Den Acker aus dem Weltall versichern

Wetterextreme fordern die Landwirtschaft zunehmend heraus. Neue Versicherungen auf Basis von Satellitendaten k?nnen Dürrerisiken für Landwirte reduzieren, schreibt Robert Finger.

Robert Finger

Mit dem Klimawandel wird es vielerorts trockener. Bereits heute verursachen Dürren regelm?ssig massive Ertragsausf?lle. Für Landwirte wird es immer wichtiger, Dürrerisiken zu minimieren. Neben Bew?sserung und trockentoleranten Kulturen k?nnen Versicherungen eine potenziell wichtige Rolle spielen. Obwohl der Markt für Agrarversicherungen global stark w?chst, sind die Optionen bei Dürre rar ges?t.

Ein vielversprechender und bislang wenig beachteter Ansatz für bessere Dürreversicherungen sind Satellitendaten. Deren Quantit?t und Qualit?t nimmt laufend zu. Immer ?fter sind gut validierte Datenprodukte im hoher Aufl?sung frei verfügbar. Das erlaubt es, Dürreereignisse auf globaler Ebene zeitnah und günstig zu überwachen.

Satellit über der Erde
Satellitenbasierte Messungen etwa der Bodenfeuchte bergen für Agrarversicherungen ein grosses Potenzial. (Bild: iStock / koto_feja)

Objektiv, pragmatisch und effizient

In einer Perspective im Fachmagazin externe SeiteNature Food haben wir das Potenzial von Satelliten für das Risikomanagement von Dürren n?her untersucht.1 Satellitenbasierte Messungen er?ffnen insbesondere für sogenannte Indexversicherungen neue M?glichkeiten. Bei dieser Alternative zum klassischen Modell erfolgt die Auszahlung nicht aufgrund des ermittelten Schadens im Feld, sondern aufgrund eines objektiv erhobenen Index: Sinkt ein – zum Beispiel per Satellit – gemessener Parameter wie die Bodenfeuchte unter einen kritischen Wert, fliesst automatisch Geld.

Gerade bei Dürren, die oft grosse Gebiete betreffen, eignet sich dieser Mechanismus gut. Denn er erlaubt es auch bei zeitgleich auftretenden Ernteausf?llen in ganzen Regionen, dass viele Landwirtinnen und Landwirte rasch und unbürokratisch entsch?digt werden.   

?In Spanien und Frankreich gibt es bereits erste satellitenbasierte Versicherungen für schwankende Ertr?ge im Grünland. Dies ist auch für die Schweiz hoch relevant.?Robert Finger

Zudem lassen sich mit Satelliten bisher nicht versicherbare Kulturen versichern. Zum Beispiel Wiesen und Weiden: Bei ihnen ist das Dürrerisiko zwar hoch, die klassische Schadensermittlung aber schlicht zu teuer.2

In Spanien und Frankreich gibt es bereits erste satellitenbasierte Versicherungen für schwankende Ertr?ge im Grünland. Dies ist auch für die Schweiz hoch relevant, wo Grasland mehr als 70 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfl?che ausmacht.

Pflanzenwuchs aus der Ferne messen

Satelliten k?nnen auf verschiedene Weise als Grundlage für eine Versicherung dienen. Sie k?nnen Vegetationsindizes bestimmen, die bei Dürre mit Ernteverlusten korrelieren. Auch die Bodenfeuchte sowie die Verdunstung über Pflanzen und Erdoberfl?che (Evapotranspiration) lassen sich effizient mittels Satelliten messen. Diese Gr?ssen sind gute Indikatoren für Trockenheit und m?gliche Ertragseinbussen, und w?ren daher geeignet für Dürreversicherungen. In der Praxis werden sie aber noch nicht genutzt.

Dabei w?re vorteilhaft, dass diese Versicherungsform nicht nur Ertragssch?den abdeckt, sondern auch m?gliche Mehrkosten beispielsweise durch intensivere Bew?sserung. Basiert die Auszahlung auf einem regionalen Dürreindex und nicht auf dem Ertrag, haben Landwirte immer noch einen Anreiz, weiter zu bew?ssern und zu produzieren, obschon ein fast vollst?ndiger Versicherungsschutz besteht.3

Bei manchen Sch?den blind

Natürlich gehen die neuen M?glichkeiten auch mit potenziellen Problemen einher. So erfassen Satelliten nicht ausnahmslos jeden im Feld auftretenden Schaden – die Versicherung deckt folglich nicht s?mtliche Ertragseinbussen ab. Im schlechtesten Fall stehen versicherte Landwirte sogar schlechter da als nicht versicherte: Sie zahlen die Pr?mie und obendrein den Schaden. Aber: Eine gute Datenbasis und ein durchdachtes Design von Versicherungen k?nnen helfen, solche Probleme auszumerzen.

150 Jahre Agrarwissenschaften

ETH-Bibliothek

1871 wurde an der ETH Zürich die Abteilung Landwirtschaft gegründet. Nun feiert das Institut für Agrarwissenschaften sein 150-j?hriges Bestehen mit verschiedenen Events im Jubil?umsjahr.

Auf der Jubil?umswebseite finden Sie eine Zeitschiene mit historischen Fakten und ausgew?hlten Artikeln aus den vergangenen 150 Jahren.

Satellitenbasierte Beobachtungsdaten bergen ein beachtliches Potenzial, um Dürrerisiken effektiv zu senken. Beh?rden k?nnen solche Versicherungen erm?glichen, in dem sie allen Akteuren einen besseren Zugang zu relevanten Datenquellen gew?hren. Ein verbesserter Zugang zu Satellitendaten und neue Versicherungsformen gehen zudem Hand in Hand mit der steigenden Relevanz von ‘Smart Farming’4 für die Landwirtschaft.

Robert Finger hat diesen Beitrag gemeinsam mit Dr. Willemijn Vroege verfasst.

Referenzen

1 Vroege, W., Vrieling, A., Finger, R. (2021a). Satellite support to insure farmers against extreme droughts. Nature Food 2, 215-217. DOI: externe Seite10.1038/s43016-021-00244-6

2 Vroege. W., Bucheli, J., Dalhaus, T., Hirschi, M., Finger, R. (2021b). Insuring crops from space: The potential of satellite retrieved soil moisture to reduce farmers’ drought risk exposure. European Review of Agricultural Economics. In Press. DOI: externe Seite10.1093/erae/jbab010

3 Vroege, W., Dalhaus, T., Finger, R. (2019). Index insurances for grasslands – A review for Europe and North-America. Agricultural Systems 168, 101-111. DOI: externe Seite10.1016/j.agsy.2018.10.009

4 Walter, A., Finger, R., Huber, R., Buchmann, N. (2017). Smart farming is key to developing sustainable agriculture. Proceedings of the National Academy of Sciences USA 114 (24) 6148-6150 DOI: externe Seite10.1073/pnas.1707462114

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