Plastik in den Griff bekommen

Das Mikroplastik-Problem l?st man nicht mit pauschalen Verboten, denkt Denise Mitrano. Wir sollten Kunststoffe pr?zis regulieren, um Innovation und Umweltsicherheit zu f?rdern.

Denise Mitrano

Besorgniserregende Bilder von Plastikmüll in Flüssen, Meeren und an Küsten stehen sinnbildlich für unser ungel?stes Abfallproblem. Ob in st?dtischen oder entlegenen Gebieten, wo immer man Proben nimmt, finden sich feste Kunststofffragmente, so genanntes Mikro- oder Nanoplastik. Das hat einen ?ffentlichen Diskurs ausgel?st, wie man die Flut an Plastikmüll eind?mmen kann.

Kunststoff-Polymere sind eine sehr heterogene Gruppe von Verbindungen – dennoch werden sie oft in denselben Topf geworfen und gleichermassen problematisiert. Natürlich ist es verlockend, pauschal die Plastikverschmutzung zu geisseln und Kunststoffe einschliesslich Mikroplastik mittels Verboten und Restriktionen einzud?mmen, wie zahlreiche Vorst?sse rundum die Welt zeigen. Aber k?nnen wir uns so einfach aus der Mikroplastik-Misere heraus regulieren? Die kurze Antwort lautet: leider nein.

Potenziell sch?dlich, aber nicht reguliert

Generelle Verbote von Stoffen sind dann angebracht, wenn es klare Beweise gibt, dass sie sch?dlich sind, wie etwa beim Umweltgift DDT oder den ozonabbauenden FCKW. Aber das ist bei Mikroplastik nicht unbedingt der Fall.

Plastik gelangt entlang der gesamten Wertsch?pfungskette in die Umwelt. Und ja, man geht davon aus, dass Kunststoffe die Qualit?t von Gew?ssern und B?den beeintr?chtigen. Plastikfragmente kleiner als 5 mm gelten derzeit als ?besorgnisseregende Fremdstoffe? (englisch: contaminants of emerging concern). Der Begriff beschreibt Schadstoffe, welche sich negativ auf die Umwelt oder die menschliche Gesundheit auswirken k?nnen, aber nicht durch Umweltgesetze reguliert sind.

Plastikbeutel im Ozean
Beintr?chtigen die Wasser- und Bodenqualit?t: Kunststoffe in der Umwelt. (Bild: iStock / Andrii Zastrozhnov)

Es macht Sinn, Mikroplastik anhand der Quelle zu unterscheiden. Der überwiegende Anteil in der Umwelt stammt aus zerfallendem Makroplastikmüll oder wird bei der Produktnutzung freigesetzt, etwa Fasern aus Textilien oder Reifenabrieb. Vergleichsweise klein ist hingegen der Anteil von prim?rem Mikroplastik, das gezielt in Anwendungen von der Landwirtschaft bis hin zu Kosmetika zum Einsatz kommt. Vor allem für prim?res Mikroplastik werden aktuell in vielen L?ndern Restriktionen diskutiert.

Ein unvollst?ndiges Bild

Als Umweltchemikerin zweifle ich nicht daran, dass die Verschmutzung durch Kunststoffe negative Folgen hat oder haben wird, entweder direkt aufgrund ihres Vorkommens in der Umwelt oder indirekt durch toxische Zusatzstoffe. Weniger klar ist jedoch, welche spezifischen Transport- und Umwandlungsprozesse die Partikel durchlaufen k?nnen, und welche Substanzen wie sch?dlich sind.

Jenseits der Schlagzeilen gibt es also noch viele fundamentale Forschungslücken. Das hat auch damit zu tun, dass es heute schlicht an analytischen Werkzeugen mangelt, um Spuren feinster Kunststoffpartikel in der Umwelt oder in Organismen zu messen. Deshalb fehlt auch ein systematisches Verst?ndnis, wie Plastikpartikel mit Lebensprozessen wechselwirken.

?Wir wissen zu wenig über den Verbleib von Plastik in der Umwelt und die ?kotoxischen Auswirkungen. Das verhindert derzeit eine angemessene Risikobewertung von Nano- und Mikroplastik.?Denise Mitrano

Künftig muss die Mikroplastik-Forschung die Exposition viel besser absch?tzen  und das Schadenpotenzial ermitteln. Erst dann lassen sich sinnvolle Massnahmen priorisieren. Noch wissen wir zu wenig über das Schicksal von Mikroplastik in der Umwelt und die ?kotoxischen Auswirkungen. Das erschwert derzeit eine angemessene Risikobewertung von Nano- und Mikroplastik.

Mit Plastik anders umgehen

Letztlich geht es um die Frage, wie wir Kunststoffe effektiver nutzen und dafür sorgen k?nnen, dass viel weniger davon in die Umwelt gelangt.

Undifferenzierte Restriktionen werden der Vielfalt an Polymerarten jedoch nicht gerecht. Technische Verbote allein werden die Mikroplastikflut kaum bremsen. Das Problem l?sst sich aber zu einem grossen Teil durch konsequentes Sammeln und Recyceln von Plastikabf?llen vermeiden. Kreislaufwirtschaft, besseres Abfallmanagement und die n?tige Sensibilisierung k?nnen wesentlich dazu beitragen, den Kunststoffeintrag in die Umwelt zu senken.

Die Risikobewertung von (prim?rem) Mikroplastik h?ngt von verschiedenen Faktoren ab wie dem Schadenpotenzial, verfügbaren Alternativen und der Qualit?t, den Kosten und Gefahren von Ersatzmaterialien. In einigen F?llen ist es technisch einfach, einen Stoff zu ersetzen. In anderen F?llen k?nnen Substitute teuer sein, schlechter funktionieren oder gar zu neuen Problemen führen.

Ein Beispiel sind biologisch abbaubare Kunststoffe. Sie gelten als das Ersatzprodukt, sind aber nicht für alle Verwendungszwecke geeignet und je nach Umgebung unterschiedlich gut abbaubar. Zudem tragen bestimmte (Mikro-)Kunststoffe dazu bei, andere ?kologische Ziele zu erreichen, wie etwa Agrokapseln für einen gezielteren Pflanzenschutz.

Meiner Ansicht nach sollten wir Plastik durchaus regulieren – aber so, dass die Regeln als Katalysator für Innovation und bessere Praktiken dienen. Dazu müssen Restriktionen pr?zis fokussiert und durchsetzbar sein. Für die Politik gilt es sorgf?ltig abzuw?gen, unter welchen Bedingungen Substitutionsanreize effektiv neue umweltfreundliche und wettbewerbsf?hige Ersatzkunststoffe hervorbringen k?nnen.

Referenzen

1 Mitrano D, Wohlleben W: Microplastic regulation should be more precise to incentivize both innovation and environmental safety. Perspective. Nature Communications (2020). doi: externe Seite10.1038/s41467-020-19069-1

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