Forschende der ETH Zürich haben die bislang schwerste Schr?dinger-Katze hergestellt, indem sie ein Kristall in eine ?berlagerung von zwei Schwingungszust?nden versetzten. Ihre Ergebnisse k?nnten zu robusteren Quanten-Bits führen und zu erkl?ren helfen, warum wir im Alltag keine Quanten-?berlagerungen beobachten.
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Man muss kein Quantenphysiker sein, um schon einmal von Schr?dingers berühmter Katze geh?rt zu haben. Erwin Schr?dinger erfand die Katze, die zugleich lebendig und tot sein kann, in einem Gedankenexperiment im Jahr 1935. Der offensichtliche Widerspruch – schliesslich sehen wir im t?glichen Leben nur Katzen, die entweder lebendig oder tot sind – hat Wissenschaftler:innen dazu getrieben zu versuchen, analoge Situationen im Labor nachzustellen. Bis jetzt haben sie dies beispielsweise mit Atomen oder Molekülen in quantenmechanischen ?berlagerungszust?nden geschafft, bei denen sich die Teilchen an zwei Orten zugleich befinden.
An der ETH hat nun ein Forschungsteam unter der Leitung von Yiwen Chu, Professorin am Laboratorium für Festk?rperphysik, einen kleinen Kristall in eine ?berlagerung zweier Schwingungszust?nde versetzt und somit eine bedeutend schwerere Schr?dinger-Katze hergestellt. Die Ergebnisse des Teams, welche diese Woche im Wissenschaftsjournal Science ver?ffentlicht wurden, k?nnten zu robusteren Quanten-Bits führen und Licht auf das R?tsel werfen, warum Quantenüberlagerungen nicht in der makroskopischen Welt beobachtet werden.
Katze in der Kiste
In Schr?dingers ursprünglichem Gedankenexperiment ist eine Katze zusammen mit einer radioaktiven Substanz, einem Geigerz?hler und einem Fl?schchen Gift in einer Metallkiste eingesperrt. In einem bestimmten Zeitraum – zum Beispiel einer Stunde – kann ein Atom in der Substanz durch einen quantenmechanischen Prozess zerfallen oder auch nicht. Die Zerfallsprpodukte würden den Geigerz?hler ausl?sen und über einen Mechanismus das Giftfl?schchen zertrümmern, wodurch letztendlich die Katze get?tet würde. Da ein Beobachter von aussen nicht wissen kann, ob das Atom tats?chlich zerfallen ist, weiss er oder sie auch nicht, ob die Katze lebendig oder tot ist – nach der Quantenmechanik, die den Zerfall des Atoms bestimmt, sollte sie sich in einem lebendig/tot-?berlagerungszustand befinden. (Vor Schr?dingers ehemaligem Wohnhaus in der Huttenstrasse 9 in Zürich erinnert eine lebensgrosse Katzenfigur an diese Idee).
?Natürlich k?nnen wir im Labor kein solches Experiment mit einer mehrere Kilogramm schweren, echten Katze realisieren?, sagt Chu. Stattdessen ist es ihr und ihren Mitarbeitenden gelungen, einen sogenannten Katzen-Zustand herzustellen mit einem schwingenden Kristall, der die Katze darstellt, und einem supraleitenden Schaltkreis, der die Rolle des ursprünglichen Atoms übernimmt. Der Schaltkreis ist im Wesentlichen ein Quanten-Bit oder Qubit, das die logischen Zust?nde ?0? oder ?1? annehmen kann oder eine ?berlagerung, ?0+1?, beider Zust?nde. Die Verbindung zwischen dem Qubit und der Kristall-?Katze? ist kein Geigerz?hler und Gift, sondern eine Schicht aus piezoelektrischem Material, das ein elektrisches Feld erzeugt, wenn der Kristall w?hrend der Schwingungen seine Form ?ndert. Dieses elektrische Feld kann an das elektrische Feld des Qubits gekoppelt werden, wodurch der ?berlagerungszustand des Qubits auf den Kristall übertragen werden kann.
Gleichzeitige Schwingungen in entgegengesetzte Richtungen
Das führt dazu, dass der Kristall nun gleichzeitig in zwei Richtungen schwingen kann – zum Beispiel hoch/runter und runter/hoch. Diese beiden Richtungen stehen für die Zust?nde ?lebendig? oder ?tot? der Katze. ?Indem wir die zwei Schwingungszust?nde des Kristalls in eine ?berlagerung versetzt haben, haben wir effektiv eine Schr?dinger-Katze hergestellt, die 16 Mikrogramm wiegt?, erkl?rt Chu. Das ist in etwa die Masse eines feinen Sandkorns und weit entfernt von der einer Katze, aber dennoch mehrere Milliarden Mal schwerer als ein Atom oder Molekül und damit die bislang fetteste Quanten-Katze.
Damit die Schwingungszust?nde als wirkliche Katzen-Zust?nde gelten k?nnen, ist es wichtig, dass sie makroskopisch unterscheidbar sind. Das bedeutet, dass der Abstand zwischen den ?hoch? und ?runter?-Zust?nden gr?sser sein sollte als thermische oder quantenmechanische Fluktuationen der Positionen der Atome im Kristall. Chu und ihre Kolleg:innen überprüften dies, indem sie den r?umlichen Abstand der beiden Zust?nde mit Hilfe des Qubits massen. Obwohl der gemessene Abstand nur ein Milliardstel eines Milliardstel Meters betrug und damit kleiner als ein Atom war, genügte er dennoch, um die Zust?nde deutlich voneinander zu unterscheiden.
Messung kleiner St?rungen mit Katzen-Zust?nden
In Zukunft m?chte Chu das Massenlimit ihrer Kristall-Katzen weiter nach oben schrauben. ?Dies ist deshalb interessant, weil es uns erlaubt, die Gründe für das Verschwinden von Quanteneffekten in der makroskopischen Welt echter Katzen besser zu verstehen?, sagt sie. ?ber dieses eher akademische Interesse hinaus gibt es aber auch m?gliche Anwendungen in Quantentechnologien. So k?nnte etwa in Qubits gespeicherte Quanteninformation robuster gemacht werden, indem man anstelle der bislang verwendeten einzelnen Atome oder Ionen Katzen-Zust?nde benutzt, die aus einer riesigen Zahl an Atomen in einem Kristall bestehen. Ausserdem liesse sich die extreme Empfindlichkeit von schweren Objekten in ?berlagerungszust?nden gegenüber ?usseren Einflüssen für genauere Messungen von kleinen St?rungen, wie etwa Gravitationswellen, oder zum Nachweis von dunkler Materie nutzen.
Literaturhinweis
Marius Bild, Matteo Fadel, Yu Yang, Uwe von Lüpke, Phillip Martin, Alessandro Bruno, and Yiwen Chu: Schr?dinger cat states of a 16-microgram mechanical oscillator. Science 2023, doi: externe Seite 10.1126/science.adf7553