Fast wie auf der Venus
Ein internationales Team unter der Leitung von ETH-Forscher Paolo Sossi hat neue Erkenntnisse über die Erdatmosph?re vor 4,5 Milliarden Jahren gewonnen. Die Ergebnisse lassen auch Rückschlüsse auf die Ursprünge des Lebens auf der Erde zu.
S?he die Welt heute so aus wie vor viereinhalb Milliarden Jahren, w?re sie kaum wiederzuerkennen. Anstelle von W?ldern, Bergen und Ozeanen war die Oberfl?che unseres Planeten damals vollst?ndig von Magma bedeckt, dem geschmolzenen Gesteinsmaterial, das beim Ausbruch von Vulkanen an die Oberfl?che kommt. In diesem Punkt sind sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heute einig.
Unklar ist hingegen, wie die Atmosph?re zu jener Zeit aussah. Neue Untersuchungen unter der Leitung von Paolo Sossi, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der ETH Zürich und Mitglied beim Nationalen Forschungsschwerpunkt PlanetS, bringen nun einige der Geheimnisse der Uratmosph?re ans Licht. Die Ergebnisse wurden heute in der Zeitschrift Science Advances ver?ffentlicht.
Experimente mit Magma aus dem Labor
?Vor 4,5 Milliarden Jahren tauschte das Magma st?ndig Gase mit der Atmosph?re aus?, erkl?rt Paolo Sossi. ?Die Luft und das Magma beeinflussten sich dabei gegenseitig. Untersucht man das eine, lernt man auch etwas über das andere.?
Um die Uratmosph?re der Erde besser kennenzulernen, stellten die Forschenden im Labor ihr eigenes Magma her. Dazu mischten sie ein Pulver, das der Zusammensetzung des geschmolzenen Erdmantels entspricht, und erhitzten es. Das war weniger einfach als es klingt, wie Sossi betont: ?Die Zusammensetzung unseres mantel?hnlichen Pulvers erschwerte das Schmelzen. Wir ben?tigten sehr hohe Temperaturen von etwa 2000 °C, damit es flüssig wird.?
Dazu war ein spezieller Ofen n?tig, in dem die Proben mit einem Laser erhitzt werden konnten. Ausserdem konnten die Forscher das Magma schweben lassen, indem sie verschiedene Gasgemische darum herum str?men liessen. Bei diesen Gasgemischen handelte es sich um verschiedene plausible Kandidaten für die Uratmosph?re. So wie damals vor 4,5 Milliarden Jahren beeinflussten auch die Gase im Ofen das flüssige Magma. Je nach Gasgemisch ?nderte sich die Zusammensetzung des Magmas.
?Uns interessierte vor allem das Eisen im Magma?, erkl?rt Sossi. ?Wenn Eisen auf Sauerstoff trifft, oxidiert es und verwandelt sich in das, was wir gemeinhin als Rost bezeichnen.? Enthielt das Gasgemisch im Ofen also viel Sauerstoff, wurde das Eisen im Magma st?rker oxidiert.
Nachdem die Proben abgekühlt waren, konnte das Team um Sossi messen, wie stark das Eisen oxidierte. Anschliessend verglichen die Forschenden die Messdaten mit sogenannten Peridotiten. Diese Gesteine bilden den heutigen Erdmantel und tragen noch den Einfluss der Uratmosph?re in sich.
Eine neue Sicht auf die Entstehung des Lebens
?Wir stellten fest, dass die junge Erde nach dem Abkühlen aus dem anf?nglichen Magma-Zustand eine leicht oxidierende Atmosph?re mit Kohlendioxid als Hauptbestandteil sowie Stickstoff und etwas Wasser aufwies?, berichtet Sossi. Auch der Oberfl?chendruck war viel h?her als heute, fast hundertmal h?her, und die Atmosph?re war aufgrund der heissen Oberfl?che wesentlich h?her. Die Uratmosph?re war also jener der heutigen Venus ?hnlicher als der heutigen Erdatmosph?re.
Aus den neuen Erkenntnissen ziehen Sossi und seinen Kollegen zwei Hauptschlussfolgerungen: Die erste ist, dass die Erde und die Venus in ihren Anfangsphasen recht ?hnliche Atmosph?ren besassen, dass die Venus aber aufgrund ihrer N?he zur Sonne und der damit verbundenen h?heren Temperaturen in der Folge ihr Wasser verlor. Die Erde jedoch behielt ihr Wasser. Dieses bedeckt heute als Ozeane den gr?ssten Teil der Erdoberfl?che. Die Ozeane nahmen einen grossen Teil des Kohlendioxids aus der Erdatmosph?re auf und reduzierten dadurch dessen Gehalt in der Luft erheblich.
Die zweite Schlussfolgerung ist, dass eine popul?re Theorie über das Entstehen des Lebens auf der Erde nun viel unwahrscheinlicher ist. Basierend auf dem sogenannten ?Miller-Urey-Experiment? geht diese Theorie davon aus, dass Blitzeinschl?ge in Kombination mit bestimmten Gasen (vor allem Ammoniak und Methan) zur Bildung von Aminos?uren führten, den Bausteinen des Lebens. Gem?ss Sossi w?re das schwierig zu realisieren gewesen. Die notwendigen Gase waren schlicht nicht in ausreichender Menge vorhanden.
Literaturhinweis
Sossi, PA, Burnham, AD, Badro, J, Lanzirotti, A, Newville, M & O’Neill, HSC: Redox state of Earth’s magma ocean and its Venus-like early atmosphere. Science Advances, 25. November 2020. doi: externe Seite 10.1126/sciadv.abd1387