Bessere Krebsdiagnose dank digitalen 3D-Bildern
Wie führt man ein seit 100 Jahren bestehendes Diagnoseverfahren ins digitale Zeitalter? Zwei Forschende der ETH und Universit?t Zürich entwickeln eine Roboterplattform, die dank schneller Quantifizierung von Gewebeproben in ihrer Gesamtheit eine genauere Diagnose von Krebszellen erm?glicht.
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Es begann alles mit einer harmlosen Frage zu Beginn der Doktorarbeit von Francesca Catto: W?re es nicht sch?n, wenn man Gewebeproben einf?rben und als 3D-Bild digital darstellen k?nnte? Denn in der Histologie, einem Teilgebiet der Pathologie, das sich mit Gewebever?nderungen besch?ftigt, wird seit über 100 Jahren analog gearbeitet: Gewebeproben schneidet man in mikrometerdünne Scheiben (etwa siebenmal dünner als ein menschliches Haar) und untersucht sie unter dem Mikroskop auf krankhafte Ver?nderungen. Diese Technik führt dazu, dass jeder sechste Mensch eine Fehldiagnose erh?lt und Krebszellen unentdeckt bleiben.
Catto, die ihre Doktorarbeit in Neurowissenschaften bei Professor Adriano Aguzzi an der Universit?t Zürich gemacht hat, beschreibt die Anf?nge als schwierig: ?Zu Beginn haben wir unterschiedliche Ans?tze ausprobiert, aber nichts hat funktioniert. Es war ein Albtraum. Zum Glück haben wir schliesslich mit den Gruppen von Professor Mirko Meboldt und Professor Alexander Mathys zusammengearbeitet. Aus dieser Zusammenarbeit ging ein erfolgreicher Ansatz hervor. So kam Robert Axelrod, der an der ETH Zürich im Bereich der Verarbeitungstechnologien promoviert hat, zum Projekt.
Innovation durch bahnbrechende interdisziplin?re L?sung
Mit einem Ansatz, der Technologien aus der Biomedizin und dem Maschinenbau kombiniert, entwickelten die beiden Forschenden eine Roboterplattform, die Krebs genauer diagnostiziert und dreidimensionale Informationen über die r?umliche Anordnung der Zellen liefert. Der Prozess umfasst vier Schritte. Im ersten Schritt machen die Forschenden die Gewebeprobe auf automatisierte Weise transparent. Im zweiten Schritt markieren oder f?rben sie in kurzer Zeit die auff?lligen Zellen und im dritten Schritt erstellen sie ein 3D-Bild des Gewebes, auf dem die Krebszellen markiert sind. Die Technologie dafür existiert bereits. Der letzte Schritt ist die Analyse mit 3D-Bildgebungssoftware und Trainingsalgorithmen.
Die grosse Neuheit dieser L?sung: Es braucht keine Gewebeproben mehr, die aufw?ndig aufbereitet und geschnitten werden müssen, sondern das Gewebe, wie zum Beispiel ein Lymphknoten, bleibt als Ganzes erhalten und wird komplett untersucht. Die digitale 3D-Visualisierung mit den markierten Zellen ist über das Internet jederzeit zug?nglich.
Neue Erfahrungen und Erfolge
Im Labor arbeitet der Roboter-Prototyp und bewegt die Proben. Komplett marktbereit ist die Plattform aber noch nicht. Axelrod sagt, sie k?nnten zwar erste Dienstleistungen anbieten, indem sie eingeschicktes Gewebe automatisiert transparent machen und in kürzester Zeit ein beschriftetes 3D-Bild anfertigen. Doch die Software müssen sie noch optimieren.
Die beiden Forschenden stellen sich im Rahmen ihrer Pioneer Fellowship, die zur Gründung eines Start-ups führen soll, auch Herausforderungen anderer Art: ?Als Wissenschaftler hat man eine andere Denkweise was zum Beispiel das Zeitmanagement betrifft. Forschende sind oftmals Perfektionisten, weil sie nichts ver?ffentlichen, bevor es nicht absolut perfekt und geprüft ist.? Andererseits machen Catto und Axelrod mit ihrem Projekt erste Schritte in der Welt der Start-ups. Dort müssen sie mehr ausprobieren, sich Feedback holen und schnelle, iterative Zyklen durchlaufen. ?Das wirkt sich stark aufs Zeitmanagement aus?, erg?nzt Catto.
Als einen ihrer bisherigen gr?ssten Erfolge nennen Catto und Axelrod ihr grossartiges Team. Es sei eine neue Erfahrung gewesen, Personen mit den richtigen technischen und sozialen F?higkeiten zu finden, um die gewünschte Teamdynamik zu erhalten. Ein wichtiger technischer Meilenstein war zudem, den Arbeitsablauf erstmals am Stück durchzuführen.
Das Ziel immer im Auge behalten
Auf die Frage, ob neben den unz?hligen Stunden in Büro und Labor Zeit für Hobbys bleibt, lachen die beiden. Die Frage liege auf der Hand. Im Moment sei es noch m?glich, eine gesunde Work-Life-Balance zu halten. Das sei ihnen wichtig. ?Auch wenn ich befürchte, dass sich dies ?ndern k?nnte, sobald die n?chste Projektphase beginnt?, sagt Catto. In schwierigen Momenten motiviert sie die Vorstellung, wie ihr Start-up wirkt und die Markteinführung ihres Produkts: ?Der Gedanke an die positiven Auswirkungen, die unsere Roboterplattform auf die Histologie haben wird, motiviert uns in schwierigen Zeiten sehr. Dies treibt uns an, besonders wenn nicht alles wie gewünscht l?uft?, erg?nzt Axelrod.
Das Ziel, ein gutes Produkt auf den Markt zu bringen, ist beiden nicht nur pers?nlich im Sinne eines eigenen erfolgreichen Start-ups wichtig. Sie verfolgen damit auch einen Zweck: Forschungslabore und Kliniken sollen ein nützliches und funktionierendes Produkt erhalten, auf das sie sich verlassen k?nnen und das die Krebsdiagnose in die digitale Welt bringt.
Auch die pers?nliche Entwicklung liegt dem Duo am Herzen. Eine gute Führungskraft zu werden und dennoch die eigene Pers?nlichkeit zu bewahren, als Mensch zu wachsen und neue Erfahrungen zu machen. Dafür ist das Start-up-Umfeld der perfekte Ort.
Literaturhinweise
Axelrod, Robert, Julia Baumgartner, Michael Beyrer, Alexander Mathys. (2023). Experimental and simulation-based investigation of the interplay between factor gradients following pulsed electric field treatments triggering whey protein aggregations. Journal of Food Engineering, 340, 111308. doi: externe Seite 10.1016/j.jfoodeng.2022.111308
Kirschenbaum Daniel, Dadgar-Kiani Ehsan, Catto Francesca, et al. (2023). Whole-brain microscopy reveals distinct temporal and spatial efficacy of anti-Aβ therapies. EMBO Mol Med., 15(1):e16789. doi: externe Seite 10.15252/emmm.202216789