Luftig und effizient
ETH-Forschende haben einen neuen Photokatalysator aus einem Aerogel entwickelt, der eine effizientere Wasserstoffherstellung erm?glichen k?nnte. M?glich wird dies durch eine raffinierte Vorbehandlung des Materials.
Aerogele sind aussergew?hnliche Materialien, die es mit über einem Dutzend Eintr?gen ins Guinnessbuch der Rekorde geschafft haben, unter anderem als leichteste Feststoffe der Welt.
Seit l?ngerem arbeitet auch der ETH-Professor Markus Niederberger vom Labor für Multifunktionsmaterialien mit diesen besonderen Stoffen. Die Spezialit?t seines Labors sind Aerogele aus kristallinen Halbleiter-Nanopartikeln. ?Wir sind die einzige Gruppe weltweit, die solche Aerogele in so hoher Qualit?t herstellen k?nnen?, sagt er.
Auf Nanopartikeln basierende Aerogele dienen beispielsweise als Photokatalysatoren. Sie werden dann eingesetzt, wenn eine chemische Reaktion mithilfe von Sonnenlicht erm?glicht oder beschleunigt werden soll, etwa bei der Herstellung von Wasserstoff.
Als Material der Wahl für Photokatalysatoren gilt das Halbleitermaterial Titandioxid (TiO2). Doch dieses hat einen grossen Nachteil: Es kann aus dem Spektrum des Tageslichts nur den UV-Anteil absorbieren, und dieser betr?gt nur rund 5 Prozent. Soll die Photokatalyse jedoch effizient und industriell nutzbar sein, muss ein solcher Katalysator ein breiteres Spektrum nutzen k?nnen.
Spektrum mit Stickstoffdotierung erweitern
Niederbergers Doktorandin Junggou Kwon hat deshalb nach einem neuen Weg gesucht, wie ein Aerogel aus TiO2-Nanopartikeln optimiert werden kann, sodass es ein breiteres Lichtspektrum ausnützen kann. Und sie hatte eine zündende Idee: Wird das TiO2-Nanopartikel-Aerogel mit Stickstoff geimpft (oder in der Fachsprache: dotiert), sodass im Material einzelne Sauerstoff-Atome durch Stickstoff-Atome ersetzt werden, kann das Aerogel auch weitere Anteile des sichtbaren Lichts absorbieren. Dabei wird die Porenstruktur nicht zerst?rt. Die Studie ist soeben in der Fachzeitschrift ?Applied Materials & Interfaces? erschienen.
Kwon stellte zuerst das Aerogel mit TiO2-Nanopartikeln und geringen Mengen des Edelmetalls Palladium her. Letzteres ist für die photokatalytische Herstellung von Wasserstoff wichtig. Danach leitete sie in einem Reaktor Ammoniakgas durch das Aerogel hindurch. Das führte dazu, dass sich einzelne Stickstoffatome in der Kristallstruktur der TiO2-Nanopartikel einbetteten.
Ver?ndertes Aerogel macht Reaktion effizienter
Um zu prüfen, ob das so ver?nderte Aerogel eine gewünschte chemische Reaktion – in dem Fall die Herstellung von Wasserstoff aus Methanol und Wasser – tats?chlich effizienter macht, entwickelte Kwon einen speziellen Reaktor, in dem sie das Aerogel direkt als ein ganzes Stück (Monolith) einsetzte. Danach leitete sie ein Gasgemisch aus Wasser- und Methanoldampf durch das sich im Reaktor befindende Aerogel, welches mit zwei LED-Leuchten bestrahlt wurde. Das Gasgemisch diffundiert durch den Porenraum des Aerogels, wo es an der Oberfl?che der TiO2- und Palladium-Nanopartikel in den gewünschten Wasserstoff umgesetzt wird.
Die Reaktion lief in diesem Testsystem stabil und kontinuierlich, ehe die Forscherin den Versuch nach fünf Tagen abbrach. ?Wahrscheinlich w?re der Vorgang l?nger stabil gewesen?, sagt Niederberger. ?Gerade im Hinblick auf industrielle Anwendungen ist es wichtig, dass der Prozess m?glichst lange stabil ist.? Auch mit der Ausbeute sind die Forschenden zufrieden. Das Edelmetall Palladium erh?hte die Umwandlungseffizienz zudem deutlich: In Aerogelen mit Palladium entstand bis zu 70-mal mehr Wasserstoff als in solchen ohne.
Gasfluss vergr?ssern
Dieses Experiment diente den Forschenden vor allem als Machbarkeitsstudie. Photokatalysatoren aus Aerogelen stellen eine neue Klasse von Photokatalysatoren dar, die eine aussergew?hnliche dreidimensionale Struktur anbieten und neben der Wasserstoffherstellung auch für viele andere interessante Gasphasenreaktionen in Frage kommen. Gegenüber der heute üblichen Elektrolyse haben Photokatalysatoren den Vorteil, dass sich mit ihnen der Wasserstoff nur mit Licht und ohne Elektrizit?t herstellen liesse.
Ob das von Niederbergers Gruppe entwickelte Aerogel jemals im grossen Massstab zum Einsatz kommt, ist noch ungewiss. Ungekl?rt ist beispielsweise die Frage, wie der Gasfluss durch das Aerogel beschleunigt werden kann. Derzeit behindern die extrem kleinen Poren den Gasfluss zu stark. ?Um ein solches System in industriellen Massstab betreiben zu k?nnen, müssen wir erst den Gasdurchfluss vergr?ssern und auch die Bestrahlung der Aerogele verbessern?, sagt Niederberger. Mit seiner Gruppe arbeitet er bereits an diesen Fragestellungen.
Ein Material wie ?gefrorener Rauch?
Aerogele sind aussergew?hnliche Materialien. Sind extrem leicht und por?s, und sie trumpfen mit einer riesigen Oberfl?che auf: ein Gramm des Materials kann eine Oberfl?che von bis zu 1200 Quadratmeter haben. Aerogele erscheinen aufgrund ihrer Transparenz wie ?gefrorener Rauch?. Sie sind hervorragende W?rmeisolatoren und werden deshalb in der Raumfahrt eingesetzt. Zunehmend kommen sie auch für die W?rmed?mmung von Geb?uden zum Zug. Allerdings ist ihre Herstellung nach wie vor energieaufwendig. Dementsprechend sind die Materialien teuer. Das erste Aerogel stellte der Chemiker Samuel Kistler 1931 aus Kieselerde her.
Literaturhinweis
Kwon J, Choi K, Schreck M, Liu T, Tervoort E, Niederberger M: Gas-Phase Nitrogen Doping of Monolithic TiO2 Nanoparticle-Based Aerogels for Efficient Visible Light-Driven Photocatalytic H2 Production. ACS Applied Materials & Interfaces 2021 13 (45), 53691-53701. externe Seite DOI: 10.1021/acsami.1c12579
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