Attosekunden-Messung an Elektronen in Wasser-Clustern

Forschende an der ETH Zürich haben eine Methode entwickelt, mit der nur wenige Attosekunden dauernde Elektronenbewegungen in Wasser-Clustern zeitlich aufgel?st werden k?nnen. Die Technik kann sowohl zur genaueren Erforschung von Wasser als auch für schnellere Elektronik benutzt werden.

Vereinfachte Darstellung von Wassermolekülen

Nahezu alle lebenswichtigen chemischen Prozesse spielen sich in w?ssrigen L?sungen ab. Eine entscheidende Rolle bei diesen Prozessen spielen Elektronen, die zwischen verschiedenen Atomen und Molekülen ausgetauscht werden und so beispielsweise für die Bildung oder Aufl?sung von chemischen Bindungen sorgen. Wie das im Detail vor sich geht, ist allerdings nur schwer zu untersuchen, da sich die Elektronen dabei sehr schnell bewegen. Forschenden der ETH Zürich unter Leitung von Hans Jakob W?rner, Professor für physikalische Chemie, ist es nun in Zusammenarbeit mit Kollegen des Lawrence Berkeley National Laboratory (USA) gelungen, die Dynamik von Elektronen in Clustern aus Wassermolekülen mit einer zeitlichen Aufl?sung von wenigen Attosekunden zu studieren. Ihre Ergebnisse wurden kürzlich vorab im Fachjournal Nature ver?ffentlicht.

Zeitverz?gerung bei der Ionisierung

In ihren Experimenten untersuchten die Wissenschaftler:innen, wie Wasser-Cluster durch einen kurzen Laserpuls im extremen Ultraviolett-Bereich ionisiert werden. Dazu werden zun?chst Cluster erzeugt, indem man Wasserdampf unter hohem Druck durch eine winzige Düse presst. Die extrem-ultravioletten Photonen des Laserpulses sorgen dann mit ihrer Energie dafür, dass eines der Elektronen im Cluster herausgel?st wird. Dadurch entsteht eine Fehlstelle, auch ?Loch? genannt.

Das Elektron wird allerdings nach dem Auftreffen des Pulses nicht augenblicklich, sondern mit einer kleinen Zeitverz?gerung herausgel?st. Wie gross die Verz?gerung ist, h?ngt davon ab, wie sich das Elektronenloch über die Moleküle des Clusters verteilt. ?Diese Verteilung des Lochs konnte bisher nur theoretisch berechnet werden, da die Verz?gerung viel zu kurz ist, um mit den üblichen experimentellen Nachweismethoden gemessen werden zu k?nnen?, erkl?rt Xiaochun Gong, der das Experiment als Postdoktorand betreut hat.  

?Mit diesen Attosekunden-Messungen haben wir ganz neue Forschungsm?glichkeiten aufgetan.?
Hans Jakob W?rner

Attosekunden-Aufl?sung mit zwei Laserpulsen

Konkret dauert die Verz?gerung nur einige Attosekunden, also einige Milliardstel einer Milliardstel Sekunde. Wie kurz eine Attosekunde ist, kann man sich so veranschaulichen: In eine einzige Sekunde passen etwa so viele Attosekunden, wie Sekunden in 32 Milliarden Jahre passen.

Um die extrem kurzen Zeitspannen von wenigen Attosekunden messen zu k?nnen, spalteten W?rner und seine Mitarbeitenden einen sehr intensiven Infrarotlaserpuls in zwei Teile auf, von denen ein Teil durch Frequenzvervielfachung in einem Edelgas ins Extrem-Ultraviolette konvertiert wurde. Die beiden Pulse überlagerten sie und zielten mit ihnen auf die Wasser-Cluster.

Der Infrarot-Laserpuls ver?nderte die Energie der Elektronen, die durch den Ultraviolett-Laserpuls herausgel?st wurden. Die Schwingungsphase des Infrarot-Laserpulses konnte dabei mit Hilfe eines Interferometers sehr genau eingestellt werden. Je nach Schwingungsphase ?nderte sich die Zahl der Ionisierungsvorg?nge, die mit Hilfe von Detektoren gemessen wurde. Aus diesen Messungen wiederum konnten die Forschenden schliesslich die Zeitverz?gerung bei der Ionisierung direkt ablesen.

Laborraum mit vielen Kabeln, Leitungen und der Vakuumapparatur
Blick in das Attosekunden-?Labor: Links im Bild die Vakuumapparatur, in der Wasser-?Cluster mit Laserpulsen ionisiert werden. (Bild: ETH Zürich / H.J. W?rner)

?Da wir mit Hilfe eines Massenspektrometers bei jedem Ionisierungsvorgang feststellen konnten, wie gross der ursprüngliche Wasser-Cluster war, konnten wir zeigen, dass die Zeitverz?gerung von der Gr?sse des Clusters abh?ngt?, sagt Saijoscha Heck, Doktorand in W?rners Arbeitsgruppe. Bis zu einer Clustergr?sse von vier Wassermolekülen verl?ngert sich die Verz?gerung stetig bis zu etwa hundert Attosekunden. Ab fünf Wassermolekülen bleibt sie allerdings praktisch konstant. Das h?ngt damit zusammen, dass kleine Cluster eine hohe Symmetrie aufweisen, wodurch sich das Elektronen-Loch nach den Regeln der Quantenmechanik über den gesamten Cluster verbreiten kann. Gr?ssere Cluster dagegen sind eher asymmetrisch und ungeordnet, so dass sich das Loch auf wenigen Wassermolekülen lokalisiert.

Anwendungen auch in der Halbleitertechnik

?Mit diesen Attosekunden-Messungen haben wir ganz neue Forschungsm?glichkeiten aufgetan?, sagt W?rner. Er plant bereits die n?chsten Experimente, in denen er die Dynamik des Elektronen-Lochs mit Hilfe weiterer Laserpulse sowohl r?umlich als auch zeitlich aufgel?st untersuchen will. Unter anderem erhofft sich W?rner davon ein besseres Verst?ndnis, wie Strahlungssch?den in biologischem Gewebe entstehen, spielt dabei doch die Ionisierung von Wasser eine dominierende Rolle. Doch auch über die Erforschung der Elektronendynamik in Wasser hinaus sieht W?rner vielf?ltige Anwendungsm?glichkeiten. Zur Realisierung schnellerer elektronischer Bauteile etwa ist es unabdingbar, die r?umliche Ausdehnung von Elektronen- und Lochzust?nden und deren zeitliche Entwicklung in Halbleitern genau zu verstehen. Die neue Technik der ETH-Forschenden k?nnte da ?usserst nützlich sein.  

Literaturhinweis

Gong X, Heck S, Jelovina D. et al. Attosecond spectroscopy of size-resolved water clusters. Nature, 12. Juli 2022. DOI: externe Seite10.1038/s41586-022-05039-8

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