskügelchen mit optischen, elektrischen und magnetischen Kr?ften so beeinflussen, dass es sich gleichzeitig an zwei unterschiedlichen Orten (beziehungsweise an keinem der beiden Orte) befindet. In dem Projekt m?chten die Forscher den bisher extremsten Quantenzustand erzeugen – eine ?berlagerung bei einer Materialdichte, die eine Milliarde Mal gr?sser ist als die von atomaren Gasen, und bei einer 100’000-mal gr?sseren Masse als bei bisherigen Experimenten. Solche Quantenüberlagerungen sind sehr fragil und reagieren gegenüber ?usseren Einflüssen wie Tr?gheitskr?ften und der Schwerkraft empfindlich. Man wird die Experimente daher auch nutzen k?nnen, um den Einfluss der Gravitation auf Quantenüberlagerungen experimentell zu untersuchen. Ausserdem dürften damit in Zukunft empfindliche Messger?te für Beschleunigung, Rotation oder Gravitation hergestellt werden k?nnen. Die Experimente werden an der ETH Zürich und der Universit?t Wien durchgeführt; Wissenschaftler der Universit?t Innsbruck werden das Projekt mit theoretischen Arbeiten erg?nzen.