Dünger klimafreundlicher produzieren
Forschende der ETH Zürich und der Carnegie Institution for Science zeigen auf, wie sich Stickstoffdünger nachhaltiger herstellen liesse. Dies ist nicht nur aus Klimaschutzgründen n?tig, sondern auch um die Abh?ngigkeit von Erdgasimporten zu reduzieren und um die Ern?hrungssicherheit zu erh?hen.
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Eine intensive Landwirtschaft ist nur m?glich, wenn die B?den mit Stickstoff, Phosphor und Kalium gedüngt werden. W?hrend Phosphor und Kalium als Salze abgebaut werden k?nnen, muss Stickstoffdünger aufw?ndig aus Stickstoff aus der Luft und aus Wasserstoff hergestellt werden, wobei die Produktion von Wasserstoff ?usserst energieintensiv ist. Es werden dazu grosse Mengen an Erdgas oder – vor allem in China – Kohle ben?tigt. Entsprechend gross ist der CO2-Fussabdruck, die Abh?ngigkeit von fossiler Energie und somit auch die Anf?lligkeit auf Preisschocks auf den Energiem?rkten.
Paolo Gabrielli, Senior Scientist am Labor für ?Reliability and Risk Engineering? der ETH Zürich hat zusammen mit Lorenzo Rosa, Forschungsgruppenleiter an der Carnegie Institution for Science in Stanford, USA, verschiedene CO2-neutrale Herstellungswege von Stickstoffdünger untersucht. In einer in der Fachzeitschrift ?Environmental Research Letters? ver?ffentlichten externe Seite Studie kommen die beiden Forscher zum Schluss, dass ein Wandel bei der Stickstoffproduktion m?glich ist und ein solcher unter Umst?nden auch die Ern?hrungssicherheit erh?ht. Die alternativen Herstellungswege haben aber Vor- und Nachteile. Konkret haben die beiden Forscher drei Alternativen untersucht:
- Der ben?tigte Wasserstoff wird wie derzeit mit fossilen Energiequellen hergestellt, wobei das Treibhausgas CO2 nicht in die Atmosph?re emittiert, sondern in den Produktionsbetrieben abgeschieden und dauerhaft im Untergrund gespeichert wird (Carbon Capture and Storage, CSS). Das ben?tigt nicht nur eine Infrastruktur für das Abscheiden, den Transport und die Lagerung des CO2, sondern entsprechend auch mehr Energie. Trotzdem ist das eine vergleichsweise effiziente Herstellungsmethode. Allerdings ?ndert sich dadurch nichts an den Abh?ngigkeiten von fossilen Brennstoffen.
- Die Düngerherstellung l?sst sich elektrifizieren, indem der Wasserstoff mittels Elektrolyse aus Wasser hergestellt wird, was aber etwa 25-mal so viel Energie braucht wie die heutige Herstellung mit Erdgas. Es br?uchte also sehr viel Strom aus klimaneutralen Quellen. Interessant ist dieser Ansatz für L?nder, in denen viel Solar- oder Windenergie zur Verfügung steht. Allerdings ist geplant, aus Klimaschutzgründen auch andere Wirtschaftssektoren zu elektrifizieren. Das k?nnte somit zu einer Konkurrenz um nachhaltige Elektrizit?t führen.
- Stellt man den Wasserstoff für die Düngerproduktion aus Biomasse her, sind dafür viel Ackerland und Wasser n?tig. Somit konkurriert dieser Herstellungsweg ironischerweise die Nahrungsmittelproduktion. Sinnvoll ist er laut den Studienautoren, wenn Abfallbiomasse – zum Beispiel Ernteabf?lle – verwendet wird.
Nach Ansicht der Wissenschaftler dürfte der Schlüssel zum Erfolg darin liegen, alle diese Ans?tze je nach Land und lokalen Voraussetzungen und verfügbaren Ressourcen zu kombinieren. Zus?tzlich müsse Stickstoffdünger effizienter verwendet werden, betont Lorenzo Rosa: ?Wenn man Probleme wie ?berdüngung und Food Waste angeht, kann man auch den Düngerbedarf reduzieren.?
Indien und China gef?hrdet
Die Wissenschaftler haben in der Studie ausserdem untersucht, in welchen L?ndern der Welt die Ern?hrungssicherheit aufgrund ihrer Abh?ngigkeit von Stickstoff- oder Erdgasimporten derzeit besonders gef?hrdet ist. Diese L?nder sind besonders anf?llig für Preisschocks auf den Erdgas- und Stickstoffm?rkten: Indien, Brasilien, China, Frankreich, die Türkei und Deutschland.
Eine Dekarbonisierung der Düngemittelproduktion würde diese Anf?lligkeit in vielen F?llen reduzieren und die Ern?hrungssicherheit erh?hen. Denn zumindest bei einer Elektrifizierung mittels erneuerbarer Energien oder der Nutzung von Biomasse verringert man die Abh?ngigkeit von Erdgasimporten. Allerdings relativieren die Forschenden diesen Punkt: Alle CO2-neutralen Methoden zur Herstellung von Stickstoffdünger sind energieintensiver als die gegenw?rtige Nutzung fossiler Energie. Somit bliebe man immer noch anf?llig auf gewisse Preisschocks – zwar nicht direkt auf solche auf den Erdgasm?rkten, aber gegebenenfalls auf solche beim Strom.
Wandel bei Stickstoffherstellern
Bei den Herstellerl?ndern von Stickstoffdünger dürfte es im Rahmen einer Dekarbonisierung zu Ver?nderungen kommen, wie die Wissenschaftler in der Studie aufzeigen. Die gr?ssten Exportnationen für Stickstoff sind heute Russland, China, ?gypten, Katar und Saudi-Arabien. Mit Ausnahme von China, das Erdgas importieren muss, haben alle diese L?nder ihre eigenen Erdgasreserven. In Zukunft dürften eher L?nder profitieren, die viel Solar- und Windstrom herstellen und gleichzeitig ausreichende Land- und Wasserreserven haben, wie zum Beispiel Kanada und die USA.
?Wir kommen nicht umhin, den Stickstoffbedarf der Landwirtschaft in Zukunft nachhaltiger zu gestalten, sowohl um die Klimaziele zu erreichen als auch aus Gründen der Ern?hrungssicherheit?, sagt Paolo Gabrielli. Der Krieg in der Ukraine beeinflusst den Weltmarkt für Nahrungsmittel nicht nur, weil das Land normalerweise viel Getreide exportiert, sondern auch, weil als Folge des Krieges die Erdgaspreise gestiegen sind. Deswegen sind auch die Preise für Stickstoffdünger gestiegen. Trotzdem ist von einigen Düngerherstellern bekannt, dass sie wegen der exorbitanten Gaskosten nicht mehr wirtschaftlich produzieren k?nnen und die Produktion zumindest zeitweise eingestellt haben.
Literaturhinweis
Rosa L, Gabrielli P: Energy and food security implications of transitioning synthetic nitrogen fertilizers to net-zero emissions, Environmental Research Letters 2022, doi: externe Seite 10.1088/1748-9326/aca815