Schmerzen lindern ohne Abhängigkeit
ETH-Forschende untersuchen gemeinsam mit dem Kantonsspital Baden, wie Patientinnen und Patienten m?glichst keine Abh?ngigkeiten von opioidhaltigen Schmerzmitteln entwickeln.
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Der Umgang mit Opioiden wird viel diskutiert. Gemeint sind damit Morphin und mit ihm verwandte Wirkstoffe wie Oxycodon, die als Schmerzmittel eingesetzt werden. Sie sind ein Segen für Patientinnen und Patienten mit akuten starken Schmerzen, k?nnen aber wegen ihres Abh?ngigkeitspotenzials und der Gefahr lebensbedrohlicher ?berdosierungen auch zum Fluch werden. Die Opioidkrise in den USA und in Kanada, wo j?hrlich mehrere Zehntausend Menschen an einer ?berdosis sterben, wirft ihren Schatten auch auf Europa, wo die ?rztliche Verschreibung von Opioiden wie dem Oxycodon in den letzten zehn Jahren deutlich zugenommen hat.
Opioide sind auch ein wichtiges Thema in der seit gut vier Jahren bestehenden Forschungszusammenarbeit zwischen der Spitalapotheke des Kantonsspitals Baden und dem Institut für Pharmazeutische Wissenschaften der ETH Zürich. Seitens der ETH wird diese Zusammenarbeit von Andrea Burden, Professorin für Pharmakoepidemiologie, geleitet. Eine Schlüsselposition nimmt ihr Mitarbeiter Dominik St?mpfli ein. Er arbeitet je zur H?lfte als klinischer Pharmazeut am Kantonsspital Baden und als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Burdens Gruppe an der ETH.
Optimale Therapie
Die beiden Forschenden untersuchen unter anderem, welche Risiken Medikamente bei Patientinnen und Patienten bergen und was bei der Abgabe von Medikamenten verbessert werden kann, damit die Patient:innen m?glichst optimal von einer Therapie profitieren. Nebenwirkungen, die Gefahr von ?berdosierungen oder die Entwicklung einer Medikamentenabh?ngigkeit sollen so gering wie m?glich gehalten werden.
?Die Ergebnisse haben uns gezeigt, dass wir uns besser um die Patientengruppe kümmern müssen, die Opioide erh?lt.?Dominik St?mpfli
Dazu geh?rt auch das Thema Rehospitalisierung: Komplikationen nach der Entlassung aus dem Spital, die einen erneuten Spitalaufenthalt notwendig machen, sollen m?glichst vermieden werden. Auch hier spielen Opioide eine Rolle, wie eine ETH-Masterstudentin unter der Leitung von St?mpfli und Burden in einer Datenanalyse zeigen konnte: Patientinnen und Patienten, die zum Zeitpunkt des Spitalaustritts noch auf opioidhaltige Schmerzmittel angewiesen waren, hatten ein erh?htes Risiko, innerhalb von 30 Tagen erneut hospitalisiert zu werden. ?Die Ergebnisse haben uns einmal mehr gezeigt, dass wir uns besser um die Patientengruppe kümmern müssen, die Opioide erh?lt?, sagt Dominik St?mpfli.
Von den Personen, die in der Schweiz Opioide ?rztlich verschrieben bekommen – ausgenommen jene, die sie zur Krebsbehandlung und im Rahmen der kontrollierten Abgabe an Abh?ngige erhalten –, nimmt rund ein Drittel die Medikamente l?nger als ein Jahr ein, wie eine Auswertung von Krankenkassendaten zeigte. Es ist jedoch bekannt, dass Opioide zwar zur Behandlung akuter oder palliativer Schmerzen geeignet sind, aber nicht zur Behandlung chronischer Schmerzen über einen l?ngeren Zeitraum. Denn ein Langzeitgebrauch kann die Schmerzempfindlichkeit erh?hen, die Rehabilitation verlangsamen oder zu einem problematischen Opioidkonsum führen. Am Kantonsspital Baden wird daher ein Team zusammen mit den dortigen Spital?rzten, den Pflegenden und mit Haus?rztinnen Empfehlungen erarbeiten, wie diese Medikamente im Spital am besten eingesetzt werden k?nnen. Dazu geh?rt auch, wie die ?rzte gemeinsam mit den Pflegenden sicherstellen k?nnen, dass die Patient:innen wieder davon loskommen.
Ohne Opioide nach Hause
?Wir sollten die Patientinnen und Patienten mit den Opioiden nicht allein lassen, sondern sie besser begleiten?, sagt ETH-Professorin Burden. Ein Teil davon k?nnte sein, die Patient:innen, die zum ersten Mal Opioide erhalten, schon w?hrend des Spitalaufenthalts engmaschiger zu überwachen und schneller als bisher mit der Dosisreduktion zu beginnen. ?Im Idealfall ist der Ausschleichprozess bereits im Spital abgeschlossen, und die Patienten k?nnen ohne Opioide entlassen werden?, sagt St?mpfli.
?Die ETH Zürich hat keine medizinische Fakult?t. Die Zusammenarbeit mit dem Kantonsspital gibt uns die M?glichkeit, mit Patientendaten zu forschen und klinische Studien durchzuführen.?Andrea Burden
Wer nach dem Spitalaustritt noch opioidhaltige Schmerzmittel ben?tigt, soll im Gespr?ch oder mit schriftlichen Informationen ausführlich über den richtigen Umgang mit den Medikamenten aufgekl?rt werden. Patienten und ihre Haus?rzte müssen wissen, wie schnell die Medikamente bei akuten Schmerzen optimal ausgeschlichen werden k?nnen. Das Kantonsspital Baden plant dazu zusammen mit Burden eine Studie, in der verschiedene Formen des Ausschleichens auf ihre Wirksamkeit überprüft werden.
?Es geht nicht darum, den Patientinnen und Patienten keine Opioide mehr zu geben, denn sie haben ein Recht darauf, nicht unter überm?ssigen Schmerzen leiden zu müssen?, sagt Burden. ?Es geht vielmehr um einen vernünftigen Umgang mit den Medikamenten, das heisst um den kurzfristigen Einsatz gegen akute starke Schmerzen, verbunden mit einem Plan, wie die Medikamente wieder abgesetzt werden k?nnen.?
Von der Zusammenarbeit zwischen dem Kantonsspital Baden und der ETH profitieren beide Seiten. ?Die ETH Zürich hat keine medizinische Fakult?t. Die Zusammenarbeit mit dem Kantonsspital gibt uns die M?glichkeit, mit Patientendaten zu forschen und klinische Studien durchzuführen? , sagt Burden. Besonders wichtig ist ihr der Austausch mit ?rztinnen, ?rzten und Pflegenden, die t?glich mit Patientinnen und Patienten zu tun haben. Die Praktiker haben viele wichtige Fragen. ?Wir Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben hingegen die Forschungsexpertise, und wir k?nnen ihnen helfen, ihre Fragen zu beantworten.?
Zu den Personen
Andrea Burden ist Professorin für Pharmakoepidemiologie am Departement Chemie und Angewandte Biowissenschaften der ETH Zürich.
Dominik St?mpfli arbeitet je zur H?lfte als klinischer Pharmazeut am Kantonsspital Baden und als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Burdens Gruppe an der ETH Zürich.
?Globe? Mensch im Mittelpunkt
Dieser Text ist in der Ausgabe 23/04 des ETH-????Magazins Globe erschienen.